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THE ROYAL WE – Der Teufel und sein Beelzebub

Der Name Dylan Kennedy dürfte nicht jedem geläufig sein, mit SCUMBUCKET können die meisten Musikkenner da schon mehr anfangen. Bei eben jener Band war Dylan Kennedy bis 1999, sprich bis „Batuu“, als Bassist tätig. Dann hatte er „die Schnauze voll“ vom ganzen Musikbusiness und zog sich komplett aus der Szene zurück. Er fand einen Job als Übersetzer und machte dort musikalisch eine Zeitlang gar nichts. Bis ihm die SILVER JEWS eines Tages zeigten, dass ein allzu bürgerliches Leben doch nicht erfüllend sein konnte. Er fing an, wieder Musik zu machen, lernte Gitarre und schrieb mit THE ROYAL WE neue Songs. Zunächst eher als Solo-Projekt mit wechselnden Gastmusikern gedacht, ließ er 2004 erstmals mit einer EP von sich hören, bis 2005 mit einer festen Band schließlich kein komplettes Album folgte. Und das Debütalbum zeigt, dass guter Indiepop eben doch nicht nur aus Amerika oder Skandinavien kommt. Zarte bis beschwingte Melodien und eine sanfte Stimme, kombiniert mit folkigen Gitarren und im Hintergrund versteckten Synthie-Klängen, die mit seiner Vorgängerband nur noch wenig zu tun haben, dem aber in nichts nachstehen. Im Anschluss an die Tour im Vorprogramm von ELBOW stellte sich Dylan unseren Fragen, und verrät dabei, wie er der Musik heute gegenübersteht.

[F] Was war der Grund für deinen zwischenzeitlichen Ausstieg aus der Musikbranche? Und drückt „Space 1999“ die Zeit seitdem aus?
[A]Ich liebe deine Interpretation! So habe ich das noch nie gesehen, aber wenn man so aufs Datum schaut, war das natürlich das Jahr der Trennung von SCUMBUCKET. Wenn man sich das so überlegt, habe ich mich dabei wirklich ins All geschossen, denn ich habe meine damalige Welt verlassen und habe neue Galaxien erforscht.
Ich habe nach wie vor eine Hass-Liebe-Beziehung zur Musikszene. Sie ist eigentlich noch viel schlimmer geworden seit dem neuen Millennium. Die Majors sind pleite gegangen und haben sich anschließend fusioniert. Da kommt nun eine neue Geld- und Trendwelle auf uns zu, und es geht nicht mehr um Musik, sondern um den nächsten schnelllebigen Trend, worauf die Kids abfahren. Ich verabscheue diese Einstellung und die Bands, die da mitmachen.
Ich habe totalen Respekt vor dem, was unser Label Rakete noch macht. Wir (Rakete und die Bands) haben kein Geld und leben am Rande der musikalischen Existenz, aber irgendwie überzeugen wir trotzdem mit Herz und Leidenschaft. Wir können uns eben bei der Presse keine Storys erkaufen, wie die anderen das tun. Wenn da was läuft, dann nur weil einige nette Presse-Leute sich wirklich dafür einsetzen. Das ist sehr selten geworden. Schade.

[F] Mittlerweile schreibst du ja auch wieder Texte für SCUMBUCKET und arbeitest mit den Musikern musikalisch und produktionstechnisch zusammen. Das alte, angebliche „Kriegsbeil“ wurde scheinbar begraben?
[A] Ich hatte nie ein Kriegsbeil mit SCUMBUCKET zu begraben. Natürlich suchte man damals in der Presse Gründe für unsere Trennung. Die waren aber so banal, dass sie gar nicht der Rede wert waren. Wir haben uns immer sehr geliebt und das ist auch immer noch so. Ich habe immer den Kontakt gehalten. Wir haben die schönste Zeit unseres Lebens miteinander verbracht, als wir mit der „Heliophobe“ starteten.
Ich habe zur „Kiss Than Kind“ mit Kurt über seinen Gesang gesprochen. Mit fehlten bei der vorherigen SCUMBUCKET-Platte die Nuancen. Wir haben zusammen daran gearbeitet und dabei sind auch Texte von mir mit entstanden, die Kurt weiterhalfen. Er hat enormes getan. Er hat wirklich sehr an sich gearbeitet. Das respektiere ich sehr an ihm. Er könnte nämlich auch sagen, dass er es nicht mehr nötig hat, sich zu verändern, aber er greift tief in die Kiste und holt immer wieder mehr aus sich raus.

[F] Neben den SCUMBUCKET-Jungs, sind ja auch diverse andere Musiker aus der Rakete/Nois-o-lution-Ecke immer wieder in deinem Umfeld auszumachen. Statt wie auf der EP hast du dir aber inzwischen eine feste Band zusammengetrommelt. Erleichtert das die künstlerische Arbeit, gibt es mehr Möglichkeiten als „feste Band“ oder behindert das auch gleichzeitig den eigenen Output?
[A]Nein, das behindert den Output überhaupt nicht. Im Gegenteil – Ich habe im Moment einen enormen Output, so dass sicherlich nicht alles für THE ROYAL WE verwendet werden kann, da wir gerade ganz spezifisch an unserem Sound arbeiten. Meine Jungs (wie ich sie nenne) sind einfach klasse. Sie arbeiten mit so einem Engagement an der Sache, dass sie mich manchmal in den Schatten stellen, weil ich selber ein wenig zu faul bin. Ich habe sehr viel von ihnen gelernt. Sie sind sehr fokussiert und geben mir die Energie, mich selber weiter zu entwickeln. Die Teilnahme der anderen Musiker aus dem Milieu würde ich nicht überbewerten. Sie sind hoch geschätzte Freunde – nicht nur musikalisch, sondern auch einfach so. Ich freue mich einfach, wenn ich solche Freunde mit einbeziehen kann.

[F] Die SILVER JEWS schienen der Initiator, wieder zur Musik zurückzukehren. Und wie man daran bereits sieht, wie auch an den Coversongs von FUCK und SPARKLEHORSE scheint deine Vorliebe im alten Indie-Rock zu liegen. Kannst du auch neueren Indie-Bands, wie z.B. DAVID & THE CITIZENS was abgewinnen?
[A]Noch nie von gehört!! Mein Musikgeschmack ist schon ziemlich spezifisch. Ich höre relativ wenig und das, was ich höre, muss das gewisse „Etwas“ haben. Für mich sind die SILVER JEWS, FUCK und SPARKLEHORSE nicht unbedingt alter Indie-Rock. Sie sind eher zeitlos. Sie sind nicht so bekannt, dass jemand sagen kann „die waren doch damals so angesagt“. Wenn ich heutzutage eine Compilation erstellen würde, wären Songs dabei, die z.T. bis zu zehn Jahre alt sind, aber die Musik wäre für 90% der Leute immer noch neu und frisch. Hör dir einfach mal die Platte „I see a darkness“ von BONNIE PRINCE BILLY an – man würde nie denken, dass sie Ende der 90er erschienen ist. Die aktuelle SUFJAN STEVEN’s „Illinois“ wird auch so eine Scheibe… zeitlose Musik. Das werde ich hoffentlich mit THE ROYAL WE auch noch ansteuern. Das ist mein Ziel.

[F] Warum habt ihr „Swinger“ von FUCK nur so minimal verändert?
[A]Es war eigentlich nur ein bisschen Spaß. Die Aufnahme ist im Studio beim Abbauen entstanden. Ich wollte unbedingt mit Michael Fritsche (Schlagzeuger) den Song mal spielen. Wir haben uns hingesetzt, obwohl alle protestiert haben, und haben diesen Song live eingespielt – und glücklicherweise aufgenommen! Benni hat erst Monate später den Song wieder entdeckt und ihn beim Mix ein wenig bereichert, und fertig war der Song. Der hat ’ne ganz eigene Stimmung und wir haben es dabei belassen. Aus Respekt zu FUCK wurde der Song aufs Album gesetzt.

[F]Zwar klingt das Debüt äußerst simpel bzw. minimal, aber wenn man genau drauf achtet, erkennt man, dass der Teufel (bzw. die Feinheit) im Detail steckt. War dies bewusst so gewählt?
[A]Ja, der Teufel… kennst du den Spruch „seine Seele dem Teufel verkaufen“? Ich glaube, ich habe das unbewusst getan, denn ich habe keine Ahnung, woher meine musikalischen Ideen und deren Umsetzung kommen. Ich habe so viele Melodien im Kopf, die ich mich gar nicht umzusetzen wage, weil ich das musikalische Können gar nicht habe. Und trotzdem, ’ne Woche später sind die Ideen auf Band, und ich habe einen Quantensprung meiner musikalischen Entwicklung erlebt. Das ist krank, oder?
Auf dem Debüt ist der Teufel jedoch personifiziert… Benni Rubertus heißt er. Sein Beelzebub war Miguel Ortiz-Caturani. Ja, zwei meiner Mitmusiker. Sie waren wie besessen und haben das feine Detail erschaffen. Das war jedoch ein Prozess, der nicht bewusst gemacht wurde. Ich denke es kam aus dem Bauch heraus.

[F] Zunächst war ja eine Tour mit den FRIENDS OF DEAN MARTINEZ geplant, die am Ende aber gegen das Support-Programm für ELBOW getauscht wurde. Hättet ihr bei einem autonomen Tourbooking genauso entschieden, und war der Tausch letztlich von Vorteil?
[A]Ja, ich denke, das hätten wir getan. Ich hätte mich zwar gefreut, mit FODM zu spielen, aber wir sind alle ziemlich von ELBOW angetan. Als wir letztes Jahr ins Studio gingen, war ELBOW die erste Band, die mir Benni als Produktionsbeispiel vorspielte. Sie hatten einen großen Einfluss auf ihn und seine Vorstellungen für eine Produktion.
Der Tausch war auch sicherlich von Vorteil. Du musst das so sehen. Wir können nur sehr selten auf Tour gehen. In der Zeit müssen wir so viele Leute erreichen, wie nur möglich. Bei ELBOW haben wir im Schnitt ca. 500 Zuschauer. Bei FODM wären es vielleicht im Schnitt ein Zehntel davon gewesen. Das ist simple Mathematik!

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