TURBOSTAAT sind schon irgendwie kultig. Die Typen – alles Typen. Würde ich mir als Actionfiguren ins Regal stellen. Genauso wie ihre neue Platte: „Das Island Manøver“.
„Island Manøver“, he? Schon wieder diese Kriegsmetaphorik. Passt aber. Ich maße mir hier keinen Deutungsversuch an, aber atmosphärisch ist das Album ein Musik gewordener Kriegsfilm – ein „Das Boot“ oder gar ein „Stalingrad“ der deutschsprachigen Punkmusik: ruinenhaft, knüppelhart, Abgründe, das Thema Tod allgegenwärtig, jedes Lied ein angewidertes Infragestellen. Wem der Vergleich zurecht zu weit geht, der erdenke sich einen Film nachts im Dritten, der einem den Weg ins Bett erschwert. Ich stelle mir da die Geschichte eines einsamen Leuchtturmwächters mit einem dunklen Geheimnis vor. Mit Hinnerksen, dem urigen Kräutervogel aus dem Landarzt, in der Hauptrolle.
Das Prinzip ist im Prinzip das altbewährte: Martens Texte – ein nur gedichthaftes Anzeichnen des Wahnsinns, und trotzdem weiß man Bescheid, manchmal auch weniger, skurril, superstrange, mitunter gar köstlich, in gewohnter Manier vorgetragen von Jens Rachut-Parodist Jan: „Könnten Sie sich vielleicht erbarmen? Erwürg mich im Maisfeld!“, schreit er den befremdlichen Wunsch einer alten Frau heraus. Dieses Siezen dabei – herrlich! Musikalisch geht „Das Island Manøver“ so ziemlich Hand in Hand mit seinem Vorgänger. In nordfriesischer Einöde ausgedacht, sich beinahe darin suhlend, prägt auch hier ein Gefühl von „Husum, verdammt!“ das Album. Gleich im ersten Lied „Kussmaul“ jedoch steuert der Kahn schon in deutlich bedrohlichere Gefilde als noch die „Vormann Leiss“. Die düstere Atmosphäre wird dabei natürlich immer mal wieder aufgebrochen von den typisch traurigschönen Gitarrenharmonien, die hin und wieder etwas Trost spenden. Mit „Ufos im Moor“, meinem derzeitigen Highlight, sticht das einzig wirklich temporeiche Stück hervor. So gar nicht zünden will bei mir hingegen einzig „Pennen bei Glufke“. Irgendwie lahm dahin gesungen und ein wenig wehleidig: ein Jugendlicher „aufgelöst in der ganzen Welt“? – Ja gut, sicherlich. Auf der B-Seite dann lassen TURBOSTAAT ungewohnt launiger Spielfreude ihren Lauf: „Leo, Leo, Leo, jetzt denk doch nicht nach, ist nur Kopf ab, Kopf ab, Kopf ab“ wird dabei ein gewisser Henker namens Leo sarkastisch angestachelt. Leo ist gemeint. Aber um welchen Leo handelt es sich? Ist es nicht auch der Leo in uns allen? (Otto-Adaption, ist klar.)
Mit dem „Island Manøver“ sind TURBOSTAAT nun insgesamt gewiss noch einen Schritt weiter weg von „Schwan“ und „Flamingo“. Aber wenn ich die „Schwan“ oder die „Flamingo“ hören möchte, lege ich die „Schwan“ auf. Oder die „Flamingo“. Das hier hat sich in meinen Ohren ganz prächtig weiterentwickelt und ist textlich noch immer so fernab, dass ich es mir sogar als Gedichtband zulegen würde. Übrigens, während meines Zivildienstes betreute ich viele ältere Damen. Dabei bin ich häufiger mal ihrem Wunsch nach einem sommerlichen Erwürgen im Maisfeld nachgekommen. Klingt makaber, aber nach der Ersten ist es gar nicht mehr so schlimm.