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MAD CADDIES – Über die nahezu perfekte Live-Show

Neues Album, große Tour, große Erwartungen. Die MAD CADDIES sind zurück. Zwar ohne neues Studio-Album, dafür aber mit der gewohnten Mischung aus Spaß und Spiel. „Live from Toronto – Songs in the key of eh“ ist gerade erschienen, und jeder sollte sich nun auch persönlich einmal ein Bild davon machen, ob das Album eine Live-Show eingefangen hat. Passend zum Tourstart redet Mark, Bassist der CADDIES, über das Album und das Leben auf Tour.

Es gibt unzählige Live-Alben und Bootlegs von unzähligen Bands, warum mussten da die MAD CADDIES auch noch ein Live-Album machen, warum nicht einfach ne schnelle Best-Of?
Naja, eigentlich ist das Live-Album ja beides. Bis auf ein paar Songs, die wir gerade an diesem Abend nicht gespielt haben. Wir haben uns darauf beschränkt, unsere Lieblingslieder und offensichtlich auch die der Mehrheit der Zuschauer zu spielen. Man könnte es also eine Art Live-Greatest-Hits-Album nennen. Wir haben immer gedacht, dass wir eine gute und unterhaltsame Live-Show haben und wollten mal ausprobieren, wie das auf einem Album klingt.

Sollte es trotzdem mal ein Best-Of geben, wären dann die gleichen Songs auf dem Album? Wie wählt ihr überhaupt Songs für Live-Sets und Alben aus?
Ich bezweifle, dass wir je ein Best-Of-Album machen werden (mit Studio-Tracks). Ich glaube, dass nur Bands so etwas machen, wenn sie vertragliche Verpflichtungen gegenüber Plattenfirmen haben. Unser Set entstand über mehrere Monate. Bis auf einige Sachen, die wir ausgetauscht haben, hat es sich so entwickelt.

Als ihr die Songs für das Album ausgewählt habt, wie wichtig war es dabei, auch altes Material zu verwenden? Was mögen eure Fans eher?
Wir spielen fast aus allen Alben die gleiche Anzahl an Songs live. Wenn unsere aktuellste Platte noch nicht so lange raus ist, spielen wir weniger Stücke davon live, damit die Leute sich erst noch daran gewöhnen können. Unsere Fans sind auch sehr mündig, wenn es darum geht, auf Konzerten Wünsche zu äußern. Wir können uns da also gut drauf verlassen.

Ihr habt nun eine Menge Shows gespielt. Wieviel in eurem Set ist noch spontan, gerade was Ansagen angeht („Are there any pirates in Toronto“)?
Komisch, dass du gerade diese Ansage erwähnst, denn sie ist die einzige, die wir jeden Abend bringen. Alles andere ist immer noch total spontan, denn es gibt nichts Schlimmeres als eine Band, die nach jedem Song die gleichen Ansagen macht und das Abend für Abend. Ich will da jetzt keine Namen nennen, aber auf der Warped-Tour 1997 war es bei einer Band so schlimm, dass jeder auf der Tour wusste, was wann und wo gesagt wurde, und jeder konnte es rezitieren, im genau richtigen Tonfall. Das war grausam und machte das Set total langweilig. Spontanität ist der Schlüssel zum Erfolg, man muss sich halt Abend für Abend der Stimmung, dem Publikum, der Stadt und dem Land anpassen.

Wenn ihr längere Zeit auf Tour seid, ist es dann nach 30 Tagen in Folge immer noch Spaß, oder wird es irgendwann zur Routine?
Die Konzerte machen natürlich immer noch sehr viel Spaß. Nur dieser Tagesablauf wird zum Ende der Tour schlimmer, wenn die Erschöpfung dich erreicht. Danach wird es schwer, sich immer wieder aufs Neue zu motivieren. Es gibt natürlich auch andere Dinge, die da mit reinspielen. Wenn ich zum Beispiel vor einem Konzert in Spanien gemütlich Sangria trinke, ist es einfacher als gegen Ende einer Tour in Utah zu sein.

Gibt es bei euch noch den Rock’n’Roll-Lifestyle oder seid ihr mittlerweile erwachsen und achtet auf euch?
Gott sei Dank sind die Tage im kleinen Van vorbei, außer bei ein paar kleinen Shows in Kalifornien. Wir haben immer eine gute Zeit, und das geht Hand in Hand mit ein paar Drinks jeden Abend. Aber wir essen deutlich gesünder und genießen es, jeden Tag an einem anderen Ort zu sein und auch mal die Kultur zu entdecken. Aber wir lassen es uns jeden Tag gut gehen und lachen viel, haben Spaß, auch ohne dabei immer an die Gesundheit zu denken. Wir werden das nicht für immer machen, warum sollten wir uns den Spaß durch ewiges Aufpassen verderben?

Von allen Shows, die ihr bisher gespielt habt, welche war die beste, welche die schlechteste?
Die beste Show, die wir je hatten, war in Amsterdam, im Melkweg, vor ein paar Jahren. Es war so ein Abend an dem alles passte. Wir haben eines der besten Sets ever gespielt, und die Zuschauer waren verrückt, auch wenn sie meistens in Amsterdam nur stoned sind und sich nicht bewegen wollen. Unser Mercher hatte an dem Tag auch noch Geburtstag und kam auf die Bühne und hat ein paar Lieder mit uns gesungen. Hinterher wussten wir alle, dass dieser Abend verdammt nah dran war an der perfekten Show, und dass wir wohl nie wieder so nah herankommen würden.
Die peinlichste Show hatten wir in Los Angeles zusammen mit STRUNG OUT, so vor drei Jahren. Unser damaliger Schlagzeuger dachte, die Show wäre einen Tag später als sie tatsächlich war und er begann so um 2 Uhr nachts vor der Show sich mit Ecstasy und Acid richtig vollzuknallen. Als er nicht auftauchte, obwohl wir eigentlich schon lange abgefahren sein wollten, hat er dann plötzlich bei Sascha angerufen und gesagt, wir müssten ihn abholen. Aber er war total durch und wusste nicht, wo er war. Lange Geschichte, letztendlich haben wir ihn dann gefunden, und alles schien wieder normal zu verlaufen – bis wir anfingen zu spielen. Er spielte, als wäre er in Treibsand geraten und hat knapp 95% der Songs nicht mehr richtig behalten. Er hat einfach angefangen und aufgehört, wann er wollte. Hinterher meinte er dann, sein Kopf fühlte sich, als würde er uns von der Seite der Bühne betrachten. Mittlerweile ist dies eine der lustigsten Geschichten der MAD CADDIES, aber damals war es ziemlich peinlich.

Ihr seid schon viel in der Welt herumgekommen. Was war der merkwürdigste Ort, an dem ihr je gewesen seid, und welches Land hat euch am meisten beeindruckt?
Der merkwürdigste Ort war Winston-Salem, North Carolina, auf unserer allerersten Tour 1998. Der Ort ist der Hauptumschlagsplatz für alle Zigarettenfabriken in den Vereinigten Staaten. Die Stadt ist total hässlich und man dachte, man ist in einer Geisterstadt. Die Einkaufszentren waren leer, keiner lief durch die Stadt und die ganze Sache war irgendwie ziemlich unlocker. Das war schon schlimm genug, aber als dann die Kids zum Konzert kamen, also irgendwo unter ihren Steinen hervorkrochen, wurde es noch schlimmer. Wenn du dein Leben lang mit Zigaretten umgeben bist, muss dein Leben davon einfach einen gewissen Schaden nehmen. Ich kann das hier jetzt so sagen, weil
1) wir dort hoffentlich nie wieder spielen werden
2) sie dieses Interview nie lesen werden und
3) ich bezweifle, dass sie überhaupt lesen können.
Zur Frage nach dem beeindruckendsten Land würdest du wahrscheinlich von jedem von uns eine andere Antwort bekommen. Ich würde mich vermutlich für Japan entscheiden. Es war so unwirklich und verrückt, aber beeindruckend zugleich. Einfach nur durch Tokio zu laufen, ist eine Reizüberflutung ohne Ende. Es war wie Blade Runner auf harten Drogen. Wir werden nächstes Jahr im Januar mit LAGWAGON wieder nach Japan fahren, und ich kann es kaum erwarten.

US-Punk-Shows werden immer größer, während in Europa doch noch relativ kleine Shows gespielt werden. Macht es für euch einen Unterschied?
Für uns ist es genau anders herum. Wir haben viel mehr Besucher in Europa, außerdem sind die Leute hier viel verrückter auf Konzerten. Wir verkaufen auch viel mehr Merch, was uns natürlich hilft, die Miete zu Hause zu bezahlen. Es hängt immer sehr viel vom Publikum ab. Wenn das Publikum mitgeht, sind wir einfach auch besser, und in Europa sind die Leute durch die Bank weg besser drauf.

Auf „Songs in the key of eh“ sind viele Zirkusbilder und Tiere. Denkst du, ihr seid so etwas wie eine Zirkusshow?
Unser Sound ließ sich schon immer ein wenig als Zirkusmusik beschreiben, was ein großes Kompliment ist, denn ich mag diese ganzen alten Sachen. Wir waren uns einig, dass diese Zirkus-Sache gut als Thema zum Album passen würde. Wir nehmen uns selbst nicht so ernst, sondern haben einfach nur eine gute Zeit. Wir predigen nicht und betreiben auch keine Politik. Es gibt viele andere Bands, die das tun. Wir möchten, dass die Leute glücklich und zufrieden von unseren Konzerten gehen, was ja eine Parallele mit dem Zirkus ist.

Welche Band hat dich persönlich live am meisten beeindruckt?
THE JESUS LIZARD auf ihrer „Liar“-Tour vor etwa zehn, elf Jahren. Damals haben sie für HELMET eröffnet, in einem kleinen Club in Santa Barbara und haben mich einfach umgehauen. Ich habe danach nie wieder eine Band gesehen, die so viel Energie und Intensität rübergebracht hat. Keine Posen, keinen Bullshit, sie sind einfach nur auf die Bühne gegangen und haben den Club explodieren lassen.