Im Rahmen der diesjährigen Deconstruction-Tour in Köln bot sich die Möglichkeit, Lukas Scherfig von THE MOVEMENT zu interviewen. Kein alltägliches Interview, ebenso wie die Ansichten des Dänen, die mit Sicherheit nicht immer allgemeine Zustimmung finden werden.
Ihr aktuelles Album „Move“ ist bereits 2003 erschienen, und so ergab es sich, dass nicht Musik das Thema dieses Interviews wurde, sondern Politik, Ideologie und persönliche Meinungen.
Lukas, was denkst du über die EU, die versucht, eine große Gemeinschaft ohne Grenzen zu werden?
Gar nichts! Und weißt du auch warum? Es ist eine kapitalistische Union, hier geht es nicht um die Belange der Menschen, sondern lediglich um Geld und freien Warenverkehr. Was die Menschen denken, darum kümmert sich keiner.
Wie kommt es, dass gerade viele nordische Länder die EU ablehnen?
Weil wir hier ein gutes System haben, mit vielen sozialen Absicherungen. Eine sozialistische Union würde ich unterstützen, aber nicht so.
Du glaubst also, dass eine sozialistische Union mit so vielen Menschen problemlos funktionieren würde?
Ja, auf jeden Fall.
Auch wenn man in Betracht zieht, dass heutzutage eigentlichen kaum noch sozialistische Ideologien in der Bevölkerung verbreitet sind?
Ohne eine Veränderung der Mentalität geht das natürlich nicht. Man muss die Menschen überzeugen und ihnen die Vorzüge klarmachen. Du hast Recht, viele Leute kümmern sich heute nicht mehr um soziale Dinge, sondern sind nur auf ihren eigenen Profit aus, das muss sich auf jeden Fall ändern!
Und was müsste man deiner Meinung nach zuerst ändern?
In der heutigen Zeit sind alle Demokratien Klassensysteme, in denen die Reichen regieren. Im Sozialismus sind es aber die Arbeiter, die die Macht übernehmen und als Masse regieren. Man muss also die Macht von wenigen wieder auf viele verteilen. Das wird natürlich gerade in den „hohen Kreisen“ zu Verärgerung führen, ist aber der einzig sinnvolle Weg.
Wie sieht es zur Zeit in Dänemark aus? Gibt es viele Leute, die dort so denken wie du?
Ja, es gibt einige, die so denken. Es dreht sich viel um Wissen und Bewusstsein. Man muss immer sehen, dass man sein Wissen zum Guten einsetzt und nicht nur auf Profite achtet. Es gibt auch im Sozialismus ein Klassensystem, nur eines in dem die Mehrheit regiert und auch die Mehrheit die Profite bekommt und nicht nur einzelne Firmenbesitzer.
In Kopenhagen gibt es ja eine kleine Gemeinschaft, die versucht, nach diesen Grundsätzen zu leben. Lebst du auch dort?
Nein, ich wohne nicht dort, aber wir spielen sehr oft in Christiania, und es macht immer Freude, dort zu sein. Viele Musiker und Künstler leben dort. Und viele gute Ideen kommen von dort. Es ist nicht wirklich sozialistisch, aber schon sehr gut.
Warum gibt es eigentlich kaum große sozialistische Staaten?
Es kommen immer wieder neue Staaten, der Sozialismus wird nie aussterben.
Ist Sozialismus also nichts, was von Dauer ist?
Doch, doch, Sozialismus ist eine langfristige Sache. Das Problem ist, z.B. wenn man die frühere Sowjetunion nimmt: in der ersten Zeit eigentlich ein großartiges Land, aber dann wurde es durch den Kapitalismus immer mehr zersetzt, und deswegen konnte der Sozialismus sich nicht durchsetzen.
Was denkst du über die Rüstungspolitik von sozialistischen Staaten? Wozu braucht ein Land diese enormen Waffenbestände?
Nimm zum Beispiel Nord-Korea. Wenn die keine Atombombe hätten, wären sie schon längst von der Bildfläche verschwunden und die Amerikaner hätten die Regierungen gestürzt. So aber traut sich keiner, sie aus fadenscheinigen Gründen anzugreifen und ihnen eine kapitalistische Demokratie aufzuzwingen. In einer gewissen Art und Weise ist die Atombombe also der Freund des Volkes.
Das ist schon eine sehr zweifelhafte Meinung.
Das ist, wie ich es sehe. Wenn du die Bombe nicht hättest, würde es kein Nord-Korea mehr geben.
Hast du schon einmal in einem sozialistischen Land gelebt?
Ja, und ich war sehr angetan. Ich war früher Pionier und war für ein paar Monate in der Sowjetunion. Ich würde gerne wieder in so einem Land leben.
Ist also, auf lange Sicht gesehen, Sozialismus die einzige Form, auf die sich ein Regierungssystem stützen kann?
Der Kapitalismus hat keine Zukunft. Irgendwann wird sich das zeigen, und alle werden wieder mehr Macht für die Mehrheiten im Volk einfordern. Zur Zeit wird so was aber einfach von den Unternehmen unterbunden. Bestes Beispiel ist doch Kuba – die können nichts machen, weil sie mit Embargos zur absoluten Isolation getrieben werden sollen, damit sie keine Gefahr für die amerikanische Wirtschaft darstellen. Kapitalisten haben keine wirkliche Ideologie, ihr einziges Ziel ist es, den Kommunismus zu zerstören, das wird auf lange Sicht nicht reichen.