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TOWN OF SAINTS – Something to fight with

Ich sitze im Auto, draußen ist es dunkel, Nieselregen. Ich zähle im Kopf den Takt des Scheibenwischers mit und warte gespannt auf die ersten Töne.
Im CD-Player: das Debüt von TOWN OF SAINTS, einer jungen, finnisch-niederländischen Band, die ich bereits zweimal live gesehen habe und die bei ihren Konzerten eine Energie und Spielfreude ausstrahlt, die total mitreißt und Spaß macht. Musikalisch überzeugend (wenn man´s folkig und akustisch mag) punktet die Band noch dazu durch ihr Temperament, ihr harmonisches Zusammenspiel und nicht zuletzt ihr sympathisches Auftreten: Sänger Harmen, Geigerin Heta und Sietse an den Drums geben sich der Musik ganz hin, sind gleichzeitig dem Publikum ganz nah und musizieren mit Leidenschaft, ohne dabei aufgesetzt zu wirken. Zugute kommt ihnen dabei wohl, dass sie ihre Bandkarriere als Straßenmusiker begonnen haben. Die Kommunikation mit dem Publikum, eine stete Verbindung, die während des gesamten Konzertes niemals abreißt, ist eine ihrer großen Stärken.
Meine Erwartungshaltung also einerseits wohlwollend, da ich die Band wirklich mag, andererseits skeptisch, denn mit Konzerten und Alben ist das ja immer so eine Sache: zu oft liegen zwischen Live-Auftritt und Studioaufnahmen der Bands Welten. Der im Bandinfo aufgestellte Vergleich mit ARCADE FIRE, FLEET FOXES und LOCAL NATIVES (welche Mischung…) verstärkt meine Bedenken eher noch – ganz schön ambitioniert!
Als es losgeht, beschleicht mich trotz runtergeschraubter Erwartungen ein kleines Gefühl der Enttäuschung: keine Gänsehaut, keine Verzauberung.
Wie befürchtet, entpuppt sich gerade die Stärke von TOWN OF SAINTS, ihre offene, mitreißende Art zu musizieren, für mich als Schwäche des Albums, weil sie hier fehlt: Etwas glatt, etwas steif, zu sehr in studiotechnische Bahnen gegossen wirken die Songs auf dem Album. Überdeutlich nehme ich Schwächen in der Songstruktur wahr, die mir live nicht aufgefallen sind, Breaks und Taktänderungen, wie bei „Dress it up“, die den Song irgendwie „stören“. Insbesondere die schnellen, rockigen Nummern wirken auf der Platte nervös und etwas gekünstelt.
Und dann doch: ein Zauberfünkchen taucht auf! Bei „New skins“ hängt sich mein Ohr an die sanfte, warm klingende Guideline von Hetas Geige, irisch anmutend, die den Song umschmeichelt; es gibt Folk-Gitarren und zweistimmige Passagen, in denen sich Harmens und Hetas Stimmen perfekt mischen – recht simpel, aber so gut. Überhaupt findet sich die Stärke des Albums in den balladesken Songs, in denen die Band mit einfachen, folkigen Melodien, Harmens wunderbarer Stimme und dem ungewöhnlich warmen, intensiven Geigenklang Hetas zu großer Ausdruckskraft findet, während die Rock-Attitüde (z.B. „Direction“) mich nicht wirklich überzeugt.
Insgesamt ist die Platte dafür musikalisch erstaunlich vielseitig: melodiöser Folk und Indie-Rock mischen sich recht eingängig über pulsierenden, sehr tanzbaren Drums, immer mal versehen mit Indiepop-Accessoires wie Glockenspiel, Rufgesang und Handclapping („Caroussel“) oder wild und ausartend wie eine Irish-Folk-Session („It´s your life“) – das Debüt einer jungen, sympathischen Band, die ihren eigenen, vor allem durch die Geige bestimmten Sound gefunden hat. Wenn mich auch nicht alle Titel überzeugen: TOWN OF SAINTS verstehen ihr Handwerk.
An einer Textzeile aus „Easier on paper“ bleibe ich hängen, wie passend: „Give yourself some time, let go out the future“. Und ich denke: Man, die sind noch so jung… Wer weiß, was da noch alles kommt.
Mit dem letzten Song („Stand up – part II“) haben sie mich wieder: als Reminiszenz an den ersten Song ist er eigentlich eher nur ein Anhängsel, erreicht aber durch eine immense instrumental-vokale, mehrstimmige Steigerung die größte Intensität und Stärke des Albums und erinnert ein bisschen an die Klangduschen von TEAM ME: ein Ausklang und gleichzeitig Vorgeschmack auf das, was da noch kommen kann! Den letzten Ton hat die Geige. Der Vorhang fällt.