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DIE GRÜNE WELLE – „Wir wollten einfach etwas machen, das raussticht, aber trotzdem nach vorne geht“

DIE GRÜNE WELLE bringen frischen Wind in die etwas angestaubte Deutschpunk-Welt. Die Stuttgarter präsentieren auf ihrem aktuellen Album „Wirf dein Leben weg“ eine schwungvolle Mischung aus Punkrock und Deutschrap, die einerseits sehr eingängig ist, zugleich aber auch inhaltlich einiges zu sagen hat. Darüber hinaus bekommen sie auch noch prominente Unterstützung sowohl von WIZO-Frontmann Axel Kurth, als auch von Ruhrpott-Rapper WEEKEND, was als ein weiteres Indiz zu werten ist, dass sich DIE GRÜNE WELLE tatsächlich sowohl in Punk-, als auch in HipHop-Kreisen zu Hause fühlen. Genug Stoff also für ein kleines Interview, welches wir per E-Mail mit Lizzy (Saxophon) und Haiko (Gesang & Bass) geführt haben.

Stellt euch bitte zunächst mal vor! Seit wann gibt es euch und was war eure Motivation, eine Band wie DIE GRÜNE WELLE zu gründen?
Wir sind Lizzy am Sax, Leon am Schlagzeug, Haiko am Bass und Hauptgesang, Alvin spielt Gitarre und singt backing vocals, und Locke rappt und schreit. Die Band gibt es mittlerweile seit fast zehn Jahren, wobei von der ursprünglichen Besetzung tatsächlich nur noch Locke übrig ist. Die Musik von damals ist auch absolut nicht mehr mit dem zu vergleichen, was wir heute machen. Von daher ist die Frage der Motivation der Gründung der Band, die wir heute sind, gar nicht so leicht zu beantworten. Die heutigen Bandmitglieder sind alle mehr oder weniger im (Punk-)Rock verwurzelt, wir wollten einfach etwas machen, das heraussticht, aber trotzdem nach vorne geht.

Bei dem Begriff GRÜNE WELLE denkt man ja zunächst an eine koordinierte Ampelschaltung… Welche Idee steckt eigentlich hinter eurem Bandnamen?
Das hast du schon ganz richtig erkannt, tatsächlich steckt hinter dem Namen die Ampelschaltung, die einem ja in der Theorie freie Fahrt ermöglichen soll. Viele denken aber, wir hätten was mit dem Bündnis 90 zu tun oder würden auf den Roman „Die Welle“ von Morton Rhue anspielen, was aber nicht stimmt.

Ihr vermischt in eurer Musik Punkrock mit Sprechgesang. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, die Musikstile Punk und Rap miteinander zu kombinieren? Gibt es Bands, die euch diesbezüglich beeinflusst haben?
Irgendwie hat sich das von alleine so ergeben. Ursprünglich war die Band ja ein reines HipHop-Projekt, woraus sich dann nach und nach eine Band entwickelt hat, die anfangs eher Ska und Reggae gemacht hat. Mit dem Weggang einiger Bandmitglieder war dann irgendwann nur noch „der harte Kern“ übrig, so dass wir irgendwann Songs geschrieben haben, die einfach sehr viel rockiger waren als davor. Wirkliche Vorbilder hatten wir in diesem Genre, wenn man das so nennen kann, eigentlich nie. Klar haben wir das Rad da nicht neu erfunden, Bands wie ZEBRAHEAD, KRAFTKLUB oder auch RUN DMC vermischen ja auch Rap mit Rockmusik, das feiern wir schon ab, wobei musikalische Vorbilder eher so klassische Bands wie BAD RELIGION, FOO FIGHTERS usw. sind.

Die Raps eures Frontmanns Locke klingen ziemlich professionell, insofern denke ich mal, dass er ursprünglich einen HipHop-Background hat. Spielt ihr gelegentlich auch mit HipHop-Acts zusammen, oder konzentriert ihr euch ausschließlich auf die Punkrock-Szene?
Wie bereits erwähnt hat Locke damals mit unserem ehemaligen Gitarrist erstmal Beats im Wohnzimmer gebastelt und darauf gerappt, insofern kommt er definitiv aus dem HipHop und hat auch die größte Affinität in der Band, was Hiphop angeht. Früher haben wir tatsächlich öfter mal mit HipHop-Künstlern wie z.B. NASOU zusammen gespielt, spätestens mit dem letzten Album hat sich das jetzt aber irgendwie erledigt.

In dem Stück „Dämonen“ habt ihr keinen Geringeren als WIZO-Sänger Axel für einen Gast-Gesangspart gewinnen können und euch damit laut Aussage eures Infozettels einen Kindheitstraum erfüllt. Wie schafft man es, eine solche Szene-Berühmtheit für sein Album zu gewinnen? Schreibt man den einfach an und fragt, ob er Bock hat, oder wie muss man sich das vorstellen?
Das Ganze ist ein bisschen aus einer schwäbischen „Väterleswirtschaft“ entstanden. Unser Bassist Haiko hat vorher mit dem jetzigen WIZO-Schlagzeuger Alex (der übrigens auch viele unserer Videos gedreht hat) in einer Band gespielt. Als dann WIZO einen Backliner für ein paar Festivals gebraucht haben, hat Haiko diesen Job übernommen. So entstand dann auch eine Freundschaft zum Rest der Band. Als es dann klar war, dass wir ins Studio gehen, hat Haiko Axel gefragt, ob er sich ein Feature vorstellen könnte, worauf er dann auch gleich Bock hatte. Ist also gar nicht so spektakulär gewesen, wie man sich das jetzt vorstellt.

In den Texten eurer Lieder geht es oft recht (selbst-)ironisch zu, zugleich behandelt ihr hin und wieder aber auch grundsätzlich ernste Themen wie beispielsweise Wutbürger oder die verlogene Scheinheiligkeit in unserer Gesellschaft. Wie wichtig ist euch persönlich das Vermitteln von Inhalten in eurer Musik?
Gerade bei deutschsprachiger Musik kann man sich ja nicht hinter dem Text „verstecken“, so wie das funktioniert, wenn man als deutsche Band englischsprachige Musik macht. Umso wichtiger ist es für uns, gerade was Positionierung gegen Rechts angeht, klare Kante zu zeigen, ohne jetzt mit dem erhobenen Zeigefinger dazustehen. Ironie ist bei uns irgendwie schon immer das Mittel der Wahl gewesen, weil es auf der anderen Seite auch nicht schadet, sich selbst, was manche Themen angeht, nicht allzu ernst zu nehmen, bzw. das nötige Augenzwinkern die Ernsthaftigkeit betreffend eben auch mal hier und da suchen zu müssen.
Ein interessanter Fakt dahingehend ist übrigens, dass unseren Song „Wutbürger“ manche Leute tatsächlich nicht zu verstehen scheinen, obwohl er überspitzter nicht sein könnte. Wir werfen da ja bewusst mit Plattitüden, die man z.B. so auf diesen Pegida-Veranstaltungen hört, lösen das im Refrain aber schon ziemlich offensichtlich auf. Für manche Leute reichen solche Sätze wie „Wer braucht schon Rechtschreibung und Quellen oder Querverweise für sein wutbürgerliches Meinungsrecht“ und der FCK NZS-Patch auf unserem Plattencover anscheinend nicht aus. Auf Youtube gibt’s da die irrsinnigsten Kommentare zu dem Song. Wer sich aber zwei Sekunden Zeit zur Recherche nimmt, wird schnell feststellen, dass wir uns seit Jahren für „Kein Bock auf Nazis“ oder „Viva con Agua“ engagieren. Ironie ist halt nicht jedermanns Sache.

Auf Youtube findet man eine ganze Reihe Videos von euch, hier scheint ihr folglich relativ viel Aufwand zu betreiben. Welche Bedeutung haben eurer Ansicht nach heutzutage Videos – gerade für junge Bands, deren Bekanntheitsgrad noch überschaubar ist?
Was Videos angeht, sind wir geteilter Meinung. Auf der einen Seite ist es gut, dass Bands wie wir mit relativ geringem Aufwand und Budget gute Videos produzieren können, um die Songs zu promoten und somit eine potenziell große Hörerschaft gewinnen zu können. Heutzutage gibt es ja keine Single ohne Video mehr. Auf der anderen Seite zeichnet sich aber auch ein Trend ab, dass ein Song nur dann auf Youtube relevant ist, wenn das Video exorbitant krass produziert ist., bzw. eine sehr gute Story und somit einen hohen Wiedererkennungswert hat. Da rückt die Qualität der Songs manchmal eher in den Hintergrund.
Selbst wenn man die Klickzahlen der Videos von großen Bands mit denen der gängigen Youtuber vergleicht, sind die Klickzahlen dennoch öfter viel geringer, so dass man sich schon manchmal fragt, ob es das Ganze wirklich wert ist. Frei nach dem Motto „Video killed the radio star“.

Zuletzt wart ihr als Tour-Support von J.B.O. unterwegs und habt somit in ausverkauften Hallen gespielt. Wie seid ihr beim Publikum angekommen, dass bei J.B.O.-Konzerten ja relativ bunt gemischt ist und nicht unbedingt eure klassische Zielgruppe darstellt? Gibt es besondere Anekdoten von dieser Tour, die ihr hier zum Besten geben könnt?
Tatsächlich hatten wir Schlimmeres erwartet, haha. Wir haben uns natürlich im Vorfeld besprochen und auch Erfahrungswerte anderer Bands eingeholt, die durchaus gemischte Gefühle hervorgerufen haben, da das J.B.O.-Publikum, wie du ja selbst sagst, natürlich nicht zu 100% zu uns passt. Das hat sich dann zum Teil auch bewahrheitet, wobei die Resonanz und auch die Merchverkäufe erstaunlich gut waren und wir super viel positives Feedback bekommen haben. Natürlich gab es hier und da mal Buh-Rufe, wir wissen sowas aber ganz gut zu überspielen.
Wir haben irgendwann angefangen, bei unserem Song „Bier gegen Wein“ immer eine Person in den Bühnengraben zu holen, der oder die eine Faxedose während des Songs exen musste. Wer es geschafft hat, hat dann am Merch ein T-Shirt bekommen, das hat das Eis ganz gut gebrochen. Zudem haben wir in jedem Set „Schrei nach Liebe“ gecovert, da hatte man dann auch was zum Mitgrölen, und wir haben unser Statement gesetzt. Betonen müssen wir, dass sowohl die J.B.O.-Crew als auch die Band selbst super lieb zu uns waren und sich mega um uns gekümmert haben.

Vielen Dank dass ihr euch die Zeit genommen habt, unsere Fragen zu beantworten! Any last words?
Kauft unsere neue Platte „Wirf dein Leben weg!“, sie ist sehr gut!

http://www.diegruenewelle.net/

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.