Als ich vor dem Hafenklang das Tourplakat mit dem drolligen grünen Männchen erspähte, das fröhlich sein eigenes Gehirn in sich reinschaufelt, musste ich unweigerlich an eine amüsante Szene denken, die sich ein paar Minuten zuvor bei der nur 200 Meter entfernten Großbildleinwand abgespielt hatte. Dort wurde gerade das EM-Spiel Niederlande-Italien gezeigt, und eine Gruppe halbstarker, mit den Niederlanden sympathisierender Pseudo-Gangster lieferte sich ein munteres Verbalgefecht mit einer ca. 15jährigen, pummeligen Italienerin. Als die Niederlande das Führungstor erzielten, brachen bei der jungen Dame endgültig alle Dämme, und während sie abwechselnd die rivalisierende Gruppe und ihre Mannschaft auf der Leinwand aufs Übelste in einem deutsch-italienischen Sprachwirrwarr beschimpfte, rief sie mit ihrem Handy reihenweise Freunde und Verwandte an, auf dass diese bitte vorbeikommen und ihren Widersachern ordentlich auf die Kauleiste hauen mögen. Ein Bild für die Götter. Ob die herbei getrommelte Verstärkung dann tatsächlich noch vorbeigekommen ist und die Kontrahenten mittlerweile mit Betonschuhen versehen auf dem Grund der Elbe liegen, ist mir nicht bekannt, aber Gehirnschwund schien an diesem Abend in Hamburg-Altona irgendwie ein allgegenwärtiges Thema zu sein…
Wie auch immer, wir waren ja nicht wegen Fußball, sondern wegen eines Konzertes da. THE RATS aus Schweden eröffneten den Abend und spielten rasanten Hardcore-Punk mit DISCHARGE-ähnlichen Gitarrensoli. Nicht wirklich überragend und leider auch nicht wirklich zielgruppenkonform… Geschenkt.
Wesentlich spektakulärer waren dagegen schon ZOX, die ich bislang noch nicht kannte. Eine ziemlich abgedrehte Mischung aus Rock, Ska, Reggae und sonstigen Stileinflüssen, die allerdings erstaunlich gut zündet. Allen voran der zweite Sänger mit seiner E-Geige (!) war schon ein Erlebnis und lieferte eine Show ab, die alle Anwesenden restlos überzeugen konnte.
Die meisten der gut 100 Zuschauer waren jedoch wegen THE GASLIGHT ANTHEM gekommen. Als diese letztes Jahr im Vorprogramm von AGAINST ME! in Deutschland waren, dürfte sie hierzulande kaum jemand gekannt haben. Nun sind sie zurück, haben einen Plattenvertrag mit Sideondummy Records im Gepäck und spielten sich zumindest in ihrem Heimatland mit unermüdlichem Rumgetoure bereits in die Herzen zahlreicher Fans. Und scheinbar gewinnt die Band auch hier einen zunehmenden Bekanntheitsgrad, denn das Publikum war zum Großteil nicht nur textsicher, sondern feierte die Songs von dem grandiosen „Sink or swim“-Album sowie der aktuellen EP „Senor and the queen“ gnadenlos ab. Darüber hinaus gab die Band auch erste Kostproben ihres Ende August erscheinenden neuen Albums „The 59 sound“ zum Besten. Ohne Frage: Mit ihrem Mix aus melancholischem Punkrock, Blues-Elementen und American Folk-Einflüssen dürften THE GASLIGHT ANTHEM zu den interessantesten Bands gehören, die die amerikanische Punkrockszene derzeit zu bieten hat. Ich freue mich schon jetzt auf die nächste Tour im November, und ich bin mir verdammt sicher, dass es dann noch wesentlich mehr als 100 Leute sind, die lauthals Textzeilen wie „It’s allright, man – I’m only bleeding, man – stay hungry, stay free and do the best you can“ mitsingen werden.