ANNA TERNHEIM gehört längst zu den etablierten Singer/Songwriterinnen. Selbst Ahnungslose sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit durch ihre Beteiligung an Soundtracks zu Mankells Krimis mit ihr in Berührung gekommen. Waren ihre bisherigen Alben bei aller Feinfühligkeit mal größerer, mal kleinerer Instrumentierung und auch größerer oder kleinerer Nähe zum Pop, eher von einer gewissen Kühle geprägt, präsentiert sich die Exil-Schwedin, die seit 2008 in New York residiert, auf ihrem vierten Album „The night visitor“ von ihrer warmherzigen Seite. Die mit dem Gitarristen Matt Sweeney live aufgenommenen Basictracks, nur zwei Akustikgitarren und Gesang, legen sich um einen wie eine mollige Kashmirdecke. Der Tee steht dampfend auf den Tisch, der Kaminofen knistert, Schnee rieselt vorm Fenster vom Himmel, doch die Kälte kann dich nicht erreichen. Solche Aufnahmen bekommt man nicht überall und mit jedem zustande. ANNA TERNHEIM landete unverhofft in Nashville und dank der Verbindungen von Matt zu ansässigen Legenden wie Jack Clement, Kenny Malone, Ronnie McCoury, Tim O´Brien, Peter Townsend, Will Oldham und Dave Fergusson gelang das Kunststück die archaischen Basictracks vorsichtig mit allerlei Instrumenten wie Resonatorgitarre, Violine, Mandoline, Akkordeon, Flöte, Pedal Steel Guitar und natürlich Bass und Drums aufzufüllen, die sich derart sensibel und unaufdringlich, ganz dem Song dienlich, einfügen, dass man fast demütig werden möchte. Das ist ganz großes Musikerkino. Die Songs sind allesamt sehr ruhig und folkig ausgelegt. Von kühler, moderner Ästhetik früherer Aufnahmen findet man keine Spur mehr. Obwohl ANNA TERNHEIM über ihre Musik von Nachtmusik spricht, handelt es sich keinesfalls um dunkle Musik. Ihre Inspirationen fand sie diesmal nicht nur im repetitiven Wüsten-Blues der Band TINARIWEN, in den Improvisationen des Saxophonisten David S. Ware, dem federleichten Spiel eines Bert Jansch, sondern vor allem ihrer neuen Liebe, einer Gibson aus den 30er Jahren. Das Resultat ruht derartig tief in sich selbst wie man es selten zu hören bekommt. Ruhige, warme, positive Entspannungsmusik für weltentrückte Stunden: ANNA TERNHEIM hat sich spätestens mit „The night visitor“ ihren Thron im Folk-Olymp gleich neben SUZANNE VEGA erspielt.