So richtig gute deutsche Indie-Musik mit Texten, die nicht zu kryptisch, zu abgehoben, aber auch nicht zu stumpf sind, gibt es, trotz der Vielzahl an Bands, nicht jeden Tag zu entdecken. STERNBUSCHWEG hauen mit ihrem Debüt „Mein Herz schlägt weiter jeden Tag“ mal eben genau das raus, was man sonst so oft vermisst. Musikalisch und textlich dabei so eigen, dass es schon mit dem Teufel zugehen müsste, wenn es nicht seinen Platz zwischen den TOCOS, TOMTE und MADSEN findet. Lang genug hat es ja auch gedauert, denn Frischlinge sind STERNBUSCHWEG nicht. Schon seit 2002 treiben sie sich um, und immerhin haben sie es in der Zeit schon auf drei EPs und eine Single gebracht, alle im Eigenvertrieb oder bei Kleinstlabels veröffentlicht. Gut, dass die Band so lange mit ihrem Album gewartet und es live eingespielt hat. Der raue Sound steht dieser Musik ausgezeichnet. Sicherlich gibt es auch bei ihnen Einflüsse, die vor allem aus dem reichen Fundus der britischen Gitarrenbands stammen. THE SMITHS seien hier exemplarisch genannt, aber auch THE CHARLATANS, THE MIGHTY LEMON DROPS oder THE JESUS AND MARY CHAIN. Deren Feedbackblues findet man zwar nicht auf “Mein Herz schlägt weiter jeden Tag”, aber immer wieder findet man gezielt verzahnte Gitarren, die so viel mehr bieten als so viele deutsche Bands es tun. Etwas gewöhnen muss man sich an den Klang der Stimme und an die Art zu singen von Sänger und Gitarrist Wolfgang Müller-Molenar. Einerseits praktiziert auch er das schon von Thees Ullmann bekannte Phrasieren über Taktmaße hinweg, andererseits neigt er oft zu einem sehr weichen Gesangsstil. Doch auch das stellt einen nicht zu unterschätzenden Aspekt der Eigenständigkeit von STERNBUSCHWEG dar. Der Titelsong ist ein sprödes, melancholisches, treibendes Gitarrendings mit Anleihen bei den alten Shoegazern, aber auch bei Bands wie THE CHAMELEONS oder THE HOUSE OF LOVE. Dazu der gefühlvolle passende Text. Klasse. „Paula, ich liebe Dich“ erinnert unweigerlich an die ganz großen Momente von THE SMITHS, ist ein toller Gitarrenpopsong und gehört in jedes Radio, auf jede private Sommercompilation. „Solange wir jung sind“ bedient sich ebenfalls bei den SMITHS. Schön auch das Duett mit Susan Pawlak in „Das höchste der Gefühle“, ein flockig-lockerer Popsong. „Es ist nirgendwo wie hier“ bietet Singer/Songwriter-Feeling in entspanntem E-Piano-Gewand. Dass man deutsche Texte und großartigen Gitarrenpop mit Rave-Rhythmen verbinden kann, zeigt „Die Welt ist nicht gemacht für uns“. Was die Band hier aus einem treibenden, groovenden Rhythmus, zerrenden Gitarren, allerlei Keyboards, allen voran eine herrlich psychedelische Orgel und nachdenklichem Text macht, stellt nicht mehr und nicht weniger einen Meilenstein in der deutschsprachigen Musik dar. Großartig! „Ich muss es beenden bevor es beginnt“ müsste nach so einem Fels an Song schlichtweg scheitern, tut es aber nicht. Vielmehr setzen STERNBUSCHWEG geradlinigen Rock und sphärische Gitarren dagegen und gewinnen. Bemerkenswert auch die textliche Umsetzung eines profanen Liebesliedes in „Meine Liebe dauert länger als der Kommunismus“. THE SMITHS begegnen einem dann gegen Ende des Albums in „Die Unmöglickeit“ wieder. Großartiger Text übrigens. Das finale „Star“ bietet noch einmal einen feinsinnigen Text über den Zustand des Lebens heutzutage, hinterlegt mit gebremstem Groove und Gitarren, die sich in die Wolken schrauben. Lediglich „Mary Alices’s Rettungsplan“ fällt raus, ist zu lahm, zu sehr in Nähe von JULI und Konsorten. „Mein Herz schlägt weiter jeden Tag“ ist ein großer Wurf, ein Geschenk für den deutschen Indierock.