Um an ein Ticket für THE NATIONAL in der Elbphilharmonie zu gelangen, brauchte es Geld oder Glück. Bei ebay und Co wurden die Karten im Vorfeld für mehrere Hundert Euro gehandelt, glücklicher schätzten sich diejenigen, die beim verlosungsartigen Verkauf der Tickets die Glücksfee auf ihrer Seite hatten oder im richtigen Moment auf der Seite der Elbphilharmonie waren, als die letzten Resttickets angeboten wurden.
Ein wenig leichter war es hingegen, bei einem der anderen Konzerte der Dessner-Brüder an Karten zu gelangen. Denn das THE NATIONAL-Konzert bildete quasi den Abschluss des Wochenendes, an dem BRYCE DESSNER unter Beweis stellte, dass er nicht nur als Gitarrist von THE NATIONAL eine gute Figur abgibt, sondern genauso gut klassische Werke für Orchester komponiert und Filmmusik schreibt, wie auch für den Oscar-prämierten Film „The Revenant“. Neben Konzerten zusammen mit den Symphonikern Hamburg und seinem Zwillingsbruder Aaron gab es auch ein Konzert mit dem Ensemble Resonanz, dem Residenz-Orchester des Kammermusiksaals der Elbphilharmonie, das wir als Auftakt für das Konzert von THE NATIONAL besuchten. Leider gab es bei diesem Konzert zwar kein Zusammenspiel zwischen Bryce Dessner und dem Ensemble Resonanz, was sich insgeheim sicherlich der ein oder andere Zuhörer gewünscht hätte, dafür zeigte das Ensemble Resonanz an Stücken von Bach, Steve Reich, Charles Ives und Lutoslawski seine musikalische Vielfalt auf. All diese Komponisten zählt Dessner zu seinen musikalischen Einflüssen, ebenso wie Jerry Garcia, besser bekannt als Gitarrist von GRATEFUL DEAD, von dem er ein Stück solo auf seiner E-Gitarre loopte und aus vielen Einzelparts gekonnt übereinander schichtete. Den Abschluss bildete mit „Aheym“ eine Eigenkomposition von Dessner, die zuvor vom KRONOS QUARTET auf Tonträger festgehalten wurde und mit dem 20köpfigen Ensemble Resonanz seine ganze Dynamik entfaltete. Das lobte auch das Hamburger Publikum mit Standing Ovations, und so hatte dieses Konzert gleich zwei positive Effekte: den Klassikfreunden wurde die musikalische Bandbreite eines Rockgitarristen nahegebracht und die Fans von THE NATIONAL dürften sich nach diesem Konzert sicherlich damit befassen, ein weiteres klassisches Konzert des Ensemble Resonanz zu besuchen.
Zwischen dem Konzert vom Ensemble Resonanz mit Bryce Dessner und THE NATIONAL hatte man noch ein Stündchen Zeit, um vor der Elbphilharmonie etwas frische Luft zu schnappen. Die letzten verzweifelten Kartensuchenden verharrten bis Konzertbeginn tapfer vor Hamburgs neuem Konzerthaus, während die meisten Gäste schon frühzeitig mit der langen Rolltreppe nach oben fuhren, um das Gebäude auch von innen zu bestaunen. Man hatte den Eindruck, dass dieses Konzert auch viele auswärtige Besucher angelockt hatte, oder aber dass viele der anwesenden Gäste die Elbphilharmonie zuvor noch nicht betreten hatten. Jedenfalls war die allgemeine Begeisterung in den Augen der meisten Zuschauer bereits lange vor dem Konzert zu sehen. Vielleicht galt dies aber auch allein der Tatsache, der glückliche Besitzer eines Tickets zu sein.
Unser Platz befand sich leider „hinter“ der Bühne, was bei einem klassischen Konzert wegen des Sounds nicht allzu dramatisch ist, aber bei einem der wenigen „Rockkonzerte“ in der Elbphilharmonie, wo das Konzert ganz klar „nach vorne“ ausgerichtet ist, handelt es sich dabei definitiv um einen der schlechteren Plätze. Dies merkte man bereits beim Opener „Nobody else will be there“ – sowohl bei der Performance der Band, als auch beim Klang. Zwar kontrollierte ein Tontechniker überall im Konzertsaal fortwährend den Sound, der über Lautsprecher eigentlich für eine Rundumbeschallung sorgte, doch fehlten über und hinter der Band irgendwie die Gitarren. Zudem kam hinzu, dass sich nicht jedes Konzert als „Sitzkonzert“ eignet, was dazu führte, dass Zuschauer nach und nach aufstanden, vor ihren Sitzen anfingen zu tanzen, oder aber den Platz komplett verließen, um sich einen besseren Stehplatz zu suchen. Erfreulicherweise hinderte das Saalpersonal das Publikum nicht an seinem Freiheitsdrang, und so entwickelte das Konzert im Laufe des Abends eine ganz eigene, für die Elbphilharmonie recht ungewöhnliche Stimmung. Wer tanzen wollte, tanzte, wer unten vor der Bühne stehen wollte, ging dort hin, und wer Sänger Matt Berninger kennt, weiß, dass es auch ihn nicht allzu lange auf der Bühne hält. So kletterte er über die ersten Sitzreihen, holte während des Konzertes einen Zuschauer auf die Bühne und schleuderte seinen Wodka-Lemon quer durch den Saal. Mag es im Anschluss vielleicht Ärger für die Band gegeben haben, wegen der Verunreinigung der sauberen Elbphilharmonie oder mancher herumgeschleuderter Mikros und Mikroständer: dies ist ein Rockkonzert, und genau eine solche Show hat die Elbphilharmonie an diesem Abend gebraucht.
In der Zugabe wurden dazu passend die RAMONES gecovert, und so störte es auch keineswegs, dass THE NATIONAL plötzlich wie eine lausige Schüler-Punkband an der Rock ‘N‘ Roll Highschool klangen. Nicht besonders gut, dafür aber schön rotzig.
Als Zugabe nach der Zugabe folgte noch das obligatorische, halbakustische „Vanderlyle crybaby geeks“, bei dem das Publikum so laut mitsang, dass man die Band kaum noch hörte.
Ob sich die Elbphilharmonie wirklich für Rockkonzerte eignet, kann nach diesem Abend nicht eindeutig geklärt werden, THE NATIONAL haben jedenfalls das Beste draus gemacht!