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DELBO – Herantasten an den Kern

Eines der besten deutsprachigen Alben seit ewig langer Zeit ist Havarien der drei Berliner von DELBO geworden. Ein Album, das es einem nicht immer leicht macht und das eine Menge Fragen aufwirft. Einige davon bekam ich vom Sänger Daniel Spindler hier beantwortet:

[F]Zunächst gratuliere ich zu eurem großartigen Album. Seid ihr überrascht von den überschwänglichen Reaktionen darauf, oder war euch schon beim Machen klar, dass es etwas Besonderes wird?
[A]Danke. Wir waren uns schon klar darüber, dass wir etwas von sehr hoher Qualität erarbeitet haben, unabhängig davon, ob es einem gefällt oder nicht.
Allerdings konnten wir uns nicht vorstellen, wie die Musik aufgenommen werden würde. Die ersten Reaktionen in unserem engsten Freundeskreis waren zunächst sehr unterschiedlich, so dass wir uns auf alles gefasst gemacht haben. Dass das Album nun so gute Kritiken erhält, ist natürlich eine schöne Bauchpinselung.

[F]Neulich las ich, was das Visions über „Havarien“ schrieb und wunderte mich darüber, wie sehr sie darauf herum geritten sind, wie „traurig“ eure Musik sei. Würdet ihr eure Musik als traurig beschreiben? Davon abgesehen seid ihr nicht besonders gut weggekommen im Visions. Ärgert Euch sowas?
[A]Naja, es ist schon etwas ärgerlich, wenn etwas, dass mit so viel Herz verbunden ist, so nebenbei als irgendwie belanglos bezeichnet wird. Aber wie gesagt, auf diese Reaktion waren wir ja eigentlich gefasst. Was daran das eigentlich Ärgerliche ist, ist die Tatsache, dass unser „Kontaktredakteur“ bei der Visions das Album sehr gut fand und die Rezension letztendlich von jemandem geschrieben wurde, bei dem das nicht der Fall war.
Ansonsten finde ich die neuen Lieder schon traurig, wenn auch nicht von herzzereißender Traurigkeit. Eher so die Traurigkeit nach dem Heulen. Die mit dem Fundament.

[F]Wie seid ihr angefangen? Ich kenne zwar mittlerweile „Innen/außen“,leider aber euer Debüt-Album nicht, aber mich würde interessieren, an welchem Punkt, musikalisch gesehen, die Reise begann.
[A]Das erste Album „Holt Boerge!“ ist im großen und ganzen poppiger und klarer, aber auch ziemlich unentschlossen. Aus heutiger Sicht. Wir waren da noch mehr auf der Suche danach, wie diese Band sich eigentlich anhören soll.

[F]Was bedeutet DELBO?
[A]Der Bandname hat keine weitere Bedeutung.

[F]Welche Musik hat euch als Band beeinflusst ?
[A]Als Einfluss würde ich mal THE CURE, FUGAZI, ältere BLUMFELD, NOTWIST, BLONDE REDHEAD, KARATE und so nennen.

[F]Ich las schon mehrfach, dass ihr alle große CURE-Fans seid. Kann man aus eurer Sicht den Einfluss von THE CURE auf „Havarien“ oder den Vorgängern hören, und wenn, woran würdet ihr das festmachen? (Ich übrigens kann das nicht.)
[A]Ich glaube, das ist so eine Frage der Stimmung und der Herangehensweise an die Stücke. THE CURE schaffen es ja ganz oft, aus einem kleinen, kurzen Stück Musik durch Wiederholung und leichte Veränderung beeindruckende Stücke von großer Dichte und Tiefe zu erzeugen. Da ist so ein bestimmter Fluss, oder eine Farbe, die so über den Rhythmus getragen wird. Oder so. Ich möchte mir nicht anmaßen, das auch für uns zu behaupten. Aber ich habe beim Spielen manchmal den Gedanken, dass das bei uns manchmal auf diesem Wege funktioniert. Das ist so das vorsichtige Herantasten an den Kern.

[F]Wie entstehen eure Songs? Gibt es bei DELBO einen Chefdenker, oder entsteht alles in gemeinsamer Arbeit? Und wieviel bei DELBO ist Kopf-, wieviel Bauchsache?
[A]Die Musik entsteht immer ungeplant. Wir sitzen zusammen und spielen los. Was uns gefällt, wird dann weitergeführt. Wir haben das ein paar mal auch auf anderem Wege probiert, also dass jemand sich etwas fertig ausdenkt, aber festgestellt, dass das nicht fetzt. An diesem Punkt ist das auch eher Bauchsache. Der Kopf kommt danach, wenn wir uns wegen der Feinheiten fetzen und das meiste wieder verwerfen.

[F]Wie bewusst war die Entscheidung, die Noise-Gitarren dieses Mal ruhen zu lassen (zumindest in den meisten Songs)? Welche Entwicklung steht dahinter? Ist es wie in euren Texten, ein Spiel mit Andeutungen?
[A]Obwohl wir nach „Innen/außen“ schon vorhatten, mal ein paar ruhigere Sachen auszuprobieren, ist uns eigentlich erst während der Aufnahmen zu „Havarien“ aufgefallen, dass der Gitarrenverzerrer nur in zwei Liedern kurz angeht. Das war auch nicht vorher so entworfen. Die Intensität entsteht für uns jetzt eher über die Harmonien oder Andeutungen und das Weglassen. Das hat eigentlich keiner von uns vermisst, bzw. denke ich schon, dass die Musik sehr kräftig und direkt ist, nur eben nicht aufgrund der Lautstärke.

[F]Ja, das meinte ich, die Energie passiert auf einem anderen, sehr viel subtileren Weg, ohne, dass man alles „sagen“ muss. Man könnte sagen, eure Musik wird erst im Kopf des Hörers komplett, quasi wie ein weiteres Bandmitglied. Könnt ihr damit etwas anfangen?
[A]Das ist ein schönes Kompliment für die Musik. So würde es natürlich am meisten fetzen. Leider haben wir da wenig Rücklauf. Aber vielleicht meldet sich ja diesbezüglich mal jemand mit ein paar Details.

[F]Die Texte auf „Havarien“ sind sehr bildhaft, selten wird eine wirklich konkrete Aussage getroffen. Geschieht dies, um sich nicht zu sehr in die Karten schauen zu lassen, eine gewisse Distanz zu wahren, auch wenn man über sehr persönliche Dinge schreibt, sozusagen als Schutz?
[A]Seltsamerweise dachte ich, dass die Texte diesmal im Vergleich zu früher relativ direkt und unverschwurbelt wären. Bisher haben das aber nicht viele bestätigt. Ich hab mir beim Schreiben eigentlich ein bisschen auf die Finger gehauen und nicht so viele Umwege genommen. Insofern wundert es mich ein bisschen, wenn sie als so verschlüsselt empfunden werden. Ansonsten waren die Texte ja noch nie bekannt für in Stein zu meißelnde Schlagzeilen. Das kann ich nicht. Und will ich auch nicht.

[F]Inwieweit ist „Havarien“ als Konzept-Album zu sehen? Manchmal hatte ich den Eindruck, dass ein Lied das vorangegengene fortsetzt, auch textlich glaube ich herausgehört zu haben, dass gewisse Bilder wiederkehren, dass sich die Lieder z.T. aufeinander beziehen.
[A]Das ist uns auch irgendwann aufgefallen. Die Stücke sind alle in einem für unsere Verhältnisse kurzen Zeitraum entstanden. Die Texte ebenso. Ich glaube, da haben wir etwas abgearbeitet oder so.

[F]Also, ich muss gestehen, mir fällt es sehr schwer, unverschlüsselte Dinge herauszuhören, oftmals in kleinen Einheiten von etwa drei oder vier Zeilen gelingt es, der Gesamtkontext bleibt mir aber oft verborgen. Ganz nebenbei hat das den Effekt, dass man nicht unbedingt auf die Texte achten muss, auch wenn es sich zweifellos lohnt. Dass einem auch der reine Klang der Worte manchmal schon genügt, sich die Texte also nicht so sehr aufdrängen. Ich möchte aber doch einmal fragen: Was ist es, das da abgearbeitet werden musste? Und zu welchem Lied, wenn überhaupt, ist „Reprise“ die Reprise?
[A]Tja, das ist ja eine Frage, die ganz schön auf die 100 geht. Im Großen und Ganzen geht es um Brüche und Verlust und den Umgang damit. Viel mehr würde ich da jetzt gar nicht zu sagen. Ich denke auch, dass die Texte phrasenhaft funktionieren, also aus dem ganzen Text taucht eine Zeile auf, die dann Sinn hat oder einen beschäftigt. Das muss nicht mal im Zusammenhang mit dem gesamten Text stehen. Das ist einfach eine offene Angelegenheit. „Reprise“ ist keine Reprise im eigentlichen Sinn. Inhaltlich vielleicht, das aber auch zu keinem bestimmten Lied. Eher zur Gesamtheit.

[F]Ich danke vielmals.

http://www.delbomat.de