So ein wenig komisch war es schon, heute ein Interview mit SCHROTTGRENZE zu führen. Nicht, weil die Jungs irgendwie unsympathisch geworden wären oder so was, sondern einfach nur, weil das neue Album doch nicht ganz meinen Geschmack getroffen hatte. Aber irgendwie kam es gar nicht so recht dazu, dieses Thema tiefgehend zu erörtern, da Herr Pohn zeitlich ein wenig eingeengt war und zudem ein Herr Engler von einer Band namens HERRENMAGAZIN wie ein kleiner Welpe ständig durch die Gegend kugelte und teils Unverständliches von sich gab.
[A]Engler:Nach so langer Zeit mussten wir uns einfach einmal neu erfinden!
Pohn: Was? Ja genau, hast ja irgendwie recht.
[F]Ist das dein persönlicher Assistent, der jetzt alle Fragen für dich beantwortet? Ich kann auch gerne ihn fragen, wenn du wieder zum Soundcheck möchtest…
[A]Pohn: Nee, lass mal, das ist nur der Rasmus, der hat wieder getrunken.
Engler: Also ich hab 1997 SCHROTTGRENZE gegründet, weil mir einfach so langweilig war.
Pohn: Hast du?
Engler: Naja, immerhin hab ich ein Info für euch und über euch geschrieben, das ist doch auch schon mal viel wert, oder?
Pohn: Auch wahr, aber jetzt mal zu dir…
[F]Sehr gerne, worauf freust du dich mehr, den kleinen Rasmus los zu sein, das letzte Konzert der Tour oder dein Bett?
[A]Pohn: Och, meinetwegen könnte es jetzt erst richtig losgehen, ich bin noch gar nicht erschöpft von der Tour. Und mein Bett steht ja auch leider nicht hier in Hamburg… Aber egal. Konzert heute wird super und es könnten noch mehr folgen.
[F]Trotz der bisher doch relativ langen Tour?
[A]Pohn: Ja, war für uns zwar wirklich lang, aber wir hatten dieses Mal einen externen Tourmanager dabei, Krusty der Clown, und daher war für uns alles super entspannt.
[F]Wie ist das neue Album live angekommen? Es ist ja doch nicht das, was man sonst bisher auch gerade live von euch kannte.
[A]Pohn: Viele haben das im Vorfeld gesagt, dass sie gespannt sind, wie das wohl wird. Aber das beste Feedback war gestern, als die Leute zu „Alaska“ Stagediving gemacht haben.
[F]An „Alaska“ erinnere ich mich noch von eurer letzten Tour im Herbst, da klang das noch vollkommen anders, als es jetzt auf der Platte ist.
[A]Pohn: Naja, das war damals, nur ein Mal auf der Tour, hier im Molo. Das war so ein Versuch. Das war noch der absolute Anfang des Stücks, es hat sich noch arg gewandelt.
[F]Früher wart ihr eine reine Gitarrenband, auf „Chateau Schrottgrenze“ stehen die Gitarren eher im Hintergrund. Wie ist es gerade auch für dich, das live umzusetzen?
[A]Pohn: Für mich ist das spitze, weil ich jetzt endlich mal was am Bass machen kann. Das war ja vorher eigentlich nur Grundtongeschrammel. Da haben wir doch etwas getan. Wir sind immer noch eine gitarrenlastige Band, aber wir haben die Prioritäten verändert. Wir haben nicht mehr so den Rock, den wir noch hatten als Müller noch da war, diese Soundwurst. Es hat sich alles geändert, auch durch Alex’ intro- und extrovertiertes Gitarrenspiel, was du nachher ja noch sehen wirst.
[F]Wie ist es denn so, wenn ihr plötzlich einen Frontmann habt und nicht mehr einen singenden Schlagzeuger, der im Hintergrund sitzt?
[A]Pohn: Also, er schlägt uns ab und an mal nieder mit Gitarrenhälsen, drischt uns das Mikrophon ins Gesicht. Für Timo und mich ist es gut, dass da einer ist, auf den die Leute doch etwas mehr gucken, da müssen wir weniger Action machen.
[F]Nicht nur auf der Bühne hat sich der Fokus geändert. Es schreiben nicht mehr nur Blueprint und das Ox über SCHROTTGRENZE, sondern auch Spiegel Online und die Feuilletons der großen Zeitungen. Wie ist das so, in der Welt der großen Kritiker?
[A]Pohn: Schwierige Frage. Also, im Prinzip hat sich da gar nicht so viel geändert für uns. Ich merke, dass jetzt ein paar mehr Leute zu den Konzerten kommen. Vielleicht auch durch diese Rezensionen. Mit den Magazinen bin ich da bisher noch nie so ins Detail gegangen, dass ich da wirklich einen Unterschied erkennen würde.
Engler: Und dass, obwohl wir uns völlig neu erfunden haben.
Pohn: Und zu diesem Zweck mit der Band HERRENMAGAZIN eine Split-EP aufgenommen haben, die im Jahr 2016 erscheinen wird.
[F]Weil die Jungs so wenig proben…
[A]Engler: Der war gemein…
Pohn: Wo waren wir gerade? Ach ja, die Kritiker. Dass man so in großen Zeitungen besprochen wird, ist schon irgendwie komisch, aber es war auch der nächste Schritt für uns. Es ist halt passiert und schon schön. Gerade im Spiegel, weil ich schon seit Jahren Spiegel-Leser bin und daher auch einen besonderen Bezug dazu habe.
[F]Wie ist es denn jetzt mit eurem Bandnamen, wo ihr plötzlich nicht mehr die Deutschpunkrocker seid, sondern mit Bands wie DELBO oder BLUMFELD in einer Liga spielt?
[A]Pohn: Es ist eigentlich immer noch das Gleiche wie es schon seit der „Super“ ist: Geld spielt keine Rolle.
[F]Den Namen habt ihr nicht geändert, aber den Sound. Wie hat sich das entwickelt, dass „Chateau Schrottgrenze“ so geworden ist?
[A]Pohn: Also, Alex steht seitdem er klein ist auf THE CURE, Timo hört sehr viele Motown-Sachen, ich höre sehr oft Blues und Caddy ist halt neben seiner Punk-Karriere ein Jazz-Drummer. Und es war einfach so, dass wir uns da quasi neu überdacht haben.
Engler: Ich sage ja, ihr habt euch neu erfunden!
Pohn: Was heißt neu erfunden? Lars war einfach weg, der war nicht mehr da und hat einen offenen Gitarrenpart hinterlassen, und es war uns klar, dass wir die alten Songs nicht mehr so spielen würden, weil Alex einfach keinen Bock auf diese Solo-Geschichten hat. Daher haben wir das alles ein wenig freier gestaltet, und dazu hat der jazzige Sound von Caddy natürlich perfekt gepasst. Jetzt bin ich soweit von der Frage weggekommen, dass ich sie vergessen hab…
[F]Es ging eigentlich in die Richtung, was hat euch inspiriert, so zu klingen?
[A]Pohn: Es war diese Offenheit, die mich gereizt hat. Alex wollte überhaupt erstmal Gitarre spielen, und dann kam der Jazz entscheidend dazu.
[F]Wie groß war der Einfluss eures Produzenten Tobias Levin auf das Album?
[A]Pohn: Auch eine interessante Geschichte, fast so interessant wie Rasmus, der vom Sofa kugelt. Im Ernst, ich glaube, er hat Alex als Songwriter noch mal um 50% nach vorne gebracht, weil er immer in Frage stellt, immer noch mal macht und immer auf eine andere Art. Dann hat sich irgendwann so eine Eigendynamik entwickelt. Das war genau der Katalysator, der die Offenheit des Spielens in eine ordentliche Bahn gebracht hat. Wir hatten einige Takes, viele Ideen und Möglichkeiten, und er hat uns machen lassen, immer wieder. Er hat uns quasi nach Endor geschickt, zu den Ewoks und dann konnten wir neu aus der Asche hervorgehen. [Anmerkung: Ich hab mir das nicht ausgedacht, das hat er wirklich so gesagt!]
[F]Hat sich durch das neue Label irgendwas an eurer Einstellung zum Musikmachen geändert?
[A]Pohn:Eigentlich nicht. Wir proben nach wie vor wenig und nur vor Touren. Wechseln dabei aber auch bevorzugt die Instrumente. Naja gut, wir nehmen so Abschaum wie HERRENMAGZIN mit auf Tour, und diesen Tourmanager, den wir irgendwo aufgelesen haben, was halt letztes Jahr noch gar nicht in Frage gekommen wäre. Aber es macht mehr Spaß. Die teilweise schlechten Shows, gerade im Süden der Republik, sind nicht mehr so da, es kommen mehr Leute, und das Feeling ist einfach besser.
[F]Hat sich euer Publikum auch verändert? Ich erinnere mich da immer an sehr viele junge Mädchen in den ersten Reihen…
[A]Engler: Geil!
Pohn: Die sind auch immer noch da, und denen gefallen auch die neueren Sachen. Und sie sind noch jünger geworden. Dazu kommt natürlich noch so eine Masse an älteren Leuten, die Feuilletons lesen. Die meisten sind uns treu geblieben, außer dass sich bis auf wenige tolerante, die meisten Punks jetzt endgültig abwenden. Aber ich bin immer froh über jede Ausnahme, die mir ins Gesicht sagt, es ist anders, aber gut.