Im November 1977 erschien mit „Never mind the bollocks“ das erste und einzige Studioalbum der SEX PISTOLS. Ein epochales Werk, das heutzutage nicht nur als Urknall der europäischen Punk-Bewegung gilt, sondern vor allem auch für viele Menschen die Initialzündung war, sich dieser Bewegung anzuschließen. Auch ich zähle mich zu diesen Personen, obwohl ich erst Ende der 1980er Jahre mit den SEX PISTOLS in Berührung kam und die Band zu diesem Zeitpunkt bereits seit über zehn Jahren Geschichte war. Damals hat mein Cousin mir die besagte LP auf Kassette überspielt, und es war für mich, abgesehen von der zu dem Zeitpunkt omnipräsenten „Nach uns die Sintflut“-Platte der ÄRZTE, das erste Mal, dass ich mit Punk-Musik in Berührung kam. Und es hat mich von der ersten Sekunde an umgeblasen, obwohl ich als zwölfjähriger Steppke keinen blassen Schimmer hatte, was es überhaupt mit diesem seltsamen Punk-Ding auf sich hat. Noch immer läuft mir ein kleiner Schauer über den Rücken, sobald ich das Anfangs-Riff von „No feelings“ höre, und „Holidays in the sun“ zählt bis heute zu den ganz wenigen englischsprachigen Songs, die ich als bekennender Fremdsprachen-Muffel fehlerfrei mitsingen kann.
Im Mai 2022 erschien nun mit „The original recordings“ eine Compilation, auf der nahezu alle relevanten Studio-Aufnahmen der SEX PISTOLS enthalten sind. Es ist beileibe nicht die erste Zusammenstellung dieser Art, und die Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser Veröffentlichung sollte daher zumindest gestellt werden dürfen. Doch wo ich mir jetzt noch einmal die Lieder von vorne bis hinten durchhöre, wird mir wieder einmal klar, wie wichtig es ist, das Schaffen dieser Band auch zukünftigen Generationen zugänglich zu machen. Gerade in Zeiten, in denen viele Menschen Musik nur noch per Streamingdienst konsumieren, ist es wichtig, das Werk einer historisch so wichtigen Band in einen umfangreichen Kontext abzubilden. Diesen Anspruch wird „The original recordings“ zweifelsfrei gerecht, denn neben den meisten Stücken der oben erwähnten „Never mind the bollocks“-LP finden sich hier auch Songs des „The great Rock’n’Roll swindle“-Soundtracks wie „Silly thing“, „Lonely boy“ oder „(I’m not your) stepping stone“ sowie die Single B-Seiten „I wanna be me“, „Did you no wrong“, „Satellite“ und „No fun“. Essentieller Punkrock-Stoff, der bis heute nichts an seiner Relevanz verloren hat. Und der vermutlich immer noch das Potential hat, zwölfjährige Steppkes für Punk zu begeistern.