Das gibt es bei Blueprint auch nur selten: ein zweites Interview mit einer Band nach sage und schreibe 16 Jahren! Das Ganze ist dem Zufall geschuldet, dass sich derzeit viele Indie-Bands reformieren, die um die Jahrtausendwende recht präsent waren, wie zuletzt PALE und nun eben auch THE ROBOCOP KRAUS. Doch hier werden nicht nur ein paar müde Mark durch eine Extrarunde Konzerte eingeheimst, in beiden Fällen sind die Bands auch noch mal im Studio aktiv geworden, um neue Platten einzuspielen.
Genügend Gründe also, um sich via Zoom mit Gitarrist Matthias Wendl auszutauschen, der es sich mit einem Bierchen und einer Selbstgedrehten vor dem Notebook gemütlich gemacht hat.
Hey Matti! Erreiche ich Dich gerade im Studio, oder was hat es mit den vier Gitarren auf sich, die hinter Dir an der Wand hängen?
Nein, nein. Ich sitze hier in meinem Musikzimmer, habe die Kinder gerade ins Bett gebracht und hoffe nun, dass das Babyphone nicht andauernd Alarm schlägt.
Schön, dass wir hier 16 Jahren nach dem letzten Interview zu einem Update über THE ROBOCOP KRAUS wieder zusammenfinden.
Das finde ich auch! Ich kann mich sogar noch an unser Interview auf dem Dockville-Festival erinnern, wie wir da zusammensaßen.
In zwei Wochen geht es los mit der Tour! Seid Ihr schon aufgeregt?
Es geht so. Wir haben letztes Wochenende endlich mal geprobt. Es war auch die einzige Probe, die wir vor der Tour hatten. Bei der Produktion wurden einzelne Parts alleine zu Hause ausgearbeitet und im Studio zusammengefügt, so dass wir einige Songs noch nie im Bandkontext zusammen gespielt hatten. Das war schon ein wenig aufregend, hat aber überraschend gut geklappt. Genauso saßen auch die alten Songs noch ziemlich gut.
Bedeutet das, dass Ihr zuletzt eher am Rechner an den Songs gebastelt habt als im Proberaum?
Nein, eigentlich nicht. Es stand zwar die Basis der Songs aus Bass und Schlagzeug fest, aber die Gitarren, die Synthies und der Gesang waren noch nicht endgültig fertig, so dass wir zu Hause noch etwas daran herumfeilen konnten. Wir proben etwa fünfmal im Jahr im Proberaum, aber nicht digital.
Wahnsinn! Wie kriegt Ihr denn bei so wenig Proben ein Album zusammen?
Es geht bei uns tatsächlich immer erstaunlich schnell. Unsere erste Platte, eine Split-LP mit THE CHERRYVILLE, hatten wir schon nach fünf Bandproben aufgenommen. Das hört man allerdings auch. Es ist total einfach, was wir spielen.
Wie kam es dazu, dass Ihr wieder auf Tour seid und sogar ein neues Album im Gepäck habt?
Wir haben uns zwar nie offiziell aufgelöst, aber zwischendurch hatten wir vier Jahre lang gar nichts mehr zusammen gemacht. Danach hatten wir etwa zwei, dreimal pro Jahr geprobt und alle zwei Jahre ein Konzert gespielt. Bei den Proben hatten wir schon versucht, nicht nur die Setlist zu wiederholen, sondern herumzujammen und neue Songs zu schreiben. Die Ideen hatten wir auch aufgenommen, aber sie sind dann doch im Sande verlaufen. Als von WORLD INFERNO FRIENDSHIP SOCIETY, eine Band aus Amerika, mit der wir auf Tour und gut befreundet waren, der Sänger verstarb, bekamen wir eine Anfrage, ob wir nicht eine Cover-Version beisteuern wollen. Die haben wir gemeinsam mit unserem ehemaligen Schlagzeuger Jo aufgenommen, und durch Jo kam auch neues Feuer in die Band. So haben wir aus dem Nichts beschlossen, zu sechst eine neue Platte aufzunehmen. Ich hätte eine neue Platte zwar nie ausgeschlossen, aber wegen des ganzen logistischen Aufwands schien mir das bis dahin sehr weit weg.
Also kein erstes Wiedersehen nach zehn Jahren mit Reaktionen wie „Wie siehst Du denn aus…“?
Nein, so war es ganz und gar nicht. Wir haben ja ständig Kontakt miteinander und wohnen mit fünf von sechs Leuten auch noch im Großraum Nürnberg, also Nürnberg, Fürth und Erlangen. Nur unser Sänger Tomi wohnt in Ulm. Das ist ein wenig schade, weil es ohne Gesang nicht so viel Bock macht. Und es ist auch nicht mehr so einfach, sechs Leute an einem Wochenende zusammenzubringen. Aber es klappt.
Hattet Ihr denn zwischendurch noch andere Bands am Start?
Ja, irgendwer hat immer irgendwo ausgeholfen, aber ich kriege das nicht mehr komplett zusammen. Ich mache für mich seit 15 Jahren zu Hause Musik und hatte mit Markus und Tobi (unserem Keyboarder und Bassisten) eine Punkband namens HELEN WAIT am Start. Wir hatten einen einzigen Auftritt in Erlangen vor 40 Leuten, aber noch keine Veröffentlichung, und als es endlich losgehen sollte, kamen die ROBOS dazwischen, so dass das nun auch wieder abgemeldet ist.
Nun heißt es also erst mal wieder ROBOCOP KRAUS. Kürzlich hatten ja auch PALE ihr erstes Konzert nach 14 Jahren, und ich hatte so das Gefühl, dass das Publikum nicht nur wegen PALE da war, sondern auch, um wieder ein wenig in der eigenen Vergangenheit zu schwelgen. Euer kommendes Album scheint aber nicht unbedingt an dem alten RADIO 4/GANG OF FOUR-Sound anzuknüpfen, den Eure ersten Platten ausgezeichnet hat.
Ich kann es gar nicht so genau sagen, wo unser neues Album anknüpft. Es war uns eigentlich auch völlig egal, in welche Richtung die Platte geht. Früher haben wir ja alle dieselben Tapes und Platten gehört, und dann war es auch nicht allzu verwunderlich, dass einzelne Stücke wie LES SAVY FAV oder THE MAKE-UP klangen. Da es diese Bands nicht mehr gibt, und jeder etwas Anderes hört, kommt im Proberaum nun etwas Unvorhersehbares heraus. Jedenfalls gab es keine Vorgaben, ob das Album eher Indie, Punk oder Poppunk werden soll. Es sollte nur spontan und nicht verkopft klingen. Ich denke, das ist uns ganz gut gelungen.
Wie fühlen sich denn für Euch die Bandproben an? Genauso wie früher?
Exakt genauso. Es kam noch nie jemand mit einer Idee in den Proberaum, es ist alles immer spontan entstanden. Ich bin selbst erstaunt über die Chemie und die Frische zwischen uns, die sich anscheinend nicht geändert haben. Für die zwölf Songs hat es wieder nur sechs oder sieben Bandproben gebraucht.
Musikalisch lässt sich „Smile“ in meinen Augen aber mit keiner Eurer vorherigen Platten vergleichen und klingt vielmehr, als ob Ihr einen Überblick über die letzten 50 Jahre der Musikgeschichte abbildet.
Wahrscheinlich haben uns die Sechziger, Siebziger und Achtziger am meisten beeinflusst. Mittlerweile liegen die Neunziger schon so weit zurück, dass man sie sicherlich auch nennen könnte. Ich hätte niemals gedacht, dass ich mir diese Musik irgendwann wieder anhöre, aber man verknüpft doch Erinnerungen und Lebenszeit damit, ähnlich wie mit einem Tagebuch. Was aktuelle Indie- und Gitarrenmusik betrifft, bin ich aber komplett raus.
Gibt es denn schon musikalische Einflüsse von Euren eigenen Kindern?
Dafür sind sie mit sechs und neun Jahren wahrscheinlich noch etwas zu klein. Mein Sohn muss nun ein Musikreferat halten und hat sich „Rockaway Beach“ von den RAMONES herausgesucht. Er spielt zwar ein wenig Schlagzeug, aber hat noch kein Interesse an einer eigenen Band.
Wie seid Ihr nun bei Tapete Records gelandet?
Gunther, der Chef von Tapete, hat sicherlich auch dazu beigetragen, dass wir nun eine neue Platte veröffentlichen, da er in regelmäßigen Abständen nachgefragt hat, ob wir nicht mal wieder was machen wollen. So mussten wir uns darum nicht mehr kümmern, und es hat sich gleich gut angefühlt.
In der Vergangenheit hattet Ihr für die Band ja sogar die Jobs an den Nagel gehängt. Wie schwer gestaltet sich eine reaktivierte Band, wenn man schon mitten im Leben steht?
Das ist schon ziemlich schwer. Da wir zwei Lehrer in der Band haben, können wir nur die Ferienzeit nutzen. Deshalb sind wir auch nicht mehr für mehrere Wochen am Stück auf Tour, sondern haben zwischen unseren zwölf Konzerten immer ein paar Monate Pause. Aber fünf Gigs am Stück schaffen wir noch!
Ich freue mich auf das ganze Drumherum, das Reisen mit dem Bandbus und Leute von früher wiederzutreffen. Auf den früheren Touren in Frankreich und Spanien hat man Einblicke in den Alltag von Leuten bekommen. Ich erinnere mich auch noch auf einen Auftritt in einer Trabantenstadt von Moskau, das war schon eine ganz andere Welt.
Habt Ihr noch Kontakt zu Leuten von damals?
Ja, der damalige Booker ist aus Russland geflohen und wohnt inzwischen in Berlin. Er kommt auch zu unserer Show im Festsaal Kreuzberg. Es ist schön, wenn man vergessen geglaubte Leute plötzlich wiedersieht.
Darf man sich live auf einen Querschnitt aus Euren Album freuen?
Ja, genau. Dafür sind wir selbst genug Musikfans, und als Fan möchte man auch gerne die alten Sachen hören. Es macht ja auch Spaß, und ich finde, dass unsere ersten Platten recht zeitlos waren und keinem Trend nachhängen. Auch wenn wir oft mit FRANZ FERDINAND verglichen wurden, die aber eigentlich keiner von uns gehört hat.
Werdet Ihr nach der Tour auch auf Festivals zu sehen sein? Plant Ihr eine weitere Platte?
Bisher steht noch nichts fest. Aber wenn jemand anfragt, warum nicht. Ein, zwei Festivals wären schon schön. Wenn es nicht gerade ein Stadtfest ist…
Ein paar unfertige Songs haben wir auch noch in petto. Ich denke schon, dass wir daran weiter arbeiten werden. Es macht gerade alles ziemlich viel Spaß, und dass ich irgendwann mal wieder ein Interview gebe, hätte ich auch nicht gedacht.
Zum Zeitpunkt des letzten Interviews spielte der 1. FC Nürnberg noch in der 1. Liga, und eine Wahrsagerin hatte zum Ende der Saison den vierten Platz vorhergesagt. Es ging dann doch über die Relegation runter in die zweite Liga. Wie lautet die aktuelle Prognose für den Club?
Schön, dass Du fragst. Ich gehe ab und zu ins Stadion, bin aus der Band aber der Einzige. Nach dem Pokal und der UEFA-Pokal-Saison kam der Abstieg. Unter Hecking hatten wir aber auch noch mal eine schöne Phase. Ich verfolge das ganz genau, aber es nimmt einen auch nicht mehr so sehr mit wie früher. Leider hat sich der 1. FCN inzwischen sehr in der zweiten Liga etabliert, aber es ist immer alles drin beim Club!
Und hier die anstehenden Tourdates:
11.04.23 Ulm – Kradhalle
12.04.23 Mainz – Schon Schön
13.04.23 Hamburg – Hafenklang
14.04.23 Berlin – Festsaal Kreuzberg
15.04.23 Osnabrück – Popsalon Festival
30.04.23 Regensburg – Alte Mälzerei
07.06.23 Stuttgart – Kulturzentrum Merlin
08.06.23 Karlsruhe – KOHI
09.06.23 Essen – Grend Kulturzentrum
10.06.23 Köln – Gebäude 9
03.11.23 München – Milla Club
04.11.23 Leipzig – Institut für Zukunft