Kurz & schmerzlos (April – Juni 2011) – CD-Besprechungen in aller Kürze

Ich bin ja nun wirklich kein Verfechter von Verschwörungstheorien, aber es gibt da eine Sache aus dem Bereich der Lebensmittelindustrie, bei der ich dann doch ein Komplott subversiver Kräfte wittere: Ist euch schon mal aufgefallen, dass es speziell als "Hotdog-Würstchen" deklarierte Fleichereierzeugnisse nur in Gläsern mit jeweils 6 Stück zu kaufen gibt, während Hotdog-Brötchen jedoch lediglich in Vierer- oder Achterpackungen erhältlich sind?! Als Verbraucher hat man somit folglich das Problem, dass man aufgrund des entstehenden Ungleichgewichts zwischen Würstchen und Brötchen gezwungen ist, sich die jeweils fehlende Snackkomponente nachzukaufen, bis man sich schließlich völlig hilflos und überfressen in einem nicht mehr enden wollenden Hotdog-Strudel wiederfindet. Die Folge: Während der Konsument zusehends verfettet, reibt sich die Hotdog-Mafia die Hände.
Schluss damit! Ich beantrage hiermit die Schaffung einer neuen EU-Norm, die eine einheitliche, mengenmäßig aufeinander abgestimmte, Single-Haushalt und Kleinfamilien gerechte Verpackungsgröße für sämtliche Hotdog-Zutaten festschreibt! Bis zu der Umsetzung meiner Forderung verbleibe ich mit freundlichen Grüßen und wünsche viel Spaß mit unserer Rubrik "Kurz & schmerzlos", unserer Kurzreview-Ecke für die Tonträger, die in unserer Redaktion im vergangenen Quartal liegengeblieben sind.

BLACKEST DAWN – "Soulgrinder” (Label: District 763 Records, VÖ 26.04.2011)
(bc) Los geht´s mit Metalcore! In diesem Fall nur leider im Verhältnis 80% Metal und 20% Core. Dass BLACKEST DAWN technisch perfekt sind mag ich gar nicht in Frage stellen, allerdings kann ich dem Sound dieses musikalischen Abrissunternehmens leider nicht viel abgewinnen. Ein paar nette Riffs haben die Jungs zwar auf Lager, aber spätestens bei dem Wechselspiel aus Eunuchengekreische und Death Metal-Gegrunze rollen sich mir die Fußnägel auf. Bei Freunden der härteren Gangart könnte "Soulgrinder" dagegen zünden. (3)
http://www.myspace.com/blackestdawn

CALEYA – "Trümmermensch” (Label: Midsummer Records/Cargo, VÖ 08.04.2011)
(hw) Ich lebe in einer schwarz-grauen, tristen Stadtlandschaft. … und hey, es lohnt sich ohnehin, nicht mehr zu leben. Die ganze Welt ist Kunst. Alles wunderbar, handwerklich sehr gut gemachte Musik. Ich hab nur ein Problem: In dieser Welt will ich nicht sein. CALEYA aus Hamburg präsentieren ein Minialbum, das eine sehr dunkle Seelenecke in Form von emotionalem Hardcore in unserer Landessprache verzweifelt rausschreit. Im Song "Akrasia” blitzt auf, was in dieser Band noch steckt: Nämlich Großes. Nur leider zu wenig davon auf dieser Platte. (4,5)
http://www.myspace.com/caleyaband

CARMA STAR – "Eloquence for the mob" (Label: Czar Of Crickets Productions)
(bc) Alternative-Rock wie aus dem Bilderbuch: CARMA STAR ziehen auf ihrem dritten Album "Eloquence for the mob" sämtliche Register, die dieses Genre auszeichnen. Massive Gitarrenwände, einen ebenso kraftvollen wie melodischen Gesang und ein permanentes Wechselspiel aus lauten und leisen Momenten. Das Ganze selbstredend verpackt in eine Produktion, die dermaßen Fett ist, dass dagegen jedes Stück Butter wie ein Diätprodukt wirkt. Wirklich überzeugen kann mich allerdings nur der Opener "Zelofane", der einem mit seinen extrem treibenden Rhythmus geradezu ins Gesicht springt. Die restlichen Stücke passieren mehr oder weniger unauffällig meine Ohrmuscheln und hinterlassen das dumpfe Gefühl, das alles irgendwie schon mal gehört zu haben. (5)
http://www.myspace.com/carmastarmusic

FACING THE SWARM THOUGHT – "Damnati” (Label: Ampire Records, VÖ: 20.05.2011)
(jg) Im ersten Anlauf kam ich bis zum zweiten Song, im zweiten hätte ich fast das ganze Album am Stück geschafft. FACING THE SWARM THOUGHT machen nämlich eine ziemlich üble Mischung aus Metalcore und Doom – beides gar nicht meine Baustelle. Aber dieses Album ist so konsequent böse, dass es schon fast beeindruckt. Düster wie NEUROSIS, prollig wie PANTERA und mindestens so drop D wie MACHINE HEAD. Und schreien kann der Typ auch. Der totale Abriss!! Bäm! Wahnsinn. (6)
http://www.myspace.com/facingtheswarmthought

HORE – "Distortion" (Label: Artist Station Records, VÖ 29.04.2011)
(bc) Der Bandname HORE steht für "Hangover Rock Explosion". Damit dürfte klar sein, wie hier der Hase läuft: Das Quartett aus Hannover jagt Stoner-Rock, Punk´n´Roll und etwas Grunge durch den Fleischwolf und zimmert daraus ein Album, das man irgendwo zwischen BOOZED und MONSTER MAGNET ins Regal stellen kann. Songs wie "Barbed wire" oder "Tycoon´s last" zeigen durchaus gute Ansätze, doch leider schaffen es HORE nicht, ein konstantes Qualitätslevel zu halten und jubelt dem geneigten Hörer auch die ein oder andere Krücke unter. So bleibt letzten Endes leider nur ein Platz im Mittelfeld der Bewertungsskala. (4,5)
http://www.myspace.com/hangoverrockexplosion

JOHN MAUS – "We must become the pitiless censors of ourselves" (Label: Cargo Records, VÖ 24.06.2011)
(so) Ist es langsam nicht mal gut mit all den 80ies-Wiederbelebern? JOHN MAUS klingt mal wie ein OMD-Abklatsch mit verhalltem Gesang, dann wieder nach BAUHAUS mit Claps. Viel mehr lässt sich zu "We must become the
pitiless censors of ourselves" eigentlich nicht sagen. Die 80er kehren zurück. Nun ja. (5)
http://www.myspace.com/johnmaus

MOTORBEAST – s/t (Promo-EP, Eigenvertrieb)
(bc) Heavyrock gehört zu den Musikstilen, bei dem die Blueprint-Schreiber üblicherweise möglichst unbeteiligt weggucken, sobald entsprechendes Reviewmaterial an den Mann gebracht werden soll. Bleibt die Besprechung dieser 4-Track-EP also wieder an mir hängen, wobei ich unter objektiven Gesichtspunkten eigentlich gar nicht so viel bemängeln kann. Die Österreicher verstehen ihr Handwerk, haben stimmige, groovende Songs im Repertoire und pumpen ihren Sound zum Glück nicht mit irgendwelchem Bombast wie Keyboards o.ä. auf. Und dafür, dass sich die Band erst vor einem Jahr gegründet hat, klingt sie schon äußerst routiniert. Dennoch, mein Fall ist es nicht. (4)
http://www.myspace.com/motorbeastband

P24 – "Lichtjahre entfernt (Single)" (Label: Believe Digital)
(bc) Ich glaube, wenn hier etwas "Lichtjahre entfernt" ist, dann sind es die Musikgeschmäcker von Rico Piller alias P24 und mir. Denn mit seinem sphärischen Elektropop entlockt er mir höchstens ein müdes Schulterzucken. Zu geschmeidig für den Szene-Club, zu knarzig fürs Radio. Und dann gibt es den Track zu allem Überfluss auch noch in drei Versionen…. Der weitere Track "Geh" wirkt zwar weniger penetrant, schlägt ansonsten aber in die gleiche Kerbe. Großartig dagegen folgendes bescheidendes Zitat aus dem Infoschreiben: "Es gab schon immer Leute mit Ideen, die ihrer Zeit voraus waren. Einer hat das Rad erfunden, andere haben das erste Flugzeug gebaut oder wieder andere waren auf dem Mond. P24 hat die Onlinesingle "Lichtjahre entfernt" komponiert." Kein Zweifel, da hat jemand Humor. (2)
http://www.myspace.com/p24music

PERFORMANCE – "Teaser EP" (Label: BMG)
(so) The next big thing von der Insel? Vielleicht. Vielleicht auch einfach nur ein weiteres Beispiel für Ideenklau (BLOC PARTY, OASIS, BLUR, PULP etc. etc. pp.). Gut gemacht, nette Tanzmusik, Britpop. Mehr gibt’s zur "Teaser-EP" von PERFORMANCE nicht zu sagen. (6)
http://www.myspace.com/weareperformance

ROCK´N´ROLL HOTEL – "Out of control (7”)” (Label: Sarpark Records, VÖ 27.05.2011)
(bc) Auf ihrer mittlerweile vierten Single schmeißt uns die musizierende Hamburger Rock-Herberge zwei neue Lieder vor die Füße. Der Titeltrack ist eher Punk-lastig bedient sich an den Hinterlassenschaften der STOOGES und anderer Garagen-Bands. "Lonely love" lässt es etwas ruhiger angehen und entpuppt sich als ruhige, bassorientierte Rock´n´Roll-Nummer. Nicht schlecht, Herr Specht. Wie wäre es denn zur Abwechslung mal mit einem Longplayer?! (6,5)
http://www.myspace.com/rnrhotel

SOFY MAJOR – "Permission to engage” (Label: Bigout Records/Odio Sonoro/Atropine Records/Prototype Records, VÖ: 2010)
(hw) Die französischen SOFY MAJOR legen mit ihrem Debütalbum "Permission to engage” ein schweres Stück Plastik in meinen CD-Player. Beim Opener "Sky silence broken” dachte ich erst, es bleibt tief, langsam und schwer, doch diese Doom-Klischees scheinen sie nur zu gebrauchen, um Schwung zu nehmen. Die nächsten Songs klingen ab und zu für mich sogar ein bisschen so, als hätten PRO-PAIN ihre verspielte Ader gefunden. Noisy, düster und hart – gutes Debüt, allerdings bleiben Highlights aus. (4)
http://www.myspace.com/sofymajor

SOYUZ – " Everybody loves you" (Label: Black Nutria, VÖ: 29.04.2011)
(swi) Die Platte dieser Nord-Italiener hat´s in sich. Im ersten Moment hört sich dieser Alternative Rock an wie JIMMY EAT WORLD, und im nächsten Track denkt man, vor allem wegen der Vocals, an GOOD CHARLOTTE. Treffend beschreiben lässt sich dieses Album als Mix aus allen möglichen Elementen der Rockmusik wie schmissige Gitarrenriffs und eine verraucht-dreckige Leader-Singstimme. SOYUZ bieten hier zwar nichts Neues, aber jede Menge Altbewährtes − und das gefällt! (8)
http://www.myspace.com/thesoyuz

TORPEDO – "We” (Label: Assembly/Rough Trade, VÖ 22.04.2011)
(mm) TORPEDO bieten uns mit ihren Album "We” ziemlich düsteren Synthie-Pop mit einen Hauch Electro. Düster aber doch sehr eingängig, besonders die Songs "Waiting fort the fall" und "Synchronized heartbeats" die einem gar nicht mehr aus dem Kopf gehen. Leider sind es auch die einzigen Highlights auf der CD, der Rest ist gutes Mittelmaß. Das Ganze könnte man als eine Mischung aus BOYTRONIC, BLANCMANGE und den ersten Sachen von THE MISSION bezeichnen. (5,5)
http://www.myspace.com/torpedo

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.