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SCHTIMM – Das Konzept geht auf

Im Juli erschien das vierte Album der norwegischen SCHTIMM, das so gar nicht zur Jahreszeit passen mochte. Denn irgendwie ist ihr LoFi-Pop eher dunkel als bunt und beinhaltet neben vielen zarten Klängen auch so manch ungewöhnliche Einflüsse wie die Dreigroschenoper von Kurt Weill. Das macht es dem Hörer auf den ersten Blick zwar nicht ganz leicht, sorgt aber vor allem auf lange Zeit gesehen für umso mehr Genuss. Denn Melodien kommen hier ganz sicher nicht zu knapp und musikalisch und gesanglich spielen die Norweger in den obersten Ligen mit. Man braucht nur eben etwas mehr Zeit, um die Schönheit im Inneren zu entdecken.
Vor der Veröffentlichung von „Time, space and other stories“ gingen SCHTIMM zu zweit auf Akustik-Tour, um bereits einen kleinen Einblick in das neue Material zu geben. Und zur Freude aller Fans auch noch für lau! Im September folgt die offizielle Tour, aber zuvor noch ein paar Fragen an Bjørg (Gesang und diverse Instrumente) und Erling (Gesang, Gitarre).

[F] Wie war’s gestern in Köln?
[A] Bjørg: Gut, es waren nicht allzu viele, aber es war absolut OK. Das Blue Shell ist ein schöner Club! Heute ist das Wetter ja auch gut, hoffentlich kommen welche!

[F] Habt ihr euch die WM-Spiele angesehen?
[A] Bjørg: Ja, herzlichen Glückwunsch übrigens zur Bronze-Medaille! Eure Mannschaft hat echt gut gespielt!

[F] Ihr spielt zurzeit in minimaler Besetzung ein paar Pre-Album-Shows. Findet ihr daran Gefallen, oder doch lieber mit der kompletten Band?
[A] Bjørg: Wir spielen zwar lieber mit der kompletten Band und vermissen den Rest auch schon ein wenig, aber zu zweit macht es auch Spaß. Übrigens zum ersten Mal!
Erling: Es ist mal eine andere Version unserer Songs. Und wir geben auch so 100 Prozent.
Bjørg: 120%!

[F] War die instrumentelle Minimierung der Songs schwierig?
[A] Bjørg: Nein, das hat sich von selbst ergeben. Wir klingen nun zwar anders, aber versuchen auch nicht, den Band-Sound zu kopieren.

[F] Wo seht Ihr Euch musikalisch selbst? Eher im poppigen oder eher im dunklen Bereich?
[A] Erling: Eine gute Frage! Es ist schwierig, aus der eigenen Perspektive herauszutreten und objektiv einzuschätzen, was man da macht.
Bjørg: Zumal wir in den Interviews sehr verschiedene Feedbacks zu unserer Musik bekommen.

[F] Wenn man „White holes“, den Opener des neuen Albums, hört, könnte man meinen, dass ihr aus Island kommt…
[A] Bjørg: Oh, interessant! Und wie würdest Du den Rest einschätzen?

[F] „Same old circle“ klingt schon fast nach den DRESDEN DOLLS.
[A] Bjørg: Aha, ist das eine Band?
Erling: Den Namen kenne ich, aber ich habe noch nichts von ihnen gehört. Sind sie gut?

[F] Vor allem live sehr interessant! Aber kommen wir noch mal auf eure Musik zurück. Ungewöhnlich ist auch, dass die meisten skandinavischen Bands mit heimischen Bands verglichen werden, ihr allerdings eher mit Sachen wie PJ HARVEY, BETH GIBBONS bzw. PORTISHEAD, WALKABOUTS und FEIST. Wie erklärt ihr euch das selbst?
[A] Bjørg: Keine Ahnung. Frag da mal besser Musikjournalisten! (lacht) Ich finde es allerdings schwierig, „skandinavisch“ als musikalische Umschreibung zu benutzen. Wir haben Momente aus Pop, Electronica und im gewissen Sinne auch Punkrock. Aber natürlich kommen wir aus Skandinavien. Falsch wäre es also nicht.

[F] Wie kamt ihr auf die Idee mit den Kopfhörer-Konzerten, wo jeder Zuschauer eure Musik für sich selbst hörte?
[A] Erling: Wie du schon sagtest: es war nur eine Idee. Wir haben uns zusammengesetzt und überlegt, was etwas Besonderes wäre. Wir hatten ja bereits ein Konzert gespielt, wo wir in der Mitte standen und das Publikum um uns herum. Als die Idee mit den Kopfhörern kam, mussten wir zunächst alle lachen, fanden sie dann aber doch ziemlich gut. Vor der ersten Show hatten wir keine Ahnung, ob das überhaupt funktionieren würde, auch technisch. Das hatten wohl noch nicht viele Bands ausprobiert. Aber zum Glück klappte es!

[F] Liege ich richtig mit der Annahme, dass ihr niemals ein Album aufnehmen würdet, dass auch nur ansatzweise so klingt wie der Vorgänger?
[A] Bjørg: Richtig, das ist unser Ziel! Wir wollen uns stets weiterentwickeln und versuchen, die Songs so klingen zu lassen, wie wir uns fühlen. Ich denke, es wäre eine schlechte Idee, wenn wir etwas wiederholen würden, nur weil uns etwas gefällt. Und langweilig wär’s auch!
Erling: Wir würden uns wie in einer Zwangsjacke fühlen, und das Ergebnis wäre nicht sehr gut. Stattdessen gibt es einen großen Kreis, in dem wir uns bewegen.

[F] Was bedeutet der Titel „Time, space and other stories“?
[A] Erling: Zeit und Raum sind große, abstrakte Dimensionen und man kann darüber sein ganzes Leben lang nachdenken. Wir versuchen nicht, über die Geheimnisse des Universums zu philosophieren. Aber jeder Song hat seine eigene Bedeutung, und als Ganzes erscheint es uns wie ein schlüssiges Konzept. Hoffentlich den anderen auch.

[F] Allerdings scheint mir das Konzept diesmal nicht so offensichtlich wie bei den vorigen Alben.
[A] Bjørg: Wir wollen zwar keine Interpretationen oder Erklärungen vorgeben, aber vielleicht kann man mit den Lyrics ein wenig erahnen, worum es geht. Allerdings freue ich mich auch viel mehr darüber, wenn sich jeder seine eigenen Gedanken macht. Es hat auch nicht jeder Song eine abgeschlossene Story.

[F] Ich finde auch, dass die Songs musikalisch ihre eigene Geschichte erzählen.
[A] Bjørg: Cool. Allerdings ist das nicht geplant. Jeder Song hat zwar schon vor der Aufnahme seine eigenen Akkorde und seine eigene Struktur, aber wir überlegen erst danach, wie wir dies festhalten. Dabei überdenken wir aber kein musikalisches Gesamtkonzept für ein Album, auch wenn es am Ende einen gewissen Zusammenhang gibt.
Erling: Wir packen auch nicht die ersten besten Songs auf unser Album, sondern schauen am Ende nach, welche zusammenpassen.

[F] Hattet ihr schon mal über ein größeres Label wie Arts & Crafts nachgedacht?
[A] Erling: Nö, wir sind mit Jörg und seiner Arbeit sehr zufrieden. Dass er nebenbei auch eine Promo-Agentur (Starkult, Anm. d. Verf.) betreibt, macht die Sache natürlich noch besser. Bei einem Major-Label muss man auch das Spiel der Majors mitspielen. Ich weiß nicht, ob wir dazu bereit wären.
Bjørg: Bei Make My Day genießen wir alle Freiheiten, die wir uns erwünschen.

[F] Ihr klingt nach einer Menge Einflüssen. Seid ihr auch noch in anderen Projekten oder Bands aktiv?
[A] Erling: Ja, wir spielen noch mit einem norwegischen Singer/Songwriter zusammen. Das ist ziemlich anders als das, was wir mit SCHTIMM machen. Und zuvor haben wir auch in verschiedenen Bands gespielt, ich z. B. in einer Hardrock-Band.
Bjørg: In einer sehr guten!

Die Namen der einzelnen Bands habe ich leider nicht verstanden…
[F] Aber Punkrock-Wurzeln findet man bei Euch nicht?
[A] Bjørg: Na ja, wir haben auf Geburtstags-Partys hin und wieder ein paar Punk-Songs gecovered, aber nichts Ernsthaftes.
Erling: Wir hören aber Punkrock und Hardcore wie DEAD KENNEDYS und die PISTOLS. Und in Norwegen gibt es derzeit auch einige coole Punkcore-Bands wie z.B. JIMBO JONES (http://www.jimbo-jones.com). Die sind wirklich gut!
Bjørg: Haben kürzlich auch in Deutschland gespielt. Ja, wir hören nicht nur eine Richtung.
Erling: Als nächstes machen SCHTIMM ein Punkrock-Album. (beide lachen)

Am Ende wurde noch ein wenig über die Läden gesprochen, in denen SCHTIMM in Hamburg zuvor gespielt hatten. Allerdings sind die Schilleroper und Weltbühne leider beide schon Geschichte. Als ich von dem Weltbühne-Nachfolger, dem Übel & Gefährlich, sprach, lachte Bjørg los. Man verstand also ganz gut Deutsch. Das „Sch“ im Bandnamen wurde übrigens auch unserer Sprache entliehen, und der Name ist mehr eine Lautmalerei als mit tieferer Bedeutung versehen. Das nächste Interview machen wir dann aber auf Deutsch!

http://www.schtimm.com
http://www.makemydayrecords.de