Vor einem Jahr erschien das Debütalbum von YACHTEN auf My Favourite Chords. Im Oktober sollte dann die dazugehörige Tour folgen, doch es kam alles ganz anders. Anfang September verkündeten YACHTEN auf ihrer Homepage das Aus der Band aufgrund zwischenmenschlicher Probleme. Schade, sehr schade.
Das Interview, das ich kurz vorher mit Magnus (Gitarre) und Fabian (Bass, Gesang und zufällig ein Nachbar von mir) gemacht hatte, fiel somit unter den Tisch, aber da ich ihre Platte „Zweite Luft“ auch heute noch sehr gerne höre, kramten wir es doch noch mal hervor, um an die Band zu erinnern.
[F] Fangen wir mal ganz von vorne an. Fabian, erinnerst Du Dich noch, als wir uns vor Deiner ersten Probe vor der Haustür trafen? Damals haben wir uns eigentlich erst kennengelernt.
[A] Fabian: Ist das so? Ach, stimmt! Das war das erste Treffen mit Paddy, wo ich den Proberaum noch suchen musste. Wir haben uns mit YACHTEN über Bandnet gefunden. Das ist eigentlich eine total stumpfe Seite, wo nur so Heinis abhängen, die nach Progressive Metal-Bands suchen. Ich war damals neu in Hamburg und kannte hier noch keinen, der Mucke macht. So wäre ich fast Sänger von einer Ska-Band geworden. Aber ganz zuerst habe ich als Singer/Songwriter angefangen. Kennt Ihr das eigentlich?
Magnus: Ach, Quatsch!
Fabian: THOMAS INSIGNIUS hieß ich. Es gibt davon auch noch einen Myspace-Account mit zwei Songs. Wusstest Du gar nicht? Mit Jonas habe ich das gemacht, aber wir sind nie aufgetreten.
Magnus: Haha, geil!
Fabian: Aber zurück zu YACHTEN. Bei Bandnet habe ich eine Anzeige von Paddy entdeckt, in der er Leute suchte, die Lust auf CAPTAIN PLANET, PASCOW und ESCAPADO haben. Er hatte den Proberaum schon für sich alleine gemietet. Und so haben wir zu zweit angefangen, Musik zu machen, geguckt, wo wir hinwollen und ob wir uns überhaupt verstehen.
[F] Und wie kamen Magnus und Moritz dazu?
[A] Magnus: Das erste Treffen von Fabian und mir war skurril. Wir haben uns in der U-Bahn auf dem Weg zum Kiez kennengelernt und hatten beide schon gut einen sitzen. Ich hatte noch etwas Klimpergeld in der Tasche und wollte schauen, ob ich mir davon noch ein Bier leisten kann. Weil ein Plektrum dazwischen war, sprach mich daraufhin der Typ neben mir an, ob ich zufällig Bass spiele. Das war Fabian. Ich spiele zwar Gitarre und hatte eigentlich Lust auf eine Akustik-Hardcore-Band à la THOUGHTS PAINT THE SKY. Aber so tauschten wir trotzdem Nummern aus und trafen uns eine Woche später.
[F] Ich verstehe. Eine Mischung aus Online-Dating und Telefonnummern austauschen. Und wie kam Euer Schlagzeuger dazu?
[A] Fabian: Moritz und Paddy kannten sich schon vorher. Eigentlich hatten wir damals auch noch nach einem Bassisten gesucht, weil ich nur singen wollte. Wir hatten potenzielle Bassisten förmlich gecastet, aber am Ende bin ich es geworden, nachdem wir uns zu viert ein Ferienhaus in Dänemark zum Kennenlernen und Musizieren gebucht hatten. Den Bass hatten wir nur aus Spaß mitgenommen, ich hatte das dann ausprobiert bis mir aufgetragen wurde: „Du lernst das jetzt!“
[F] Fabian, Du sagtest ja gerade, dass in dem Inserat CAPTAIN PLANET und ESCAPADO standen. Findet Ihr, dass Ihr den Referenzen nahe kommt?
[A] Fabian: Man kann sich dem nicht ganz entziehen. Was man am meisten hört, beeinflusst ja auch das Spielen. Aber wir hören auch ziemlich unterschiedliche Genres, die in unsere Musik mit reinspielen.
[F] Das sehe ich genauso. Neben den üblichen Verdächtigen baut Ihr mit YACHTEN durchaus auch genrefremde Elemente, wie zum Beispiel ruhige Postrock-Passagen, in Eure Musik mit ein. Findet diese Abgrenzung bewusst statt?
[A] Fabian: Ich glaube tatsächlich, dass das aus Instinkt passiert. Wir orientieren uns sicherlich an den Sachen, die wir geil finden, aber an bestimmten Stellen bauen wir ein, worauf wir gerade Bock haben. Es war aber eine bewusste Entscheidung, dass wir keine straighte Melodic Punk/Emo-Band sind. Die Platte klingt nicht stringent nach einem Sound, sondern wir wollen den Hörer aus bestimmten Momenten auch wieder herausholen. Weil wir wussten, dass der Vergleich mit TURBOSTAAT oder CAPTAIN PLANET sowieso kommen würde, war uns das wichtig.
[F] Ich habe einen Satz gelesen, den ich sehr schön fand: YACHTEN tragen den Luxus im Namen und den Punk im Herzen.
[A] Fabian: Zu unserer ersten Split gab es einen ähnlichen Satz: „Das weltweit gültige Symbol für Minderwertigkeitskomplexe auf Wasser – was ein Glück, dass der Krach, den die vier Jungs aus Hamburg verzapfen, bei weitem nicht so klingt.“
Genau das war unsere Absicht. Eine Yacht ist ein blechernes Luxusobjekt – zum einen unerreichbar, aber auch gar nicht anstrebsam. Und Yachten, also ein ganzer Haufen davon, sind einfach nur lächerlich. Aber gleichzeitig geht von Yachten eine diffuse Faszination aus und von dem Wort eine gewisse Klangästhetik. Die Widersprüchlichkeit war also durchaus beabsichtigt.
[F] Hat Euer Albumtitel „Zweite Luft“ auch mehrere Bedeutungen?
[A] Magnus: Erzählen wir das? Na gut. Wer schon mal im Studio war, der weiß, dass die Arbeit meistens auch ein gewisser Nervenkrieg ist. Wir haben uns in der Vorbereitung viel Zeit genommen, aber die Aufnahme war für viele von uns doch hart an der Schmerzgrenze. Der Begriff „Zweite Luft“ stammt eigentlich aus dem Sport, und beschreibt den Moment, wenn man trotz völliger Erschöpfung plötzlich noch mal letzte Reserven mobilisiert. Auf YACHTEN bezogen betrifft das nicht nur die Studioarbeit, sondern auch die Entstehung des Albums. Und das Kämpferische hört man unserer Musik ja durchaus an.
Fabian: Der Titel „Zweite Luft“ umschreibt aber nicht nur unsere persönliche Wahrnehmung der letzten zwei Jahre, sondern er passt auch gut zu unseren Texten, in denen es ja auch um Abbruch, Weitermachen und neue Perspektiven geht.
[F] Es geht in Euren Texten zwar um Beklemmung und Verlust, aber zugleich klingen sie in meinen Augen auch optimistisch.
Fabian: Die Texte stammen zwar zu 90% von mir, aber in der Vorbereitung für das Album haben Magnus und ich sie noch mal zusammen überarbeitet und uns ausgetauscht. So steckt größtenteils mein Tagebuch aus den letzten zwei Jahren in den Texten, was mir emotional auch wichtig ist. Ausgangspunkt sind zwar oftmals negative Erlebnisse, weil es für mich keinen Anreiz hat, tolle Ereignisse niederzuschreiben. Aber ich mag auch nicht ausschließlich rumjammern. So wird es zum Ende meist positiv, aber es handelt sich trotzdem nicht um abgeschlossene Songs. Ausschnitte aus dem Leben mag ich als Stilmittel sehr gerne benutzen.
[F] Sind die Texte eher unkonkret, weil Du dem Hörer Interpretationsraum lassen möchtest oder weil weil Du die Gedanken aus Deinen Tagebuch nicht komplett offenbaren möchtest?
[A] Fabian: Es handelt sich nicht um ein Tagebuch im klassischen Sinne, das ich hier vertone. Man kann meine Aufzeichnungen und die Gedankengänge zu einem bestimmten Ereignis zwar so lesen und rekapitulieren, aber die Offenheit ist mir sehr wichtig. Wenn Leute sich damit beschäftigen und etwas ganz anderes in den Texten lesen, finde ich das schön. Es gefällt mir auch, wenn man mich nach dem Inhalt fragt, wobei es sich nicht um Manifeste handelt. Die Texte sind auch nicht politisch sondern persönlich.
[F] Aber unpolitisch seid Ihr trotzdem nicht.
[A] Fabian: Ich habe die Texte bewusst unpolitisch geschrieben, weil ich das Gefühl habe, dass schon genug Aussage drin steckt. Natürlich gibt es viele Missstände, die mich beschäftigen, aber ich denke, dass mir die Kompetenz dazu fehlt, einen Text über die Scheiß-Europa-Politik zu schreiben. Meinetwegen darf man uns auch als Emo abstempeln, das ist völlig okay.
[F] Um noch mal kurz auf die Studioarbeit zurückzukommen. Ihr sagtet ja schon, dass es anstrengend war. Würdet Ihr sagen, dass Hauke Albrecht als Produzent Einfluss auf Eure Platte genommen hat?
[A] Magnus: Es war im Studio ein Kampf, ja, fast ein soziales Drama. Wir haben uns an der einen oder anderen Stelle auch eine Ohrfeige von Hauke eingefangen, weil wir nicht so gut vorbereitet waren, wie wir dachten und mussten mitten im Aufnahmeprozess noch mal zurück ins Songwriting gehen. Aber der Lernprozess im Studio war gewaltig. Wir sind als andere Musiker aus dem Studio herausgekommen als wir hineingegangen sind. Bereits am ersten Tag wurden uns die Augen geöffnet, wo wir eigentlich stehen, was wir können und was nicht. Und gleichzeitig haben wir versucht, das Maximum herauszuholen. Ich bin wirklich zufrieden mit dem, was wir geschaffen haben. Jetzt wissen wir auch, wo wir uns noch verbessern können.
Fabian: Hauke hat auch als Ruhepol viel Einfluss auf uns genommen.
Magnus: …und beim Sound unseren Nerv getroffen.
Fabian: Er war genau die richtige Wahl.
[F] Denkt Ihr, dass seine Zusammenarbeit als Live-Mischer für TURBOSTAAT und Produzent für u.a. CAPTAIN PLANET sich dabei widergespiegelt hat?
[A] Magnus: Ich glaube schon. Hauke weiß, was die Musik auf jeden Fall haben muss und wie sie authentisch bleibt. Und er weiß, wie man das einfängt und worauf man bei uns achten muss.
Fabian: Aber wir haben nie das Gefühl gehabt, wie ein CAPTAIN PLANET-Klon produziert zu werden. Eher im Gegenteil. Wenn wir sagten: „Das soll wie ESCAPADO klingen“, antwortete er: „Nee, Jungs, so ist der Song aber nicht geschrieben.“
[F] Fabian, als wir uns direkt nach Eurem Studioaufenthalt trafen, sagtest Du, dass Hauke nie wieder mit Euch zusammenarbeiten würde. Ich habe ihn darauf angesprochen, aber er meinte: „Jederzeit wieder!“ Könntet Ihr Euch vorstellen, ein zweites Mal bei ihm aufzunehmen?
[A] Magnus: Ich würde immer wieder zu ihm gehen. Der Typ ist so ne Granate. Auch menschlich. Er hat mich unter anderem bei meinem Gitarrenverstärker-Kauf beraten. Und er macht das, worauf er Bock hat.
Fabian: Ich fände es auch spannend, mal mit jemand anders zu arbeiten, um neue Erfahrungen zu sammeln, weil dies ja meine erste Studioarbeit war. Aber wenn wir wirklich noch mal eine zweite Platte aufnehmen, würden wir wahrscheinlich wieder bei ihm landen. Und das wäre auch gut so.
Magnus: Schön wieder ins Rekorder Studio gehen und hoffen, dass wir nicht von dieser Starkstromleitung gegrillt werden.
[F] Starkstromleitung?
[A] Magnus: Vor dem Studio war eine Baustelle, wo ein Hund an einer Pfütze geleckt hat, die unter Starkstrom stand. Der ist sofort umgekippt. Ganz tragische Geschichte. Stand auch in der Mopo. Und wir sind eine Woche vorher noch um diese Starkstromleitung herumgeturnt.
[F] Oha. Apropos Starkstrom: wenn man schaut, wie schnell Ihr Euer Debüt veröffentlicht habt, könnte man im nächsten Jahr schon mit einer zweiten Platte rechnen. Oder?
[A] Magnus: Im Moment sind wir alle beschäftigt, nehmen uns aber auch ein bisschen Zeit für Urlaub usw. Wir stellen uns nicht jede Woche zweimal in den Proberaum, um neue Songs zu schreiben. Aber wir haben noch einen ganz guten Drive. Da geht auch noch was in diesem Jahr. Ich glaube, es wird gut. Vielleicht geht es in eine etwas andere Richtung, weil jeder seinen eigenen Geschmack mit einbringt. Es wird auf jeden Fall spannend.
Fabian: Im Moment definieren wir uns im Songwriting ein bisschen um. Magnus bringt zur Zeit viele Riffs auf seiner Gitarre mit, an denen wir weiterarbeiten.
Magnus: Eine schnelle Punknummer, die im Grunde schon nach einer halben Stunde steht.
[F] Und wann geht Ihr auf Tour?
[A] Fabian: Im Oktober, zusammen mit EDGAR R. Zehn Tage durch Deutschland und Österreich. Es stehen zwar noch nicht alle Gigs, aber die Liste der bestätigten Konzerte füllt sich so langsam.