Nächste Woche veröffentlicht das EINAR STRAY ORCHESTRA sein drittes Album auf Sinnbus Records. Aber der Weg dahin war nicht ganz einfach. Nach zwei Besetzungswechseln wurde im Norden Norwegens in unmittelbarer Nähe zum Ozean letztendlich doch ein sehr schönes Album mit dem Titel „Dear bigotry“ geschaffen.
Nachdem das erste Interview mit der Band das Zeitliche segnete, indem das Diktiergerät das Band fraß, sollte das zweite Interview per Mail mit Einar Stray nun aber gelingen.
Zuallererst meine Glückwünsche zu eurem neuen Album “Dear bigotry”! Es ist wirklich schön geworden.
Vielen Dank!
2014/2015 haben gleich zwei Personen das EINAR STRAY ORCHESTRA verlassen: eure neue Violinistin Åsa und euer langjähriger Bassist Simen. Wie kam es dazu?
Es erfordert viel Zeit und Hingabe, in einer so fleißigen Band wie bei uns mitzumachen. Åsa wollte sich aber auf ihre eigene Musik konzentrieren, während Simen nach Island ausgewandert ist. Als Bandmitglied ist es natürlich traurig, sie gehen zu lassen, aber als ihre Freunde freuen wir uns für sie.
War es dennoch klar für euch weiterzumachen?
Es gab keinen Unmut in der Band und somit auch keine Überlegungen aufzuhören. Stattdessen hatten wir die Möglichkeit, mit neuen Bandmitgliedern neue Ideen und Energien willkommen zu heißen: Maja Gravermoen Toresen und Steinar Glas. Ihr einmaliger Stil und ihr Talent waren für die Arbeit am neuen Album sogar äußerst fruchtbar.
Ihr habt “Dear bigotry” auf einer kleinen Insel im Nordwesten Norwegens produziert. Wie wichtig war es für Euch, Oslo für die Aufnahmen zu verlassen?
Um sich gemeinsam einzustimmen und um die Ruhe und den Abstand zum Alltag einer Großstadt zu finden, war dieser Schritt wichtig für uns. Dort oben findet man die Zeit, um so kreativ wie möglich zu sein. Im Nachhinein war es sogar die beste Studioerfahrung, die wir je gemacht haben.
Obwohl das Wetter an der Küste ja oft recht rau und ungemütlich ist, findet man auf “Dear bigotry” viele wunderschöne Melodien. Hat die Nähe zur Natur die Platte in irgendeiner Form beeinflusst?
Wir halten normalerweise nicht so viel von dem Klischee, dass die herrliche Natur Norwegens unsere Musik beeinflusst. Es sind eher Menschen, die uns inspirieren. Aber zur Winterzeit auf dieser Insel, mit dem stürmischen Ozean, der im wahrsten Sinne des Wortes direkt hinterm Fenster tobte… da hatte die Natur definitiv mal einen Effekt auf die Stimmung im Studio.
Vielleicht haben wir noch ein bisschen mehr aus uns herausgeholt, um mit dem dramatischen Wetter mitzuhalten.
Wir haben im Gästebuch Nachrichten von ARCADE FIRE gefunden, und das Studio hat erst kürzlich den alten Mischer, der «OK Computer» von RADIOHEAD aufgenommen hat, gegen einen besseren getauscht. Insofern war es für uns offensichtlich ein sehr inspirierender Ort zum Aufnehmen. Ocean Sound Recordings, meine Damen und Herren.
Euer zweites Album heißt “Politricks” und handelt von der Entwicklung eines Individuums zu einem Erwachsenen in unserer heutigen Gesellschaft. Euer neues Album scheint nicht weniger politisch zu sein. Die erste Single „Penny for your thoughts“ (hier geht es zum Video) thematisiert angeborene Privilegien und ungerechtfertigten Luxus.
Vielleicht sind wir ein wenig subtiler geworden – wir haben die politischen Texte sozusagen auf unsere realen Alltagsgeschichten übertragen – aber wir sind tatsächlich noch genauso politisch. Der Albumtitel «Dear bigotry» (“Liebe Engstirnigkeit”, Anm. d. Verf.) bezieht sich auf die aktuelle Entwicklung Norwegens bzw. der Welt, wo Fanatismus anscheinend mehr Anerkennung findet als Fakten und Barmherzigkeit. Es scheint so, als ob Leute davon überzeugt sind, sich die Wahrheit so zurechtlegen zu können, wie sie ihnen gerade am besten passt, und dabei die Augen vor den gesellschaftlichen Problemen zu verschließen. Das Album handelt von Doppelmoral. Unsere Generation möchte dafür gemocht werden, dass sie sich scheinbar für die Probleme der Welt interessiert, ohne aber aktiv etwas dagegen zu unternehmen. Wir kritisieren das zwar als Band, auch wenn wir selbst noch ein Teil davon sind. Bei dem Versuch, Doppelmoral aufzuzeigen, sind wir auch auf uns selbst gestoßen. Darum geht es auf dem Album.
Musikalisch scheint mir “Dear bigotry” noch songorientierter als die vorherigen Alben. Wo seht ihr selbst Unterschiede?
Wir haben eine künstlerische Wiedergeburt durchlebt. Plötzlich hatten wir viel mehr Songs, aus denen wir auswählen konnten, als wir es gewohnt waren. Aus 35 Demos haben wir uns auf elf Songs durchgekämpft, die wir aufgenommen haben. Daraus haben wir die zehn besten ausgewählt. Im Studio haben wir uns darauf konzentriert, was jedem Song am meisten dient. Unserer Meinung nach ist dies unsere beste Arbeit bisher, weil wir einfach so stark an diese zehn Songs glauben – sowohl einzeln, als auch zusammen als Album.
“Politricks“ wurde von Hasse Rosbach (u.a. MODDI und TEAM ME) produziert, nun habt ihr mit Marius direkt den damaligen Kopf von TEAM ME als Produzenten ausgesucht. Ich finde, dass TEAM ME und EINAR STRAY ORCHESTRA gut zusammenpassen. Hat Marius auch am Prozess des Songwriting teilgenommen?
Wir sind Fans von TEAM ME seit der Myspace Ära, und umgekehrt. Marius scheint einer der wenigen grenzenlos kreativen Songwriter zu sein. Er nahm schon recht früh am Songwriting teil, indem er die Demos kommentierte, die wir ihm zuschickten. Er ermutigte uns, mehr Hooklines und mitsingbare Refrains zu schreiben und gleichzeitig noch experimenteller vorzugehen als je zuvor. Als wir letztendlich ins Studio gingen, war es eine “Traum wird wahr”-Erfahrung, Marius dabeizuhaben.
Euer Album erscheint im Februar, die Europa-Tour folgt im April. Was folgt dann?
Vieles! Als erstes werden wir in weiteren Gegenden touren. Außerdem veröffentlichen wir das Album auch in Japan. Desweiteren arbeiten wir schon an neuen Songs, und dann haben wir noch einige Kooperationen auf Lager. Allgemein gesagt haben wir noch einige Pläne im Ärmel versteckt, über die wir aber noch nicht mehr verraten können, haha.