Dann ist es wieder soweit. Das blueprint-fanzine braucht wieder einmal eine Einleitung für die k&s. Und irgendwie toben ja in mir immer wieder Ideen, die man zu einer solchen machen könnte. Bei näherem Hinsehen ist es dann doch wieder nur ein kleiner Schwank aus dem Leben eines Lehrers. Aber nun ja, es ist mittlerweile auch ein liebgewonnenes Ritual geworden. Und denke ich gerade an Rituale, dann denke ich natürlich auch an die Praktika meiner Klasse, denn da gibt es immer wieder das Ritual der allmorgendlichen „du musst noch einen Platz finden!“-Gespräche. Kann ganz gut nerven. Kann aber auch mal sehr schön sein. Denn tatsächlich kam neulich eine meiner Schülerinnen auf mich zu und sagte: „Ich möchte gerne mein Praktikum in einem Plattenladen machen!“ … und das an unserer Schule, wo 95% der Schüler:innen nicht einmal wissen, dass es so etwas überhaupt gibt. Aber wofür Tiktok dann doch alles gut ist. Jedenfalls war ich froh, dass ich ihr durch meine Beziehungen, die sich natürlich wieder über Umwege auf das blueprint-fanzine zurückführen lassen, bei der Suche helfen konnte und sie nun einen Platz gefunden hat. Warum ich das erzähle? Nun ja, vor allem, weil ich daraus die Hoffnung schöpfe, dass noch nicht alles verloren ist mit dieser heranwachsenden Generation und ich glücklicherweise einige sehr positive Beispiele kennenlernen durfte und noch kenne, teilweise sogar über den Ozean hinweg Kontakt mit ihnen pflegen darf. Nicht alles verloren ist sicherlich auch bei unseren jetzigen k&s, auch wenn es hier deutliche Höhen und Tiefen gibt. Ist halt wie das Leben und nicht jede:r möchte in einem Plattenladen ein Praktikum machen. Viel Spaß!
AYU – Synchronicity (Label: Eigenregie, VÖ: 30.09.2022)
(so) Da ist nun also die nächste EP von AYU. Da ist sie nun also wieder, in all ihrer Zartheit, all ihrer Direktheit und all ihrer Macht. „Synchronicity“ ist wieder ein nächster Schritt, hin zum perfekten Pop, den zu erschaffen sich AYU augenscheinlich vorgenommen hat. Hierfür erinnert sie mal an KATE BUSH, dann wieder an P!NK in ihren besten Momenten und lässt dazu die Musik um sich herum flirren und tanzen, dass es eine Ohrenweide ist. Wie gut soll das denn dann noch auf Albumlänge werden? AYU ist der Beweis, dass Pop definitiv nicht langweilig, eintönig oder glattgebügelt sein muss. Vielmehr sprühen diese vier Tracks vor Einfallsreichtum und Begeisterung, dass man auf ein Neues mitgerissen wird.
https://www.facebook.com/thisisayumusic/
BEN WOOD INFERNO – Psychomania (Label: Sumorex, VÖ: 07.10.2022)
(jg) Ihr Single „Unreal“ ordnete ich im groben zwischen der JON SPENCER BLUES EXPLOSION und THE DIRTBOMBS ein. Auf ihrem neuen (mittlerweile sechsten) Album klingen BEN WOOD INFERNO weniger rockig, dafür wird hier der Boogie-Rock von A bis Z zelebriert. Keine Innovation, dafür aber bereits beim ersten Hören mitschunkelbar. Wer auch Bands wie AC/DC oder STATUS QUO mag, sollte sich mit „Psychomania“ mal auseinandersetzen. Irgendwo dazwischen sind die Wiener wohl einzusortieren, im abschließenden Song „A call to turn off!!“ wurde sogar der Drumcomputer angeschmissen. Schräg!
http://www.benwoodinferno.com/
CHARLIE RISSO – The light (Label: Eigenregie, VÖ: 04.11.2022)
(jg) Das Coverartwork symbolisiert schon ganz gut, wie CHARLIE RISSO von ihrer Fanschaft gerne wahrgenommen werden möchte: sanft und anmutig, vielleicht auch ein wenig geheimnisvoll. Ähnlich zart gestaltet sich auch die Musik auf ihrer neuen EP, die sich irgendwo zwischen Indietronic und Dreampop bewegt. Doch hinter der hübschen Oberfläche ist der Tiefgang nicht wirklich vorhanden. Was zunächst noch einen leicht entrückten Eindruck vermittelt, wirkt bei näherer Betrachtung doch ein wenig seicht und öde. Etwas mehr Experimentierfreude anstatt der üblichen Pop-Strukturen täten dem Ganzen sicherlich gut. So ist man gar nicht allzu traurig, als „The light“ nach vier Stücken bereits vorbei ist.
https://www.charlierisso.com/
CLAUS FISCHER – Downland (Label: Leopard, VÖ: 25.11.2022)
(jg) CLAUS FISCHER war vor allem als Bassist der Stefan-Raab-Band THE HEAVYTONES bekannt, spielte aber auch in der ELECTRIC LADYBAND (Anke Late Night) und als Livemusiker bei zahlreichen anderen renommierten Künstlern mit. Hier bedient er außer dem Bass noch Keyboard, Gitarre, Schlagzeug und Percussions. Ich glaube, in meiner Band beherrscht niemand sein Instrument auch nur im Ansatz so gut wie CLAUS FISCHER alle oben genannten. Musikalisch ist sein erstes Soloalbum in der auftragsschwachen Coronazeit entstanden und bewegt sich im Gegensatz zu seinen Fernsehbands, doch eher in der Sparte „Muckermusik“ irgendwo zwischen Jazz, Fusion und Americana.
https://www.clausfischer.rocks/
DAILY THOMPSON – Live at Freak Valley 2022 (Label: Noisolution, VÖ: 02.12.2022)
(jg) Ergibt ein Live-Album einer kleinen Band aus Dortmund wirklich Sinn? Nun gut, DAILY THOMPSON haben insgesamt schon fünf Alben veröffentlicht und sich stilistisch immer weiter entwickelt. Los ging es im Stoner Rock, es folgten Ausflüge in die Stile Space- und Indierock, und tatsächlich machen die drei Jungs/Mädels live eine ziemlich gute Figur wie man hier (und an den Reaktionen im Publikum) hört. Sonst hätte der WDR Rockpalast auch wahrscheinlich nicht ihren Auftritt beim Crossroads-Festival in Bonn ausgestrahlt. Vielleicht sind DAILY THOMPSON ja auch gar nicht mehrganz so klein, wie ich dachte. So sei ihnen der Release einer Liveplatte zum zehnjährigen Bandjubiläum also absolut gegönnt.
https://dailythompsonband.bandcamp.com/
ES WAR MORD – Die Utopie der Kosmonauten (Label: Sounds Of Subterrania, VÖ: 25.11.2022)
(bc) ES WAR MORD haben sich in den letzten Jahren zu einer festen Größe im Bereich des deutschsprachigen Punkrocks entwickelt. Mit „Die Utopie der Kosmonauten“ liefern sie erneut ein eindrucksvolles Werk ab, das an RAZZIA zu ihren besten Zeiten erinnert: 14 düster-melancholische Punk-Songs mit roher Energie und aussagekräftigen Texten. Kann es kaum erwarten, die Berliner mal wieder live zu sehen.
https://de-de.facebook.com/eswarmord.official/
GET THE SHOT – Merciless destruction (Label: Useless Pride Records, VÖ: 07.10.2022)
(jg) Dass breitbeiniger Hardcore mit fetten Breakdowns nahezu alle musikalischen Weiterentwicklungen konsequent ignoriert hat und trotzdem selbst in der Gegenwart noch seine Anhänger findet, ist schon beachtlich. Hier wird noch ordentlich gegrowlt, gedoublebasst und geflageolet. Bei GET THE SHOT ergibt ein Metronom so gar keinen Sinn, weil zwischendurch auch immer mal wieder zum Kopfnicken die Geschwindigkeit gedrosselt wird. Yo, motherfucker! EYEHATEGOD haben sich 1988 gegründet, MACHINE HEAD 1991 – und beide Bands gibt es immer noch (bzw. wieder). Da wirken GET THE SHOT, die 2009 in Québec zusammengefunden haben, ja beinahe noch wie Neulinge. Musikalisch wird aber nahezu dasselbe Feld beackert, mit ein wenig Einfluss aus dem Death Metal, die Texte recht finster und dystopisch.
https://gettheshothc.com/
HANS ARNOLD – Interim (Label: Teleskop, VÖ: 28.10.2022)
(jg) HANS ARNOLD ist hauptberuflich Klavierbauer und nebenbei in diversen Bands aktiv – siehe die nachfolgende Kurzreview von H. C. BEHRENDTSEN. Hier nun aber sein Soloalbum, das sich recht experimentell und atmosphärisch mit den Instrumenten Wurlitzer, Bass Drum, Percussions und Electronics auseinandersetzt. Klingt für den Hörer, als ob er sich zwischen Drumsticks-Geklacker, Field Recordings und zarten Lullaby-Sounds bewegt. Könnte ich mir auch gut auf einer Reise durch Lappland zu den Polarlichtern vorstellen.
https://hansarnold.bandcamp.com/
H. C. BEHRENDTSEN – s/t (Label: Schatulle Bömm, VÖ: 11.11.2022)
(jg) Und hier besagter HANS ARNOLD mit einer seiner Bands. Zwischen Avantgarde, Washington D.C., Jazz, FARAQUET und VAN PELT. Vertrackter Post-Rock bis Postcore, mal ruhig und einnehmend, dann wieder sperrig und verkopft, aber nie langweilig. Das hätte sich früher gut auf Sinnbus (TORCHOUS und Co.) und natürlich auch auf Dischord gemacht – beides Labels, von denen ich seit Jahrzehnten ein großer Fan bin. Aber leider gibt es neben vielen geilen mitreißenden Ideen auch einige Nervparts. Wenn ich hier Lektor wäre, hätte dies sicher ein persönliches Lieblingsalbum werden können.
https://www.hcbehrendtsen.de/
JASPER VAN’T HOF & PAUL HELLER GROUP – Conversations (Label: Jazzline, VÖ: 14.10.2022)
(jg) Kürzlich offenbarte mir ein guter Freund: „Wenn Du eine Band schon vorab als jazzig umschreibst, wird es meistens anstrengend.“ Dabei dachte ich, dass ich schon einigermaßen gezielt vorselektiere, was ich jemandem zumuten kann. Aber beim Jazz scheiden sich offenbar die Geister ähnlich stark wie beim Thema Rosinen. Nichtsdestotrotz würde ich behaupten, dass dem Pianisten JASPER VAN’T HOF und der PAUL HELLER GROUP für Jazzverhältnisse tatsächlich ein recht zugängliches Album gelungen ist, bei dem der Albumtitel „Conversations“ sehr gut passt, wenn er sich auf den Austausch der verschiedenen Instrumente miteinander bezieht. Gut möglich, dass dies auch damit zusammenhängt, dass die beteiligten Musikern in den verschiedensten Projekten mitgewirkt haben, der Saxofonist PAUL HELLER beispielsweise aktuell ein Teil der WDR BIG BAND KÖLN ist.
https://www.jaspervanthof.com/
JOHANNES MOTSCHMANN – Aion 2 (Label: Springstoff, VÖ: 25.11.2022)
(jg) Wollt Ihr wissen, wie es klingt, wenn Künstliche Intelligenz Musik komponiert? Dann setzt Euch mit „Aion 2“ auseinander, dem neuen Album von JOHANNES MOTSCHMANN. Kürzlich fand ja unter anderem in der Elbphilharmonie bereits die Uraufführung der mit Hilfe von KI vollendeten 10. Sinfonie Ludwig van Beethovens statt, und so wagt sich auch Johannes Motschmann daran, mittels selbst geschriebener Software von KI eine Symphonie komponieren zu lassen. Eingespielt wurde das Resultat vom ENSEMBLE MODERN und dem JOHANNES MOTSCHMANN TRIO. Mensch trifft auf Maschine. Verglichen mit Beethoven bewegt sich dieses Werk aber vielmehr zwischen Ambient, Electronica und sphärischen Sounds. Stellenweise ähnelt das Ganze eher Field Recordings, an anderen Stellen könnte es auch als Clubmusik oder musikalische Untermalung von Weltraumaufnahmen fungieren. Motschmanns Experiment, mittels KI nicht nur zusammenhängende Stücke, sondern auch Emotionen zu erzeugen, ist ihm mit „Aion 2“ eindrucksvoll gelungen.
https://www.johannes-motschmann.de/
JOHN PATRICK THOMAS – How it goes on (Label: Emrick Music, VÖ: 14.10.2022)
(jg) Normalerweise beschäftigen wir uns bei Blueprint ja ausschließlich mit Unterhaltungs-Musik und nicht mit ernster Musik. Diese recht willkürliche Klassifikation gibt es tatsächlich, und sie dient nicht nur der Schubladisierung, sondern macht für die Künstler auch Unterschiede in der Vergütung. Hier nun aber ein ziemliches abstraktes Album der E-Musik mit atmosphärischen Orgelklängen in der ersten Albumhälfte, ergänzt um klassischem Gesang ab der zweiten Hälfte. Anlässe zu denen ich dieses Album auflegen würde: a) wenn ich meine CD mit den Walgesängen nicht wiederfinde, b) wenn mir im Cocktail heimlich LSD verabreicht wurde, c) falls ich als zweites Standbein eine ganzheitliche Naturmedizinpraxis mit Musiktherapie aufmachen möchte.
https://www.johnpatrickthomas-composer.com/
JUNIUS MEYVANT – Guru (Label: Record Records, VÖ: 28.10.2022)
(so) Ja, „Guru“ ist schon der richtige Titel dieses Albums. JUNIUS MEYVANT wirkt ziemlich stark beeinflusst von der hippiesken Musik, alleine schon die im Hintergrund häufig erklingende Orgel lässt darauf schließen. So ein bisschen ein Sixties/Seventies-Feeling, so wie damals, als man auf dem Flokati liegend die Platten von Mama und Papa anhörte. Ein bisschen wie zu Hause und ein bisschen fremd. Psychedelisch verstrahlt ist es teilweise auch, was auf „Guru“ so erklingt. Mal meint man, dem Soundtrack eines Tarantino-Films, dann wieder einer verschollenen DAVID BOWIE-Platte zu lauschen. Irgendwie gut und irgendwie auch nicht. Weiß nicht.
https://www.facebook.com/juniusmeyvantmusic/
MICHAEL BRECKER BAND & RANDY BRECKER BAND – Live at Fabrik Hamburg 1987 (Label: Jazzline, VÖ: 07.10.2022)
(jg) Letztens bekam ich einen Streit zwischen Tauben und Elstern mit. Ein ganz schön wildes Gekreische. Ich weiß nicht genau, warum mich dieses Live-Album von 1987 daran erinnert, aber wenn sich die Geschwester Brecker an Trompete und Saxophon duellieren, geht es auch ziemlich wild und unkonventionell zu. Natürlich hat sich der Jazz in den letzten zwanzig Jahren ziemlich geändert, so dass auch Jazzlaien leichter einen Zugang dazu finden konnten. Bei dieser Doppel-CD handelt es sich aber um klassischen Jazz der alten Schule. Mal virtuos, nicht selten anstrengend, für Liebhaber aber sicherlich ein wahres Fundstück, schließlich durfte Randy schon mit solch namhaften Künstlern wie STEVIE WONDER und JANIS JOPLIN zusammenarbeiten, sein Bruder Michael u.a. mit FRANK ZAPPA, BRUCE SPRINGSTEEN und DAVE BRUBECK. Kurz zusammengefasst: Nischenmusik.
https://www.ndr.de/kultur/musik/jazz/Michael-Brecker-Band-Randy-Brecker-Band-Live-At-Fabrik,michaelbreckerfabrik100.html
NADINE KHOURI – Another life (Label: Talitres, VÖ: 18.11.2022)
(so) Es tut mir ja immer ein bisschen leid, wenn ich „08/15-Musik“ schreiben muss oder möchte… aber manchmal geht es kaum anders. Zwar ist NADINE KHOURI wirklich sehr bemüht, sich im Spektrum der Singer/Songwriter-Musik auszutoben, aber viel mehr als ein Konglomerat aus den Siebzigern, Soul und heute ist da nicht bei herumgekommen. Die Stimme, die ab und an wirklich zu überzeugen weiß, ist teilweise dann wieder so dünn und brüchig, dass es fast schon traurig ist (gefällt sicherlich auch vielen Leuten, da man es auch durchaus zart nennen könnte, für mich ist es leider ein Stimmchen). „Another life“ wird meine Wände jedenfalls nicht bewegen. Nun ja.
https://nadinekhouri.bandcamp.com
NA FEIN – Pesto, Nudeln & Wein (Label: Langstrumpf Records, VÖ: 13.01.2023)
(bc) Deutschsprachiger Pop-Punk hat viele Gesichter. Im Fall von NA FEIN sind die Vorbilder jedoch ziemlich eindeutig in Amerika zu suchen, denn vom Songwriting und den Gute-Laune-Chören her schimmert hier der Einfluss von Bands wie BLINK-182 oder ALL TIME LOW durch. In Sachen Professionalität ist man jedoch noch meilenweit von diesen entfernt, denn irgendwie versprüht „Pesto, Nudeln & Wein“ eher Jugendzentrum- als Warped Tour-Gefühl. In der Akustikballade „Ein Stück Trauer“ fühle ich mich plötzlich an REVOLVERHELD erinnert, spätestens hier ist dann klar, dass das zwischen NA FEIN und mir keine innige Freundschaft wird.
https://www.instagram.com/nafeinmusik/
ORANGO – Mohican (Label: Stickman Records, VÖ: 07.10.2022)
(jg) ORANGO kommen aus Norwegen und machen eine Mischung aus Classic Rock, Seventies Rock und Stoner Rock. Sehr melodisch, aber natürlich auch unglaublich altbacken. Erinnert mich ein wenig an DEEP PURPLE, STEPPENWOLF und ältere MOTORPSYCHO. Dies vielleicht auch die Querverbindung zu Stickman Records. Das hätte ganz sicher auch meinem Vater gut gefallen. Übrigens hätte ich ORANGO musikalisch vielmehr im sonnigen Kalifornien als im kühlen Norwegen verortet. Insofern passt es vielleicht ganz gut, wenn ich ihr Album „Mohican“ schon mal für die geplante Canyon-Tour im Herbst 2023 an der Westküste der USA beiseite lege. Fenster auf und laut aufdrehen!
https://orango.bandcamp.com/album/mohican
ORBEL – Lue hezea (Label: Medication Time Records, VÖ: 04.11.2022)
(bc) Gibt es eigentlich schon das Musik-Genre „Dark Psychedelic“? Falls nicht, sollte ich hierauf vielleicht ein Patent anmelden, denn ORBEL würden in diese Kategorie wunderbar reinpassen. Hypnotische, teilweise aber auch verstörende Klänge, angereichert mit pumpenden Elektro-Elementen und einer Frauenstimme, die „Lur hezea“ wie ein 40-minütiges mystisches Ritual erscheinen lässt. Am Besten in einer nebligen Vollmondnacht auf einer Lichtung im Wald hören!
https://de-de.facebook.com/weareorbel/
PUBLIC DISPLAY OF AFFECTION (P.D.O.A.) – I still care (Label: Noisolution, VÖ: 30.09.2022)
(so) Noise. Dieses Wort steht in Großbuchstaben vor meinem inneren Auge geschrieben, wenn ich an PUBLIC DISPLAY OF AFFECTION denke. Zwar hat diese Band, dieses Künstler:innen-Kollektiv, wirklich viele Facetten, aber letzten Endes lässt sie sich doch gut auf Noise zusammendampfen. Den machen sie ganz gut und interessant, haben durchaus auch wavige Momente, in denen sie beispielsweise an ALIEN SEX FIEND erinnern, aber irgendwie ist mir das Gesamtprodukt dann doch zu sehr mit dem Begriff Kunst verbunden, denn diesen scheint „I still care“ geradezu vor sich her zu schreien. PUBLIC DISPLAY OF AFFECTION ist aus meiner Sicht Musik, die gut geeignet ist, Berliner Hipstern ein neues Gesprächsthema zu liefern. Für meinen schlichten Geist ist das zu intellektuell.
https://www.facebook.com/p.d.o.a.live/
STEPHANIE LOTTERMOSER – In-Dependence (Label: Leopard, VÖ: 18.11.2022)
(jg) Gestern unterhielt ich mich mit Freunden aus Zürich, ob sie uns 2023 wieder in Verbindung mit dem Elbjazz besuchen werden. Auch wenn ihre mittlerweile schulpflichtige Tochter an dem Freitag noch zur Primarschule muss, hegen sie ernsthafte Pläne, für einen Kurztrip nach Hamburg per Flugzeug. Auch wenn die Kosten-Nutzen-Bilanz sicherlich dagegen spricht (ganz zu schweigen von der Ökobilanz) kann ich diese Idee durchaus nachvollziehen. Natürlich, weil Hamburg so schön und wir als Freunde so nice sind, vor allem aber auch, weil das Elbjazz mit seiner zugänglichen Jazz-Musik immer wieder eine Reise wert ist. Was hat das nun alles mit STEPHANIE LOTTERMOSER zu tun? Nun, auch die Münchner Saxofonistin und Sängerin macht eine äußerst leichtfüßige Mischung aus Barjazz, Soul und Pop, die einem dem Zugang zu diesen Stilen sehr erleichtert. Eine bezaubernde Stimme obendrein. Wenn es also nix mit dem Elbjazz wird, schenke ich den Schweizern als kleine Entschädigung zumindest diese CD.
https://www.stephanielottermoser.com/
TERESA BERGMAN – 33, Single & broke (Label: Jazzhaus Records, VÖ 21.10.2022)
(jg) Bernd hatte nicht ganz Unrecht, als er mir das neue Album von TERESA BERGMANN mit den Worten „ein jazzig angehauchtes Folkpop-Album“ übergab. Auch der Vergleich mit SOPHIE HUNGER im Bandinfo trifft stellenweise zu, im Opener „Swallow“ wurde ich mitunter sogar an die experimentierfreudigen DRESDEN DOLLS erinnert. In der Summe handelt es sich aber bei TERESA BERMANs drittem Studioalbum um ziemlich glattgebügelten Jazzpop der langweiligen Art. Mit dem Albumtitel wird das Thema des Albums (Dating, Einsamkeit, Hoffnung und Enttäuschung) bereits auf den Punkt gebracht. Aber selbst die zweifelsfrei großartige Stimme von TERESA BERGMAN lässt das Ganze doch eher in Richtung Musical driften, als dass sie mich an die großartige JONI MITCHELL denken lässt, die das Info ebenfalls als Referenz benennt.
http://www.teresabergman.com/
THE PIGHOUNDS – Phat pig phace (Label: Noisolution, VÖ: 18.11.2022)
(so) Nun ja. Ein Duo aus Schlagzeuger und Gitarrist. Natürlich fallen einem da sofort zehn Vergleiche ein, aber THE PIGHOUNDS sind doch etwas dreckiger als diese, etwas garagiger, auch ein bisschen mehr Indie. Und tatsächlich klingen sie nicht unbedingt nach nur zwei Personen, eher nach einer full band-Aufnahme. Das lässt schon aufhorchen, und wer sich für krachende Gitarrenriffs und hartes Schlagzeug begeistern kann, der ist bei den Dortmundern sicherlich richtig gut aufgehoben. Mir ist das Ganze etwas zu althergebracht-rockig und erinnert mich allzu oft leider auch an die Siebziger, mit denen ich ja einfach nichts anfangen kann. Aber das ist nicht die Schuld von THE PIGHOUNDS.
https://www.facebook.com/ThePighounds/
THE SOMNAMBULIST – Some more songs lost in themselves (Label: Slowing Records, VÖ: 02.12.2022)
(jg) Ich verspürte fast ein wenig Vorfreude, als Bernd mir die neue EP des Berliner Trios THE SOMNAMBULANCE in die Hand drückte, schließlich stießt ihr letztes Album bei mir doch auf ziemliche Begeisterung. Doch die musikalischen Unterschiede dazwischen sind gewaltig. Einen Hang zur Eingängigkeit konnte man THE SOMNAMBULIST in der Vergangenheit sicherlich auch nicht vorwerfen, aber mir gefiel die aufgeräumte und entspannte Herangehensweise ans Musizieren doch sehr gut. Darauf hat man anno 2022 allerdings nicht mehr ganz so viel Lust und setzt stattdessen vermehrt auf Sperrigkeit. Die stilistische Veränderung ist durchaus nachvollziehbar, doch die ständigen Brüche und Dissonanzen holen mich diesmal leider nur noch selten ab. Aber aufgegeben habe ich die Bands keineswegs. Vielleicht ist es wie mit einem wagemutigen Koch: es muss einem ja nicht jedes Gericht schmecken, aber man schätzt seine Art des Kochens trotz alledem.
https://www.facebook.com/TheSomnambulistBerlin/
THIERRY MAILLARD – Une larme de pluis (Label: Ilona Records, VÖ: 28.10.2022)
(so) Ich bin ja einfach kein Freund von rein instrumentaler Musik, so gut sie auch gemacht und so künstlerisch wertvoll sie auch sein mag. Und beides trifft auf THIERRY MAILLARDs neues Album sicherlich zu. Der Mann beherrscht sein Instrument, das Klavier, aufs Vortrefflichste und ist auch in der Lage, Stimmungen, Gefühle zu erzeugen und Geschichten zu erzählen, das auch ohne Worte, die Tasten übernehmen hier die Zunge. Und dennoch fehlt mir einfach der Text dazu, das Wort, das dem Ganzen den tiefsten Sinn gibt, zumindest aus meiner Sicht. Aber eine absolut hörenswerte Instrumental-Platte ist „Une larme de pluis“ definitiv.
https://www.facebook.com/officiel.thierrymaillard/
WDR BIG BAND – Birth of a bird (Label: Jazzline, VÖ: 18.11.2022)
(jg) Wo WDR BIG BAND drauf steht, ist auch Big Band drin. Hier wird die 1955 verstorbene Saxophon-Ikone CHARLIE PARKER gehuldigt und neben dem typischen Big Band-Sound mit Klängen aus dem Bebop und Jazz kombiniert. Manchmal verträumt und balladesk, ab und an aber auch einn ganz schönes Bläser-Gebattle – insgesamt aber natürlich wesentlich zugänglicher als beispielsweise das Album von MICHAEL & RANDY BRECKER (siehe oben). Anlässlich seines 100. Geburtstag wurde mit JOHAN HÖRLÉN und LUIGI GRASSO als Gästen in der Kölner Philharmonie dieses Konzert aufgezeichnet, das Parkers Vielseitigkeit eindrucksvoll aufzeigt.
https://www1.wdr.de/orchester-und-chor/bigband/index.html
WHITNEY – Spark (Label: Secretly Canadian, VÖ: 16.09.2022)
(so) Da musste ich wirklich mal kurz checken, ob ich dieses Album zum Besprechen geordert habe. Habe ich nicht, Jens hat es mir wohl einfach mit in die Hand gedrückt. Denn ich hätte alleine beim Namedropping BEE GEES schon dankend abgewunken. Es tut mir sehr leid, aber WHITNEY ist bei mir so dermaßen an den Falschen geraten, dass ich eigentlich kaum noch ein Wort darüber verlieren möchte, denn es gibt bestimmt Menschen, denen dieses seichte Popgedudel richtig gut gefällt – und das darf es ja auch. Aber genauso darf ich es auch gruselig-schrecklich finden – und das tue ich nunmal leider. Falsche Schublade. Das ist Pop, wie er eben nicht sein sollte. Hört mehr AYU!
https://www.facebook.com/whitneychicago