„Da hat es den Pädagogik-Studenten doch glatt vom gemütlichen WG-Sofa gehauen, als er beim nachmittäglichen Internetsurfen auf der Grand Hotel van Cleef-Homepage neugierig den Link zu einem Vorabsong mit dem unscheinbaren Titel „Coldblackdeathbloodmurderhate-machine“ eines mysteriösen, neuen Label-Signings angeklickt hat. Anstelle von labelüblichem Indie-Pop oder Songwriterklängen ballerte ihm ein regelrechtes Gitarrenbrett entgegen, und eine überdrehte Stimme schrie wutentbrannt irgendwas von Händen, die zu Fäusten werden…“
Aber genug der Klischees: Die Husumer/Flensburger Hardcore-Band ESCAPADO ist mit ihrem großartigen, zweiten Album „Initiale“ zurück. Und sie hat mit dem Label GHvC eine neue Heimat gefunden. Da drängten sich mir spontan ein paar Fragen auf, die mir netterweise per E-Mail von Gitarrist Sebastian beantwortet wurden.
[F] ESCAPADO und das Grand Hotel van Cleef – das passt auf den ersten Blick nicht wirklich zusammen. Wie kam es zu dieser außergewöhnlichen Konstellation? Wart ihr selbst überrascht, dass sich das Label für eure Musik interessiert?
[A] Angefangen hat alles damit, das Thees sich unsere Songs bei Myspace anhörte und uns daraufhin mit Mails bombardierte. Später haben wir uns ein paar Mal getroffen, und die GHvC-Crew hat ein paar Konzerte von uns besucht. Ich hätte anfangs auch nicht gedacht, dass z.B. Thees so auf die Musik abfährt, aber später erzählte er mir, dass er auch großer HAMMERHEAD-Fan ist. Insofern ist das vielleicht alles auch gar nicht so überraschend. Ich mochte …BUT ALIVE und TOMTE auch schon immer. Und ich kenne, ehrlich gesagt, auch viele Leute, die sowohl KETTCAR als auch MODERN LIFE IS WAR hören, je nach Stimmungslage eben. Ich selbst zähle mich auch dazu. Hauptsache die Musik ist authentisch.
[F] Ihr seid ja ziemlich tief in der D.I.Y.-Hardcore/Punkbewegung verwurzelt, wenn man eure bisherigen Labels, die Wahl eurer bisherigen Konzert-Locations oder das Umfeld der mit euch befreundeten Bands betrachtet. Denkt ihr, dass sich in Zukunft durch den Labelwechsel etwas für euch ändern wird, etwa bezüglich eurer Hörerschaft oder der Rahmen der Konzerte, die ihr in Zukunft spielen werdet?
[A] Ich denke, dass sich nicht allzu viel ändern wird. Natürlich erreichen wir durch das neue Label ein paar mehr Leute, die wir sonst wahrscheinlich nie erreichen würden. Das ist aber ja auch gut so. Die Lp-Version der neuen Platte „Initiale“ (VÖ: 28.09.) wird übrigens co-released durch Zeitstrafe, dem Label von Renke. Er begleitet uns auch auf der anstehenden Tour. Und auch sonst spielen wir immer noch überwiegend die Locations, die wir auch schon vor zwei Jahren gespielt haben. Viele Konzerte waren schön, da kommt man gerne wieder.
[F] Von den Anfängen der Aufnahmen bis zur Veröffentlichung von „Initiale“ hat es eine ganze Weile gedauert. Wieso habt ihr für das Endergebnis so lange gebraucht?
[A] Die Aufnahmen waren nicht ganz einfach, weil es im Vorfeld schon eine ganz bestimmte Vorstellung gab, wie die Platte werden sollte. Und da mussten wir teilweise wirklich eine Menge ausprobieren, bis wir gefunden hatten, wonach wir suchten. Außerdem hatten wir während der Aufnahmen einen Bassistenwechsel, und es gab weitere Probleme, wie z.B. einen Bandscheibenvorfall unseres Mischers. Dadurch zog sich das alles in die Länge.
[F] ESCAPADO nimmt momentan sicherlich eine Menge eurer Zeit in Anspruch. Was macht ihr eigentlich neben der Musik? Das Nachgehen einer „geregelten Erwerbstätigkeit“ dürfte unter den derzeitigen Umständen nur schwer möglich sein…
[A] Zeit ist definitiv etwas, das wir momentan zu wenig haben. Alle von uns studieren noch und müssen nebenher zusätzlich jobben, damit wir uns über Wasser halten können. Ist alles ziemlich anstrengend. Aber es geht eben nicht anders. Die Leute kaufen ja auch keine Tonträger mehr. Und wenn eine Konzertkarte mal mehr als sechs Euro kostet, wird auch schon gemeckert.
[F] Ich habe den Eindruck, dass „Initiale“ im Gegensatz zu dem Vorgängeralbum „Hinter den Spiegeln“ etwas melodiöser geworden ist und sich der Anteil an Indie-Pop-Einflüssen ein wenig erhöht hat. Hat sich euer persönlicher Musikgeschmack im Laufe der letzten Jahre merklich verändert bzw. erweitert?
[A] Eigentlich nicht. Und wenn, dann eher in die andere Richtung. Ich höre in letzter Zeit mehr Metal als früher. Aber auf Metal-Konzerte gehe ich trotzdem nicht. Dieser Wall of Death- und Windmill-Kram geht mir ziemlich auf die Nerven.
[F] Eure Songstrukturen sind zum Teil recht abstrakt und bestehen oft aus einer Vielzahl verschiedener einzelner Parts. Wie geht ihr beim Songwriting vor? Entstehen diese ständigen musikalischen Richtungswechsel eher spontan, oder kommt einer von euch mit dem Grundgerüst eines Stückes an, welches bereits aus einer ganzen Reihe verschiedener Passagen besteht?
[A] Die meisten Songs habe ich vorher schon komplett im Kopf, mit Schlagzeugrhythmen und allem. Dann probieren wir das gemeinsam aus. Wenn ein Part nicht so gut funktioniert, denke ich mir wieder etwas anderes aus. Manche Parts arbeiten wir auch gemeinsam bei den Proben aus. Das ist aber eher selten. Die Songs von ESCAPADO entstehen also eher bei mir zu Hause als beim gemeinsamen Jammen. Funktioniert bei uns irgendwie besser.
[F]Ihr seid eine der wenigen deutschen Bands, die es überzeugend schafft, politische Texte auf einer persönlichen, emotionalen Ebene zu formulieren. Hierdurch vermeidet ihr erfreulicherweise jegliche Art der Phrasendrescherei, lauft aber zugleich Gefahr, dass eure Texte fehlinterpretiert werden könnten. Ist es euch wichtig, dass eure Texte so verstanden werden, wie sie eigentlich gemeint sind, oder soll der Hörer die Stücke lieber auf seine eigene Weise deuten?
[A] Ich denke, dass unsere Texte für sich stehen. Jeder darf sie gern auf seine eigene Weise deuten. Das macht es ja auch erst interessant. Trotzdem glaube ich, dass sie direkt genug sind, dass man sie gar nicht völlig missverstehen kann.
[F] Mir ist letztens aufgefallen, dass eure Homepage (http://www.escapado.com) derzeit mehr oder weniger brach liegt, lediglich die aktuellen Tourdaten und ein Link zur virtuellen Kuschel-Plattform MySpace sind noch auf der Seite zu finden. Das war früher mal anders… Was ist der Grund für die Vernachlässigung der Bandhomepage? Seht ihr eine Homepage nicht als sinnvolle Möglichkeit an, gerade als Band mit politischer Einstellung den Hörern Informationen durch sinnvolle Homepage-Inhalte (z.B. in Form von Links) zugänglich zu machen?
[A] Die neue Webseite ist seit einer Woche online (Anm.: Ups, ich will nichts gesagt haben…). Ich sehe aber den Stellenwert einer normalen Webseite für Bands schwinden. Die meisten Leute informieren sich heutzutage über Myspace. Viele Newsseiten von offiziellen Band-Webseiten sind veraltet usw. Unsere neue Webseite hat gar keine Newsseite mehr. Dafür gibt es nun aber einen ESCAPADO-Blog. Deshalb ist unsere neue Webseite quasi eine Verbindung zwischen Myspace und dem ESCAPADO-Blog. Auf politische Links verzichten wir auch. Es gibt kaum noch Leute, die sich gezielt anhand einer Linkseite informieren. Ich finde, dass ein Blog dafür ein viel besseres und aktuelleres Medium ist.
[F] Ihr unterstützt – unter anderem durch die Teilnahme an einem Benefiz-Sampler – die Berliner Initiative „Turn It Down“. Kannst du mal kurz erläutern, was hinter der Idee von „Turn It Down“ steckt?
[A] „Turn it Down“ ist eine Initiative gegen rechtsradikale Musik, bzw. gegen rechte Strukturen in Musik –(Sub)Kulturen.
[F] Bleibt zu hoffen, dass ihr durch das neue Album auch viele neue Hörer mit weniger ausgeprägtem politischem Bewusstsein erreicht und diesen Impulse gebt, sich mit Aktionen wie „Turn It Down“ und anderen politischen Themen auseinander zu setzen. Viel Erfolg mit eurer Platte und auf eurer Tour! Any last words?
[A] Checkt alle ANTITAINMENT(http://www.myspace.com/antitainment), weil die es verdient haben! Ansonsten: Danke für die Fragen, danke für die Aufmerksamkeit! Habt es gut!
http://www.escapado.com