ENNO BUNGER hat einen Sommerhit über schlechtes Wetter geschrieben. Eigentlich kein Wunder, dreht sich sein aktuelles Album "Wir sind vorbei" doch gänzlich um die Trennung von seiner langjährigen Freundin. Kurz vor seinem Konzert im Bonner "Bla" am 02.09.2012 hatte ich die Gelegenheit, dem leidenschaftlichen Teetrinker aus Leer ein paar Fragen zu stellen:
[F] Wie bist du eigentlich ins Bla gekommen, denn musikalisch ist das Bla ja eher in Richtung Punk ausgerichtet?
[A] Wir wurden bei Facebook angeschrieben und haben einfach mal gesagt: Moin, das machen wir! Dann sind wir ja auf einem guten Weg.
[F] Ihr benutzt keine Gitarren. Warum eigentlich nicht?
[A] Um ein bisschen anders zu klingen. Um auch ein Alleinstellungsmerkmal zu haben. Deutschsprachig, keine Gitarre und trotzdem irgendwo Indie und so die Herausforderung annehmen, anders zu rocken. Dadurch kommen dann auch häufig andere Elemente mit hinein, wie etwa das Akkordeon oder auch Streicher, Hackbrett, Fahrradspeichen und so weiter. Das wird live dann teilweise gesamplet. Ein bisschen Provokation steckt natürlich auch dahinter.
[F] Vermisst du manchmal die Zeit als Organist?
[A] Die Zeit ist ja nicht vorbei, weil es immer noch irgendwo mein Brotjob ist. Es hat mich selber sehr geprägt, an diesem Instrument arbeiten zu dürfen, auch wenn ich jetzt nicht so der große Fan davon bin, in der Kirche an irgendwelchen Veranstaltungen mitzuwirken. In dem Moment selbst macht es mir Spaß, aber am liebsten bin ich ganz allein in der Kirche und spiele Orgel für mich und improvisiere. Es ist etwas wirklich Tolles, wenn man dort die Möglichkeit hat, einen riesigen Klangkörper zu erleben und quasi ein Ein-Mann-Orchester zu bedienen.
[F] Wie lernt man denn das Orgelspiel?
[A] Wenn man Klavier spielen kann, kann man auch Orgel spielen, es sind die selben Tasten. Hinzu kommen dann nur noch die Pedale, rechts Gas, links Bremse. Ich habe einen Orgelschein gemacht, mit dem ich dann die Berechtigung erwarb, in einer Kirche zu spielen und damit auch mehr Geld zu verdienen. Die Kirche suchte damals einen Organisten, ich war 14 und das war natürlich ein super Nebenjob.
[F] In dem Zusammenhang: du musstest ja mal "Du hast mich 1000 mal betrogen" spielen…
[A] Ja, auf einer Silberhochzeit als Ausgangsstück.
[F] Was machst du, wenn du das im Radio hörst?
[A] Dann drehe ich´s aus. Man kann sich leider nicht davor verwehren, jeder Mensch hat ja auch andere Menschen in der Familie, die dann leider so etwas gut finden. Man kommt immer mit dieser Art Musik in Berührung und dementsprechend kann ich davor nicht verschließen, ich nehme sie auch auf und denke, ja, gut, die Akkorde kannst du spielen. Ich hab mich natürlich schon gefragt, ob das wirklich in die Kirche passt, aber es ist ja nicht unbedingt mein Problem, wenn die Braut das so hören will. Es ist halt ein Job wie viele andere auch.
[F] Für welche Band hast du am liebsten eröffnet?
[A] Für TRAVIS bei TV Noir, das war schon groß. JAMIE CULLUM ist für mich auch ein riesiges Vorbild, was die Klaviertechnik angeht, auch wenn er ganz andere Musik macht, aber er ist ja trotz seiner Jugend eine lebende Jazz-Legende. Und mit GISBERT ZU KNYPHAUSEN hat es auch Spaß gemacht.
[F] Wer steht noch auf deiner Liste?
[A] Viele. ARCHIVE, BAT FOR LASHES, ARCADE FIRE. Halt alle Lieblingsbands, die man so hat. ELBOW wären auch toll.
[F] "Regen" wurde mittlerweile auf Youtube 150.000mal angesehen. Wie fühlt sich das an?
[A] Das ist einfach schön. Ich finde es toll, dass auch solche Sachen oft angeschaut werden, nicht nur irgendwelche Ausraster.
[F] Hast du mit einem solchen Erfolg gerechnet?
[A] Es war ein bisschen so, dass wir uns überlegt haben, wie wir es für das Format Fernsehen besonders machen können, und da kamen wir auf die Idee, uns zu dritt ans Klavier zu stellen. Früher habe ich auch sechshändig mit meinen Brüdern die 5. von Beethoven gespielt, das war dagegen natürlich Kindergarten.
[F] Von Texter zu Texter: wann fällt es leichter, zu schreiben, in positiven oder negativen Lebenslagen?
[A] In negativen. Eindeutig. Da ist man einfach nachdenklicher. Man stellt sich Fragen, versucht etwas zu begreifen, festzuhalten und zu verarbeiten. Das ist der Weg, den ich gewählt habe. Allerdings schreibe ich gerade ein Auftragsstück, eine Hymne für Ostfriesland. Das muss natürlich positiv werden, da kann ich ja nichts Trauriges schreiben.
[F] Mit "Wir sind vorbei" bist du sehr nah an dir selbst. Ist es schwierig, das auch live rüberzubringen?
[A] Nee. Es hat sich bei mir so ergeben, dass ich die Texte schon 2010 geschrieben habe und mich daher schon damals damit intensiv auseinander gesetzt habe, dadurch habe ich das Thema auch durch. Ich versuche immer, auf der Bühne wieder in diese Stimmung zu kommen, um den Ausdruck zu verstärken. Aber es hat mir sehr geholfen.
[F] Welches Festival würdest du gerne headlinen?
[A] Haldern. Das ist das spannendste Line-up, und es ist noch nicht so groß, dass es dann wieder asig wird, es wird nicht überall hingepinkelt, Dixies umgeworfen und so. Daher mag ich das sehr.
[F] Welchen Tee würdest du als Teekenner einem Nicht-Teekenner empfehlen?
[A] Ganz klassisch: ostfriesische Schwarztee-Mischung.
[F] Abschließend, um aus einem Song zu zitieren: wann hört das auf?
[A] Nun ja, in "Leeres Boot" ging es in dem Moment darum, einen Zustand zu vermissen, der nicht mehr ist. Und diesen Zustand vermisse ich nicht mehr. Insofern ist diese Frage beantwortet. Es hört irgendwann auf. Das ist auch der Vater des Gedankens, die Hoffnung, weshalb man diese Frage überhaupt erst stellt. Wobei Stücke zum Teil erst im Nachhinein entstanden sind, die dann zurückblicken auf ein Gefühl, auf Phasen, die man damals durchlebt hat. Aber es hört irgendwann auf.
[F] Vielen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg!
http://www.facebook.com/ennobunger