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KEVIN DEVINE – There are a lot of smart people doing dumb things

Mr. Devine war wieder einmal in Town. Mit neuem, alten Album „Put your ghost to rest“, das zunächst 2006 für kurze Zeit bei Capitol erschien und nun als Re-Release bei Procrastinate! Music Traitors die zweite Geburt feiern darf. Denn kurz nach Erscheinen hatte Herr Virgin Capitol aufgegessen und Kevin kurzerhand als nicht gewinnträchtig genug aussortiert.
Grund genug auf jeden Fall, sich an einem Montag Abend schon etwas früher unter die Sternbrücke ins Fundbureau zu begeben, um in den Pausen des Gepolters der S31 meinem absoluten Lieblingsschreihals ein paar Fragen zu stellen.

[F]Wie oft hast du jetzt schon in Hamburg gespielt?
[A]Oh Mann, ich glaube, ich habe bisher bei jeder Tour Hamburg mitgenommen, das dürfte das achte oder neunte Mal sein.

[F]Und wie sieht dein typischer Tourtag in Hamburg aus? Gibt’s bestimmte Orte, an denen du immer gern vorbeischaust?
[A]Unglückerweise hat man auf Tour den Tag über nicht viel Zeit, was zu machen. Am häufigsten haben wir im Molotow auf der Reeperbahn gespielt, also sind wir dort schon viel rumgelaufen. Die Reeperbahn kenn ich wohl besser als alles andere in Hamburg. Aber diesmal können wir ja einen neuen Stadtteil kennen lernen.

[F]Du spielst an die 200 Shows im Jahr. Wird es da nicht irgendwann langweilig oder Routine? Kannst du z.B. einen Song wie „Ballgame“ jeden Abend mit der gleichen Intensität und Leidenschaft singen?
[A]Eigentlich schon. Aber es gibt so Abende, an denen du müde oder nicht so richtig drin bist. An solchen Abenden versuchst du, es dir etwas spannender zu machen mit irgendwas Neuem auf der Gitarre. Und ich ändere häufig die Texte. Außerdem habe ich oft andere Arrangements, heute Abend z.B. sind wir eine Dreimannband, manchmal sind wir auch sieben. Dadurch kannst du die Songs immer wieder neu kennen lernen und auffrischen.

[F]Das letzte Mal, als du im Molotow gespielt hast, ist dein Pickup kaputt gegangen, und du musstest unverstärkt spielen. Es war so unheimlich ruhig, und niemand traute sich, auch nur einen Mucks zu machen. Fühlst du dich bei einem eher extrovertierten Publikum wohler?
[A]Ich mag es, wenn das Publikum ruhig ist, weil viele meiner Songs ruhig sind. Wenn sich die Leute sehr laut unterhalten, während Du einen sehr ruhigen Songs spielst, hat da keiner was von, am wenigsten derjenige, der auf der Bühne steht, weil du das Gefühl hast, dass keiner zuhört. Außerdem wird die eine Hälfte auf die andere sauer, und irgendwann geht das schhhhh los.

[F]Magst du es denn, wenn die Leute mitsingen? Es sind ja sehr persönliche Texte. Würdest du sogar sagen, sie sollen es bleiben lassen? (Wie unlängst Marcus Wiebusch bei der Ansage von „Balu“: „Dies ist kein Fußballlied“)
[A]Da bin ich zwiegespalten. Das hängt sehr von meiner Stimmung ab. Einerseits möchte ich, dass die Leute Spaß haben, andererseits wurden diese Songs nicht geschrieben, damit ein Haufen Leute sie singt. Sie wurden geschrieben, damit ich sie singe (lacht). Aber wenn Leute mitsingen, ist das ja auch Ausdruck ihrer Verbindung zu dem Song, das weiß ich schon zu schätzen. Es sei denn, sie singen schief.

[F]Aber findest du es nicht seltsam, es sind ja deine Gefühle und Gedanken…
[A]Wenn man Musik veröffentlicht, dann gibt man damit auch einen gewissen Besitzanspruch ab. Die Songs haben für mich ihre Bedeutung, aber vielleicht eine ganz andere Bedeutung für dich.

[F]Ich muss ja zugeben, ich hab mir nie wirklich die Mühe gemacht, deine Texte zu übersetzen. Als ich mich jetzt mal genauer mit ein paar Songs auseinandergesetzt habe, war ich fast etwas schockiert. Z.B. „Brooklyn boy“ schien so ein fröhlicher, unschuldiger Song zu sein, handelt aber davon, bewusst ein drogenabhängiges Leben zu führen, richtig?
[A]In gewisser Weise geht es darum, verantwortungslos zu sein. Und um schlechte Entscheidungen. Wie man Entscheidungen im Leben trifft, bei denen man schon weiß, dass sie nicht gut für einen sein werden, aber in dem Moment ist es dir einfach egal.

[F]Also sind die Drogen mehr eine Metapher?
[A]Nun ja, das gehört schon dazu. Du kannst ja nicht einfach so einen Song über das Wegziehen von Kokainlinien schreiben.

[F]Du hast ja so einige Anspielungen auf Kokain. Also mal ganz direkt: Nimmst du viel Kokain? Bist du drogenabhängig?
[A]Ähm, bin ich. Ich versuche, es nicht mehr zu nehmen, und die meiste Zeit klappt dieser Versuch. Lass es mich mal so formulieren: die meiste Zeit geht’s mir gut. Manchmal nicht, aber immer häufiger geht’s mir gut. Ich arbeite dran.

[F]Also handeln die Drogengeschichten in deinen Songs schon direkt von dir, oder versetzt du dich in jemanden hinein und erzählst es aus seiner Sicht?
[A]Nun, das ist immer unterschiedlich. Manchmal bin ich das, manchmal ist es nur eine Geschichte.

[F]Wenn du singst „we shake hands and trade“, dann bist du das.
[A]Wenn du das so möchtest? Ich werde niemandem erzählen, was er aus einem Song lesen soll. Ich weiß, was es für mich bedeutet, für jemand anders kann es was ganz anderes bedeuten.

[F]Naja, was ich eigentlich auch nur wissen wollte war, ob du tatsächlich Kokain genommen hast.
[A]Ich habe Kokain genommen, na sicher, absolut.

[F]Würd ich niemals machen, ist doch sehr gefährlich.
[A]Da geb ich dir sehr Recht. Du bist sehr klug.

[F]Ich denke, dass DU ziemlich klug bist und wundere mich dann, dass Du es dennoch tust. Die Junkies auf der Straße sind doch ein abschreckendes Beispiel.
[A]Es gibt viele kluge Menschen, die dumme Sachen tun. Wenn wir mal durch dein Leben blättern, sind da bestimmt auch einige Entscheidungen, die auf gewisse Weise ziemlich dumm waren. Und das ist halt meine. Ich habe brillante Alkoholiker kennen gelernt. Aber ich weiß, was du meinst. Es ist eines der rätselhaftesten Dinge, warum du den dummen Scheiß machst, den du machst, obwohl du klug bist (lacht). Aber ich arbeite dran.

[F]Ok, Themenwechsel. Wenn du politische Songs wie „No time flat“ in sehr konservativen Staaten wie Texas spielst, wurdest schon mal angemacht, von wegen du seiest anti-american oder so?
[A]Das kann schon mal passieren. Wenn ich Support für jemanden bin, und es nicht mein Publikum ist, und die Leute Lovesongs erwarten. In Texas gab es tatsächlich mal so eine Geschichte. Ich hab am Independence Day in einer Bar in Texas gespielt, und nach diesem Song hat die Barkeeperin mir keinen Alkohol mehr ausgeschenkt. Es gab auch schon Leute, die mich über Myspace angepöbelt haben oder während der Show dazwischenrufen.

[F]Aber auf die Schnauze hast du noch nicht bekommen.
[A]Noch nicht.

[F]Obama, ist er der Mann?
[A]Mit ihm ist es schon eine interessant Sache. Ich kann verstehen, warum die Leute bei ihm so aus dem Häuschen sind. Er repräsentiert eine Art Wechsel. Zunächst seine Hautfarbe, dann der Grad seines Intellektes, mal verglichen mit demjenigen, der das Weiße Haus bald verlassen wird. Er hat eine sehr in den Bann ziehende Art zu reden, sehr überzeugend. Erinnert an Kennedy. Aber wenn man mal dahinter schaut, seine Politik und wer ihm das Geld in die Taschen steckt, wie er bei vielen Dingen abgestimmt hat, ist er schon sehr Status Quo. Ich werde wohl Ralph Nader wählen.

[F]Schmeißt du damit nicht deine Stimme weg?
[A]Ich lebe in New York State. Da gewinnen die Demokraten jedes Mal. Ich könnte auch dich wählen. Würde ich in einem Staat leben, wo es sich die Waage hält, würde ich wohl nochmal genauer drüber nachdenken und vielleicht Obama wählen.

[F]Ok, dein „neues“ Album. Früher hast du viel darüber gesprochen, wie wenig du von Major Labels hältst. Was war so anders bei Capitol, dass du zu diesem Riesen gewechselt bist?
[A]Gute Frage, letztendlich nichts. Es war mehr ein Experiment. Ich war vorher bei einem Indie, Triple Crown Records, mit dem ich nicht so schrecklich glücklich war, welches nicht so produktiv für mich war. Die Leute, die ich bei Capitol kennen gelernt habe, waren sehr aufrichtig, und es fühlte sich wie der nächste richtige Schritt an. Und ich bereue es nicht. Ich konnte ein Album machen, das mir sehr viel bedeutet, konnte großartige Leute kennen lernen, konnte mit Rob Schnapf arbeiten, was super war. Und nur durch die Zeit bei Capitol bin ich überhaupt in der Lage, diese Touren zu finanzieren. Außerdem war es so möglich, in Amerika eine Fanbase aufzubauen, die ich gar nicht wirklich hatte.

[F]Ja, vor ein paar Jahren meintest du, du seiest in Deutschland sogar populärer als in den USA, was ich mir gar nicht vorstellen konnte.
[A]Ja, jetzt hält es sich überall die Waage. Nirgendwo bin ich mega-bekannt, aber überall so zwischen 100 und 600 Leuten.

[F]Kennst du songmeaning.net, wo Leute versuchen, deine Songs zu interpretieren? Das dürfte ziemlich lustig für dich sein.
[A]Kenn ich, aber da würde ich niemals drauf gucken, weil das schlecht für mich ist. Ich möchte gar nicht wissen, was irgendjemand über mich denkt. Aber es ist schon cool, dass es überhaupt irgendjemanden schert und im Internet darüber diskutiert. Aber ich glaube, es ist nicht gesund für die Person, die den Song geschrieben hat. Jeder hat ein Ego, und nachher möchte ich noch jeder einzelnen Person sagen, worum es wirklich geht, das wäre verrückt.

[F]Du bist GUNS’N’ROSES-Fan, richtig?
[A]Naja, war ich als Kind. Die Alben sind sehr alt geworden. Aber ich liebe „Appetite for destruction“ und „Lies“ immer noch.

[F]Wenn Du einen GUNS’N’ROSES-Coversong spielen müsstest, welcher wäre das?
[A] „Rocket queen“ ist wohl mein Lieblingssong. Als Kind hab ich auch schon „Patience“ gecovert, und „November rain“ bei der Talentshow in der achten Klasse. Aber mit Band: „Rocket queen“. Das Ende ist großartig.

[F]Was hältst du von dem Song „One in a million“?
[A]Axl Rose ist offensichtlich ein kranker Typ mit ein paar Problemen.

[F]Hast du heute Mitleid mit ihm?
[A]Es ist einfach nur traurig. Eine sehr amerikanische Geschichte. Das Herz der Unterhaltungsindustrie ist sehr krank.

[F]Ja, viele Drogensüchtige. Ich meine, er ist, was er jetzt ist, durch Alkohol und Kokain.
[A]Wenn du das denken möchtest. Es gibt viele Leute, die sagen, dass Axl Rose in den letzten 15 Jahren weder getrunken noch Drogen genommen habe. Ich glaube, dass er verdammt psychotisch ist. Und es ist der Einfluss der Leute um ihn herum. Er konnte sich lange wie ein König aufführen und hat es nicht mitbekommen, als das Rampenlicht ausging.
Die Entertainmentindustrie ist wie Herr der Ringe. Jeder will den Ring haben, und wenn du ihn einmal hast, kannst du ihn nicht mehr loslassen. Er macht dich krank. Einfach nicht normal, wie ein Pfau im Käfig zu sitzen, der ständig fotografiert wird…

[F]Auf Youtube findet man eine Menge Freestyling von dir und auch dein „Prince of Bel Aire“-Cover. Ist da ein kleiner EMINEM in dir, der raus möchte?
[A]Ich mag Worte. Und Rap ist ein Medium der Worte.

[F]Hörst du auch sonst viel HipHop?
[A]Ja, schon. Ich mag JAY-Z. Ich liebte die ersten beiden EMINEM-Alben, und PUBLIC ENEMY.

[F]Kannst du denn auch die aktuellen Sachen auf MTV ertragen?
[A]Schau ich gar nicht. Ich bin eigentlich immer total hinterher, was aktuelle Musik angeht. Bei HipHop mag ich schon eher die 90er.

[F]Ok, letzte Frage: Hast du wirklich den „Haircut“ aus deinem Song gestohlen?
[A]Nein, das kann ich dir verraten. Das war nur eine Geschichte. Nein, ich bin nicht in einen Laden eingebrochen und hab ihn mitgenommen.

[F]DAS wäre dann wohl psychotisch.
[A]Da könntest du Recht haben.

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