SAFFRONKEIRA – Tourette

Wieder mal ein sehr feines Release aus dem Hause Denovali Records. Dass das nicht der Soundtrack für die nächste Atzenparty ist, dürfte sich von selbst verstehen, denn das 2005 von zwei Freunden in Bochum gegründete Label hat es sich zur Aufgabe gemacht, Klangexperimentalisten aus aller Welt zu fördern. Damit hat sich Denovali innerhalb kürzester Zeit zu einer der wichtigsten Plattenfirmen in den düsteren klanglichen Weiten zwischen Drone, Ambient, Electronica, bis hin zu modernen klassischen Kompositionen oder sogar Jazz entwickelt.
Auch „Tourette“, mittlerweile SAFFRONKEIRAs drittes Album, fügt sich perfekt in das Konzept des Labels ein. Nur ein halbes Jahr nach seinem letzten Release „A new life“ veröffentlicht der aus Sardinien stammende Eugenio Caria nun mit „Tourette“ ein Konzeptalbum über neurologische Erkrankungen. Wer jetzt vermutet, es handele sich bei SAFFRONKEIRA um ein brutales Grindcoreprojekt mit gepitchtem Froschtümpelgesang und ekligen Songtiteln, der irrt sich zum Glück gewaltig. Vielmehr beglückt uns „Tourette“ mit warmem, melancholischem, von fragilen Beats durchsetztem Ambientsound, der niemals langweilig wird und durch einige unerwartete Wendungen in den Arrangements zu überraschen weiß. Eugenio Caria lässt seinen durchweg instrumentalen Songs den Raum, den sie brauchen, um sich ganz zu entfalten – manchmal auch über zwölf Minuten. Dabei scheinen sie gelegentlich regelrecht auseinanderzufallen, zu verblassen, nur um sich Minuten später wiederzufinden, erneut aufzubäumen und schließlich endgültig in Rauch aufzulösen. Die Intrumentierung aus soundlich gut durchdachten Synthesizerflächen, Klavier, (Geräusch-)Samples, Streichern und Beats bleibt im Mix stets luftig und wird niemals undurchsichtig. Jedes Instrument, jede Komponente eines Mikrobeats hat ihren eigenen Frequenzbereich, in dem sie sich ausbreiten und klingen kann. Dazu eröffnet die ausgeklügelte Verteilung der Sounds im Stereopanorama dem Hörer Räume, die ihn wie ein unwiderstehlicher Malstrom in die Tiefen von „Tourette“ ziehen und erst am Ende der Platte aus dunklen Abgründen blinzelnd wieder in die reale Welt entlassen.
Das Ablegen von SAFFRONKEIRAs Musik in irgendwelche Schubladen schließt sich von selbst aus. Am ehesten ist das Ganze mit anderen Ambient-orientierten Bands aus dem DENOVALI-Umfeld zu vergleichen. Auch Namen wie FENNESZ, MURCOF, MAX RICHTER, AUTECHRE, ISIS oder THE NOTWIST (vor allem der Soundtrack zu Lichter) blitzen beim Hören des Albums kurz auf. Am Ende bleibt „Tourette“ jedoch eine kaum greifbare wie auch einzigartige Erfahrung für sich, auf die es sich einzulassen gilt, und die auch nach mehrmaligem Hören noch einiges an Überraschungen bereithält. Die Vinylversion kommt als verschiedenfarbige 180g Pressung mit dem für DENOVALI typischen sehr hochwertigen und schönen Artwork. Danke für diese wunderbare Platte.