Im Rahmen unseres Specials zum 20jährigen Sounds of Subterrania-Jubiläum spricht Gregor über seine Special Releases:
Was wird man, wenn man Politik, Philosophie und Soziologie studiert? Es muss nicht zwangsläufig der sagenumwobene Taxifahrer sein, man kann auch einfach ein Label gründen und sich der Aufgabe verschreiben, die aufwändigsten Plattencover der Welt zu gestalten. So findet man im Sortiment von Sounds of Subterrania unter anderem ein 2,2 kg schweres Plattencover aus lasergraviertem Massivholz (LISTENER – „Return to struggleville“) und eine LP mit beiliegendem 680teiligem Lego-Bausatz zum Nachbauen des dazugehörigen Konzertes (THE MONSTERS – „M – Brick version“). Dass dieses Konzept aufgehen kann, belegt die Tatsache, dass wir Gregor Samsa, den Mann hinter Sounds of Subterrania, anlässlich des 20jährigen Labeljubiläums in seiner Wohnung in Stellingen treffen, um mit ihm über die zurückliegenden zwei Dekaden Labelarbeit und die bevorstehende Konzertwoche im Hafenklang zu sprechen. Da neben „Samsa“ noch zwei weitere Nachnamen auf dem Klingelschild zu finden sind, frage ich ihn eingangs, ob er in einer WG wohnt. Nein, er wohne hier nur mit seiner Freundin zusammen, der dritte Name sei sein bürgerlicher Name. Die Wohnung befindet sich nahe dem Volkspark in einem unscheinbaren Neubaugebiet, im Eingangsbereich fällt mir im Dunkeln ziemlich viel buntes Spielzeug auf. Die Frage nach Kindern beantwortet er mit einem klaren Nein. Sie hätten sich als Paar dagegen entschieden, weil seine Labelarbeit auch gar keine Zeit dafür ließe. Und die Figuren im Flur? Ach, das seien Actionfiguren, die er und seine Freundin sammelten. Und im nächsten Moment zeigt er uns voller Stolz einen Kampfroboter der Ashley Wood-Serie, den er aus Amerika importiert hat. Langsam wird uns verständlich, wieso man in der Covergestaltung von Sounds of Subterrania auch immer eine spielerische Komponente entdecken kann. Doch hinter dem Spaß für den Betrachter steckt eine ganze Menge Arbeit. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihm dabei die Holzschiebespiel-Version der MONSTERS („Pop up yours“): „DIY macht vielleicht noch Spaß, wenn man mit Freunden 50 Plattencover zusammenklebt, aber wenn man 1.600 einzelne Holzstücke per Hand in eine Fräsmaschine drücken muss, ist das nicht nur stumpf und monoton, sondern auch schmerzhaft und gefährlich. Das ist mehr als ein Handgriff. Dann hat man eine Potenzierung von Arbeit und sitzt etwa 20 Stunden lang an einer Platte.“ Im weiteren Gespräch erläuterte uns Gregor, wieso er Anarchosyndikalismus als die perfekte Form der Zusammenarbeit ansieht, und dass ihm Kooperationen auf Augenhöhe, gerade auch in Bezug auf seine Labelarbeit, als besonders wichtig erscheinen. Dabei ist ihm die Qualität seiner gestalteten Releases besonders wichtig. „Ich möchte das Beste machen, was möglich ist, und die Leute mit einem Staunen zurücklassen. Und gleichzeitig lerne ich bei der Arbeit etwas dazu. Ich mache das aber auch als Fan von der Band und aus einem ästhetischen Bewusstsein heraus. Letztendlich ist es aber der Zuspruch, an dem ich mich orientiere. Egal, ob das für andere Leute einen Sinn ergibt oder nicht. Für mich macht es das.“
So fordert er von dem Käufer zugleich auch eine Auseinandersetzung mit dem Produkt ein. Bei der Split-Platte von EA80 und HAPPY GRINDCORE („Electro Napalm Hippie Death“) muss sich der Fan zum Beispiel entscheiden, ob er die Hülle aus Zement zerstört, um die Platte hören zu können. Dabei ist jede Veröffentlichung speziell für die jeweilige Band entwickelt worden. „Ich habe keine Schublade voller Ideen, aus der ich mich wahllos bediene. Mir geht es bei jeder Special Edition darum, den Umgang mit der Band hervorheben. Ich erkläre zwar den Bands, was ich mir dabei denke, aber überlasse dem Käufer Raum für Interpretationen. Das Feedback zeigt mir, ob eine Idee aufgegangen ist oder nicht.“ Mit den Special Editions angefangen hat er, als CDs und Vinyl aufgrund des Internets an Bedeutung verloren haben. „Plötzlich spielte das Artwork keine große Rolle mehr. Und weil ich eh nie richtig viele Platten verkauft habe, dachte ich mir: wenn ich sowieso schon Geld verliere, will ich wenigstens schöne Platten gestalten, die mir Spaß machen.“
Dabei sind nicht alle Ideen einfach umzusetzen, aber gerade wenn eine Sache unmöglich erscheint, reizt es ihn umso mehr. Insbesondere zu Beginn des Labels, wo er sich mit seinen Special Releases noch keinen Namen gemacht hat, war es nicht immer einfach. Dies zeigte sich beispielsweise bei der Herstellung der BLUE SCREEN OF DEATH-Platte(„There are just 16 steps down to hell“), die in einer überdimensionalen Diskettenhülle erschien. So lehnten alle Firmen, die mit Plastik arbeiteten, die Produktion wegen zu niedriger Stückzahl ab – bis auf eine. „Sie sagten: ‚Wir machen den ganzen Tag nur Eierbecher. Das ist mal ein geiles Projekt!‘ So zeigte sich, dass es auch hier auf die Inspiration der Leute ankommt, an ungewöhnlichen Dingen mitzuwirken.“
Zwar mögen einige Releases nicht für jeden Fan mit knapper Portokasse erschwinglich sein, aber zugleich erklärte uns Gregor, dass er beispielsweise die Lego-Edition der MONSTERS (210€ + MWSt) aufgrund der kleinen Auflage zum Einkaufspreis weiterverkauft und nichts draufschlägt. Weil es ihm wichtig ist, Sachen zu verwirklichen, ohne dabei kapitalistisch und in Gewinnen zu denken. Weil es in der Kunst darum geht, eine Idee voranzubringen und nicht deren Verwertung wichtig ist. Das ist Gregor in den letzten 20 Jahren definitiv gelungen und wir hoffen darauf, dass sein Ideenreichtum und sein Idealismus auch in der Zukunft nicht nachlassen werden und er uns weiter mit außergewöhnlichen Releases beglücken wird.