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Bud Spencer – Ein Haudegen zieht Bilanz

Carlo Pedersoli, ein Name der den meisten unbekannt ist, aber den eigentlich dennoch jeder kennt. Bud Spencer. Mit "Mord ist mein Geschäft, Liebling" hat er im letzten Jahr wieder einen neuen Film gemacht, mittlerweile sind es über 100 Produktionen, auf die er im Interview zurückblicken kann.

[F]Sie sind mittlerweile 79. Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
[A]Alles gut soweit. Ich fühle mich ein bisschen alt, aber ich habe keine Beschwerden. Im Kopf bin ich 28, nur mein Körper ist fast 80. Körper und Geist kämpfen ständig miteinander. Jedes mal, wenn ich etwas Ungewöhnliches machen will sagt der andere: "Bist du verrückt geworden?"

[F]Fühlen Sie sich manchmal ein bisschen verrückt?
[A]Nein. Ich darf nur nicht vergessen, dass ich auch nicht Dinge tue, die mir mein Arzt verbietet.

[F]Etwa?
[A]Ballett tanzen, Formel-1-Rennen fahren, Fallschirmspringen. Das Übliche.

[F]Sie sind in Neapel geboren. Wie sind Sie aufgewachsen?
[A]1929 war eine wunderbare Zeit um in Neapel zu leben. Wir hatten ein deutsches Kindermädchen und tagsüber ging ich schwimmen oder spielte Rugby. Stellen Sie sich vor, bis zu meinem 8. Lebensjahr konnte ich sogar fließend Deutsch. Doch dann kam der Zweite Weltkrieg, zerstörte die ganze Stadt und wir mussten fliehen.

[F]Kämpfte Ihr Vater im Krieg?
[A]Natürlich. So gut wie jeder Mann wurde in den Kampf geschickt, weil wir dreimal bombardiert wurden. Zum Glück waren meine Eltern so schlau mit mir nach Rom zu kommen, wo es etwas ruhiger war und wir die Möglichkeit hatten zu überleben. Der Krieg ging vorbei und wir blieben bis zu meinem 17. Lebensjahr in Rom, danach zogen wir nach Brasilien. Nach drei Jahren ging ich nach Buenos Aires, langweilte mich fürchterlich und kehrte schließlich nach Rom zurück. Mir wurde bewusst, dass ich sehr gut schwimmen kann und begann eine Profikarriere, die mich zweimal zu Olympischen Spielen gebracht hat.

[F]Sie haben Ihre erfolgreiche Karriere als Schwimmer mit 27 Jahren beendet, um in Südamerika zu sich selbst zu finden. Wie ist Ihnen das gelungen?
[A]Ich guckte mich im Spiegel an und fragte mich: Wer bist du wirklich? Ich wollte irgendwohin, wo nichts so sein sollte wie in Rom: keine schönen Frauen, keine Partys, kein Ruhm. Du kannst nicht zu dir selbst finden, wenn du an einem Ort bist, wo alles perfekt ist. Brasilien kannte ich schon, also ging ich nach Venezuela, wo ich niemanden kannte. Ein Straßenbauer vermittelte mir einen Job im Amazonasgebiet und so half ich dann beim Bau der "Panamericana", der Autobahn, die durch ganz Südamerika führt. Nach einem Jahr kehrte ich geerdet und als anderer Mensch nach Italien zurück.

[F]Als junger Mann hatten Sie erstaunliche Ähnlichkeit mit Che Guevara zu seiner Studentenzeit …
[A]Finden Sie? Das höre ich öfter. Es gibt mittlerweile Bud-Spencer-T-Shirts auf denen man mich darstellt wie auf dem weltberühmten Foto von Che.

[F]Wie sind Sie zum Film gekommen?
[A]Gute Frage. Ich hatte niemals vor Schauspieler zu werden, und auch heute sage ich immer noch, dass ich kein Schauspieler bin. Ich bin ein Typ, der nur sich selbst darstellt. Anfangs heuerte ich als Komparse an, um mein Jura-Studium zu finanzieren. Mein späterer Schwiegervater war damals der größte Filmproduzent Italiens, aber selbst er kam nicht im Traum auf die Idee, dass ich Talent hätte. Stellen Sie sich vor, er ist 1964 gestorben und erst drei Jahre später wollte ich mich als Schauspieler ausprobieren!

[F]Ihr erster richtiger Film war ein Italo-Western: "Gott vergibt, wir beide nie" …
[A]Meine Frau kannte den Produzenten, der mich anrief und mir drei Fragen stellte: Kannst du Englisch? Kannst du reiten? Würdest du dir einen Vollbart wachsen lassen? Ich konnte weder Englisch noch konnte ich reiten, trotzdem bekam ich den Job und er gab mir eine Million Lire dafür.

[F]Warum haben Sie einen Künstlernamen angenommen?
[A]Mit Carlo Pedersoli verbanden die Leute den Sportler und Olympiateilnehmer, deshalb wollte ich das nicht durcheinander bringen. Ich habe zu der Zeit gerne Budweiser getrunken und Spencer Tracy war mein Lieblingsschauspieler, also nannte ich mich Bud Spencer. Aber es gab keinen Masterplan, ich wollte nur diesen einen Film machen.

[F]Mittlerweile sind 104 daraus geworden. Können Sie sich noch an alle erinnern?
[A]Natürlich. Schauen Sie mal hier. (Kramt aus seiner Schublade ein Poster) Hier sind alle drauf.

[F]Sie mussten sich immer prügeln in Ihren Filmen. Wie viel Spaß hat Ihnen das gemacht?
[A]Wir haben uns die ganze Zeit nur kaputt gelacht, weil wir wieder kleine Jungs sein durften. Ich war superkräftig und konnte immer schön austeilen, außerdem haben wir ein eigenes Filmgenre erfunden, den "Comic Western". Den Spaghetti-Western kannte die ganze Welt, also machten wir was Neues. Die Amerikaner haben uns später kopiert, Mel Brooks zum Beispiel.

[F]Waren Sie nicht völlig schlapp nach einem Drehtag?
[A]Kein bisschen, ich war immer noch fit und gut durchtrainiert. Bin ich übrigens immer noch.

[F]Aber Sie prügeln sich heute nicht mehr …
[A]Ich schlage nur noch meine Frau! (lacht) Schreiben Sie das, die Leser finden das bestimmt lustig!

[F]Sie haben sich nie verletzt? In der Saloon-Prügelszene von "Vier Fäuste für ein Halleluja" wirbelt es vor Tischen und Stühlen in der Luft …
[A]Ich habe nie etwas abbekommen, nur Terrence Hill wurde einmal leicht verletzt, als er einen Tisch auf die Stirn abbekommen hat. War aber nur ein bisschen Blut.

[F]Welcher Schlag ist eigentlich am effektivsten?
[A]"La Bomba", den habe ich erfunden. Dabei haut man mit seiner Faust dem Gegner auf den Kopf wie mit einem Hammer. Es gab auch andere Sachen, die wir uns ausgedacht haben: Fünf Typen liegen auf mir und dann bamm, haue ich alle im hohen Bogen weg!

[F]Was ist wichtig für eine gute Schlägerei?
[A]Im echten Leben? Da darfst du keine Angst haben. Und wenn du sie hast, dann darfst du sie zumindest nicht zeigen. Aber was weiß ich schon. Die Male, die ich mich in meinem Leben ernsthaft geprügelt habe kann ich an einer Hand abzählen. Und da habe ich mir vorher schon ein paar Finger abgeschnitten.

[F]Und für eine gute Schlägerei im Film?
[A]Das Wichtigste sind die Hausaufgaben: Für eine Minute Prügelei im Film brauchst du eine Woche Vorbereitungszeit. Alles muss unglaublich präzise sein.

[F]Hat es Sie eigentlich insgeheim geärgert, dass Terence Hill im Film immer die Frauen abbekam?
[A]Terence Hill hat am Set nie was mit einer Frau gehabt.

[F]Nicht in der Wirklichkeit, im Film. In "Vier Fäuste gegen Rio" lässt er sich doch sogar von einer blonden Frau zu Sex im Park verführen.
[A]Ach, da sieht man doch gar nichts! In Ihrem Kopf hatten die vielleicht Sex, aber eigentlich knutschen die doch nur ein bisschen hinter einem Gebüsch.

[F]Kein Funken Neid?
[A]Nein, warum denn? Ich habe in meiner Karriere mit wirklich tollen amerikanischen Schauspielern zusammengearbeitet: Jack Palance, Rock Hudson, Vittorio De Sica. Ich war noch nie neidisch in meinem Leben.

[F]Wann und wo haben Sie Terence Hill kennengelernt?
[A]1968 bei den Dreharbeiten zu "Gott vergibt, wir beide nie". Er war sehr viel jünger als ich und hatte von Anfang an großen Respekt vor mir, da er mich noch als Sportler kannte. Es hat drei bis vier Filme gedauert, aber dann wurden wir richtige Freunde, was wir heute noch sind. Wir besuchen uns regelmäßig.

[F]Wie war Ihr erster Eindruck von ihm?
[A]Weiß ich nicht mehr. Ich dachte nur an das Geld, das ich für den Film bekommen würde. Aber wir verstanden uns auf Anhieb.

[F]Stimmt es, dass Sie beide noch einmal einen Film machen wollen?
[A]Ja, es gibt sogar zwei ganz konkrete Ideen. Die eine ist "Don Quijote und Sancho Pansa" und die andere "Dr. Jekyll & Mr. Hyde". Aber wir müssen dabei eine Sache akzeptieren: Wir sind nicht mehr in der Lage das zu tun, was wir früher in unseren Filmen gemacht haben. Terence ist außerdem ziemlich beschäftigt, er hat gerade einen Western und eine Neuauflage von "Don Matteo" gedreht.

[F]Sie sagten mal, dass Bud Spencer nichts mit der Privatperson Carlo Pedersoli zu tun gehabt hätte …
[A]Das fing schon mit den Klamotten an, die wir im Film tragen mussten. Die hätte ich privat niemals angezogen, so peinlich waren die. Heute kann ich darüber ganz gut lachen.

[F]Ein Zitat von Ihnen: "Sogar ein Schimpanse kann Schauspieler werden. Jede Einstellung wird 25 Mal wiederholt." Hat Sie die Schauspielerei so unterfordert?
[A]Wo haben Sie denn den Quatsch gelesen? Mit mir gab es immer nur 2 bis 3 Takes und dann war die Szene im Kasten. In meiner ganzen Karriere.

[F]Was denken Sie heute, wenn Sie durchs Fernsehprogramm zappen und sich selbst in "Zwei Himmelhunde auf dem Weg zur Hölle" sehen?
[A]Ich freue mich, dass ich bei so lustigen Sachen mitgemacht habe. Ehrlich. Wegen des Geldes habe ich nur meinen ersten Film gemacht.

[F]In Sport und Film wurden Sie zum Helden. Fühlen Sie sich wie ein Held?
[A]Ich bin einfach ein normaler Typ. Es gibt keine Helden. Jeder Mensch lebt das Leben, welches ihm das Schicksal in die DNA gelegt hat.

[F]Hatten Sie als junger Mann keine Helden?
Zu der Zeit war ich mein eigener Held. Ich war ja auch die Nummer eins. Aber ich habe dann irgendwann begriffen, dass man Tag für Tag aufs Neue lebt und nicht zum Helden geboren wird. Oder haben Sie kürzlich jemanden mit einem Umhang gesehen?

[F]Viele Menschen glauben, dass Barack Obama einen hat.
[A]Stimmt. Aber mich hat schon immer mehr der Gedanke interessiert, wie ich mein Leben persönlich in die Hände nehmen und steuern kann. Ich finde, man sollte sich nicht so abhängig von anderen Menschen machen. Deshalb finde ich auch die Hysterie um Obama ein wenig befremdlich. Der Mann ist nicht Jesus.

[F]Wenn Sie kein Held sind, was sind Sie dann?
[A]Ich bin ein Tier mit menschlichem Antlitz, das im Rahmen seiner Möglichkeiten lebt. Ich möchte dem lieben Gott danken, dass ich bislang so ein vielseitiges Leben führen durfte. Mir war und ist es vergönnt, mich ständig neu ausprobieren zu dürfen.

[F]Sie waren neben der Schauspielerei auch noch Pilot, professioneller Wasserballer, Politiker, Designer und Musiker. Seit einiger Zeit sogar Erfinder. Was haben Sie zuletzt erfunden?
[A]Ich bin eigentlich kein wirklicher Erfinder, ich erschaffe nichts Originäres. Man kann eher sagen, dass ich nützliche Gegenstände miteinander kombiniere wie etwa die Einweg-Zahnbürste mit integrierter Zahnpasta. Oder den Spazierstock mit ausklappbarer Sitzgelegenheit.

[F]Es scheint, als hätten Sie immer das im Leben gemacht, wozu Sie gerade Lust hatten. Sind Sie Anarchist?
[A]Anarchist ist vielleicht der falsche Begriff. Ich habe mich stets von meinem Instinkt und dem Willen nach kreativer Freiheit leiten lassen. Deshalb sage ich auch jungen Leuten immer wieder: "Macht das, was euch wirklich gefällt, aber lasst euch nicht in irgendwelche Programme stecken, wo ihr euch nicht entfalten könnt".

[F]Hatten Sie viele Frauen in ihrem Leben?
[A]Ich bin seit 48 Jahren verheiratet und habe meiner Frau stets gebeichtet, wenn ich sie betrogen habe. Sie hat mir stets verziehen. Das ist wahre Liebe, die steht über den Dingen. Geilheit und Leidenschaft sind doch eigentlich nur Dummheiten.

[F]Waren Sie immer ein freier Mann?
[A]Niemand ist wirklich frei, denn es gibt Gesetze, an die wir uns halten. Ist es nicht merkwürdig, dass der Mensch das einzige Lebewesen ist, das so etwas erfunden hat? Alle Tiere sind nackt und wir tragen Kleidung. Wir sind verurteilt, niemand ist frei.

[F]Woher kommt Ihre Neugier?
[A]Ich weiß nicht. Ich war eigentlich immer ein Dilettant in meinem Leben. Aber ich habe nie über meine Fehler nachgedacht, sondern einfach angepackt. Warum soll man ständig selbstkritisch sein? Das bringt doch nichts. Natürlich musst du das Leben reflektieren und darüber nachdenken. Aber du musst Dinge in die Hand nehmen, das ist das Wichtigste.

[F]Sie werden im Oktober 80 Jahre alt. Haben Sie Angst vor dem Alter?
[A]Ich frage mich schon manchmal, wie die ganze Sache eines Tages enden wird. Aber mir wird immer mehr bewusst, dass wir doch alle ein sehr virtuelles Leben führen.

[F]Wie meinen Sie das?
[A]Ich interessiere mich sehr für Philosophie. Schauen Sie, Platon hat 400 Jahre vor Christus in "Der Staat" geschrieben, dass wir in einer Demokratie leben, in der die jungen Menschen keinen Respekt mehr vor den Alten haben. Das ist doch heute genauso. Oder Krieg – gibt es ein größeres Verbrechen, eine größere Dummheit, welche die Menschheit je begangen hat? Wie kann man nur Menschen für ihre Hautfarbe oder ihren Glauben hassen? Alles spielt sich in den Köpfen ab, die durchsetzt sind von dummen Ideen und Dogmen, die Hass schüren.

[F]Verspüren Sie keinen Hass?
[A]Wie könnte ich! Als katholischer Mensch kenne ich weder Hass, Neid noch Wut. Wütend war ich nur während meiner früheren Wettkämpfe, wenn ich geschwommen bin und meine Gegner schlagen wollte. Sobald ich aus dem Wasser raus war, wurde das Tier eingesperrt und ich war wieder ein friedlicher Mensch.

[F]Haben Sie Angst vor dem Tod?
[A]Der Tag, an dem ich aus dem Bauch meiner Mutter kam, war ich bereits zu Tode verurteilt. So wie jeder Mensch. Ich habe nur Angst davor, dass ich vielleicht Qualen leiden muss. Das wäre nicht schön. Aber wer weiß das schon? Können wir überhaupt irgendetwas vorhersehen? Die Reise wird irgendwohin gehen, ich bleibe neugierig.

[F]Wenn Sie Gott begegnen und er Sie nach dem Motto Ihres Lebens fragt, was sagen Sie?
[A]Ich werde ihm sagen, mein Motto war: "Lassen sie mich vorbei, ich muss mein Leben leben".