Laut Jeff Waters ist „All for you“ genau das Album, das nach „Never neverland“ hätte folgen sollen, sein persönliches „Back in black“ (Waters ist fanatischer AC/DC-Anhänger). Das lässt die Erwartungen natürlich in die Höhen der Gebirgszüge des Himalajas aufsteigen. Um dem komplexen, mittlerweile zehnten Studio-Album (+ diverse Live- und Best Of-Zusammenstellungen) des Kanadiers gerecht zu werden, gebe ich eine kurze Beschreibung jedes einzelnen Songs ab, um einen guten Überblick zu verschaffen.
Nachdem Joe Cameau (Ex-OVERKILL) die Band verlassen hat (verlassen musste??), ist mit Dave Padden bereits der fünfte Sänger (inklusive Jeff Waters selber) an Board. Obwohl ANNIHILATOR Padden’s erste richtig professionelle Band ist, gibt er eine mehr als ordentliche Leistung ab, die aufhorchen lässt. Vielleicht hat Mr. Walker ja endlich einen Sänger gefunden, der mehr als zwei Alben am Stück einsingen darf.
Das Album startet mit „all for you“ relaxt durch und beeindruckt mit gewohnt tollem Riffing. Der frühzeitige einsetzende, melodische Chorus wechselt sich mit einem psychopatisch-verstelltem Gesang ab. Der Track ist zu Beginn sicher etwas gewöhnungsbedürftig, doch nach mehrmaligem Hören mutiert er zum Ohrwurm.
Auch „dr. psycho“ beginnt relaxt, bevor das gut siebenminütige Stück nach ca. 90 Sekunden in einen groovigen Basslauf übergeht und das Schlagzeug mit einsteigt. Jetzt gibt es kein Halten mehr und die Waters’ sche Gitarre peitscht wie gewohnt über den digitalen Highway direkt in unsere Gehörgänge. Es ist immer wieder unglaublich, welchen Widererkennungswert diese Gitarrenriffs besitzen.
Die Entscheidung, D. Padden als neuen Sänger zu verpflichten, war goldrichtig. Unglaublich, wie variabel seine Stimme ist. Vom psychoartigem Gesang über hoch melodische Parts bis hin zu markerschütternden Schreien und melancholischer Ausdrucksweise, alles wirkt gekonnt und kurzweilig.
„demon dance“ ist eine High Speed Granate und der definitiv verrückteste Song des Albums. Man hat das Gefühl, als hätte Jeff Waters beim Songwriting, einen sehr hohen Spaßfaktor gehabt. Klischees vermischen sich mit krankem Humor, was allerdings gerade zu Beginn des Songs für etwas überstrapazierte Nerven sorgt (am Ende wird dann auch kräftig gelacht, was im Grunde nicht überrascht). Doch auch hier weicht mit der Zeit der Anspruch des Songs der Faszination. Unglaublich, wie viele unterschiedliche Rhythmen und Ideen alleine in diesem einen Lied untergebracht sind. Bei jedem Hören entdeckt man neue „Geräusche“ und Feinheiten.
Mit „the one“ präsentiert uns der Meister die erste Ballade des Albums. Sehr gelungen und selbst die „na na na“-Parts wirken nicht aufgesetzt und plakativ. Erinnert ein wenig an „innocent eyes“ vom Grandiosen 96’er Album „Refresh the demon“.
Nach der vierminütigen Verschnaufpause geht es direkt mit dem Thrasher „bled“ weiter, das auch ohne weiteres auf „King of the kill“ (1994) oder „Refresh the demons“ (1996) hätte stehen können. Gelungener Song mit teilweise rockigen Einlagen, die gut ins Songgerüst passen. Weiter geht es mit „both of me“, mit 8 Minuten der längste Albumtrack. Nach einem fetzigen Anfang wird es erst einmal ruhig und eine schöne Gesangsmelodie sorgt für Entspannung, bevor es nach wenigen Sekunden wieder ordentlich zur Sache geht. Wären METALLICA und MEGADETH doch bloß in der Lage, Thrash-Metal dieser Güteklasse zu spielen, es wäre eine wahre Freude. Nach dem gutklassigen und erneut sehr schnellen „rage absolute“ steht mit „holding on“ die zweite Ballade des zehn Song starken Albums an. Nicht ganz so gut wie „the one“, aber ordentlich.
„the nightmare factory“ handelt, wie der Titel schon sagt, von Albträumen. Grooviges Riffing trifft auf einen schreienden Dave Paddern. Einer der schwächeren Songs von „All for you“.
Das Instrummental „the sound of horror“ bildet den Abschluss des Albums und ist der absolute Schwachpunkt. Gegen ein gutes Instrumental ist ja nichts einzuwenden. Doch der „Horrorsound“ ist einfach nur langweilig und unnötig. Da das Album auch ohne letztgenannten Song 50 Minuten lang ist, hätte man nach neun Stücken Schluss machen sollen.
Insgesamt ist zu sagen, dass das vorliegende Album trotz einiger starker Stücke nicht zu den besten von ANNIHILATOR gehört. Zu stark sind Alben wie „Alice in hell“, „Never neverland“ oder „Refresh the demons“. Aber es lässt aufhorchen. Der Wechsel des Sängers hat durchaus Sinn gemacht, auch wenn Joe Cameau sicherlich kein schlechter seines Fachs war. Aber manchmal muss einfach eine Veränderung stattfinden, um einen guten Neustart wagen zu können. Die Produktion ist erste Sahne und lässt die etwas undifferenzierte Produktion des Vorgängers „Wake of fury“ (2002) vergessen.
ANNIHILATOR sind eine der ganz weniger Bands, deren Alben man sich immer wieder anhören kann, unabhängig davon, ob ein Album etwas schwächer ist oder nicht. Es macht einfach Spaß! Wäre eine Hymne wie „21“, „city of ice“, oder „the fun palace“ dabei gewesen, könnte die Bewertung noch einen Punkt höher ausfallen. So müssen sich die Jungs diesmal „nur“ mit einer 7.5 zufrieden geben. Allerdings sei jedem Fan der Band gesagt: kauft euch dieses Album und hört es mehrmals an! Viele Songs und Songparts entfalten sich erst nach mehrmaligem Hören, und haben sollte man das Album als Thrash-Metal Fan sowieso.