Wenn man Carlos Santana Böses wollte, man könnte sich darüber beschweren, dass er mittlerweile zu den Künstlern gehört, die sich, um sich im Gespräch zu halten, gern mir fremden Federn schmücken. Das galt für seine letzten Studioalben, und das gilt, mit einer Einschränkung, auch für die vorliegende Dreier-DVD-Box. Aber erstmal wollen wir Herrn Santana nichts Böses und zum anderen ist hier sehr viel entscheidender, dass Blues-Fans (zu denen ich im übrigen nicht gehöre) dieses Teil, das mit „Carlos Santana presents…“ überschrieben ist, lieben werden. „Blues at Montreux“ enthält drei komplette Konzerte dreier verschiedener Musiker. Alle fanden am Nachmittag bzw. Abend eines Julitages im Jahre 2004 auf dem Jazz-Festival in Montreux statt, und bei allen dreien kommt früher oder später Carlos Santana dazu und begleitet die jeweilige Band an der Gitarre oder mit Percussions. Die Konzerte im einzelnen sind von Bobby Parker, Clarence Brown und Buddy Guy, alles gestandene Blues-Größen der alten Schule.
In tollen Bildern und mit einem ebenso tollen Sound versehen, fangen die Mitschnitte dieser Konzerte die jeweilige Stimmung hervorragend ein, dazu kommen neben Santana weitere Gastmusiker, wie etwa Chester Thomson an den Drums oder Nile Rodgers. Ebenso allen dreien gemeinsam ist die familiäre Atmosphäre, die unter den einzelnen Musikern herrscht, auch wenn Carlos Santana zu den Konzerten dazu stößt oder sich die Akteure gegenseitig begleiten. Was hier dominiert, ist die große Freude an der Musik, in diesem Fall dem Blues, der hier und da auch in Jazz-Gefilde vorstößt. Jede Kritik an dieser Veröffentlichung, an der Tatsache z.B., dass in diesen vier Stunden vieles irgendwie gleich klingt, in fast jedem Lied jeder Musiker mindestens ein Solo abbekommt, bestätigt nur das, was ich bereits oben sagte: Ich bin kein eingefleischter Blues-Fan. Denn genau das ist es, was die Freunde dieser Musik lieben werden, zumal sämtliche Akteure hier wirklich unglaublich gut sind, weil sie ihre Musik leben lassen, weil sie atmet und Songstrukturen hier stets nur das grobe Gerüst der Stücke bilden. Auf dem Part von Buddy Guy finden sich sogar Jam-Sessions, die völlig frei improvisiert wurden. Nein, hier kann man wirklich nicht meckern, hier dürfen auch Genre-Fremde gern mal ein Auge oder ein Ohr riskieren, und als solcher wage ich sogar die Voraussage, dass Fans genannter Musik hier gleich in dreifacher Hinsicht etwas Existentielles finden werden. Am Rande gibt es noch die traurige Tatsache, dass Clarence Brown im Jahr 2005 gestorben ist und man noch einmal Gelegenheit hat, ihn und seine einzigartige Art, Gitarre zu spielen, hier zu bewundern.