Es ist leicht, als deutsche Punkband ein Antifa- oder „Kein Bock auf Nazis“-Logo ins Album-Artwork einzubauen und sich somit nach außen hin gegen Rechts zu positionieren. Deutlich schwieriger ist es hingegen, mit den dazugehörigen Texten dem propagierten antifaschistischem Anspruch auch tatsächlich gerecht zu werden – und das auf einem Niveau, das über die üblichen Demo-Parolen hinausgeht und sich stattdessen mit dem gebotenen inhaltlichem Tiefgang mit den Themen Faschismus, Rechtsradikalismus und Antisemitismus auseinandersetzt. Eben diese Herausforderung meistern TISCHLEREI LISCHITZKI auf „wir Ahnen böses“ mit Bravour. Die vermeintlich falsche Groß-/Kleinscheibung im Albumtitel ist dabei keinesfalls ein Versehen, sondern vielmehr ein Indiz dafür, dass die Lüneburger Punk-Band in ihren Texten mitunter auch mit Metaebenen arbeitet. Dies wird vor allem in den beklemmenden Stücken „Feldpost“ (aus dem auch das Albumtitel-Zitat stammt) und „Familiengeschichte“ deutlich. Hier wird sich mit der eigenen Familien-Historie während der NS-Zeit auseinandergesetzt: Ein Augenmerk auf ein Familienmitglied, das auf Seiten der Wehrmacht in den Krieg gezogen ist, sowie eine Aufarbeitung der Schicksale von Vorfahren, die von den Nazis zur Zwangsarbeit gezwungen und schließlich ermordet wurden. Der Song „Kein Vergeben, kein Vergessen“ richtet sich hingegen an diejenigen, die als Mitläufer*innen, Mitwisser*innen oder Profiteur*innen diese Zeit miterlebt haben, sich ihrer Verantwortung jedoch nicht stellen wollen und stattdessen das Vergangene auf sich beruhen lassen wollen. Ein Thema, das gerade jetzt, wo mit mehr als 70 Jahren Verspätung doch noch ein paar mutmaßliche Täter*innen zur Rechenschaft gezogen werden, brandaktuell ist. Ebenfalls aktuell sind (leider) auch die Themen auf der anderen Seite der Platte: Die Grauzonen-Thematik innerhalb der Punk-Szene, das zunehmende Abdriften der Gesellschaft nach Rechts, die Abschottung der „Festung Europa“ – das sind zugegebenermaßen keine neuen Themen, aber selten wurden sie so eindringlich artikuliert wie von TISCHLEREI LISCHITZKI. Untermalt werden die Texte von dem bandtypischen, etwas sperrigen Punk-Sound, der mich an Formationen wie RAZZIA oder ES WAR MORD erinnert. Das Hauptaugenmerk sollte jedoch wie erwähnt auf die Lyrics gerichtet werden, denn ich möchte an dieser Stelle ziemlich weit aus dem Fenster lehnen und behaupten, dass wir es hier in puncto politischer Aussagekraft mit der wichtigsten deutschen Punk-Platte seit der ersten …BUT ALIVE-LP zu tun haben.