Es hat ein Weilchen gedauert, bis NOT SCIENTISTS bei mir ankamen. Genau genommen war es eher dem Zufall geschuldet: Anfang letzten Jahres sah ich sie im Hafenklang, weil ein guter Freund bei der Vorband spielte. Doch was die Band aus Lyon da auf die Bühne stellte, gefiel mir auf Anhieb – eine ziemlich druckvolle Mischung aus Emocore, Poppunk und einem Hauch New Wave. Offenbar hatte ich sie im perfekten Moment entdeckt, denn die musikalischen Wurzeln à la BLINK-182 und ähnlichen Größen hatten sie zu diesem Zeitpunkt längst abgestreift. Entsprechend mochte ich auch ihr drittes Album „Staring at the sun“ ausgesprochen gern.
Zehn Jahre nach ihrem Debüt erscheint nun das vierte Album „Voices“, auf dem der zuletzt eingeschlagene Kurs konsequent weitergedacht wird. Ein bisschen von allem, was die Band bislang ausgemacht hat, ist hier zu hören – ohne dass sich ein Stil besonders in den Vordergrund drängt. Der Opener „Caught in a web“ erinnert mich an SMALL BROWN BIKE in ihrer späten Phase, während der Vocoder-Einsatz in „End game“ sogar flüchtige KRAFTWERK-Assoziationen weckt. „The city calls“ und „Maze“ liefern eine eingängige Melange aus Emocore und Poppunk, und in „Cul de sac“ zeigen sich NOT SCIENTISTS mit komplexem Schlagzeugspiel und ruhiger Melodieführung von ihrer anspruchsvolleren Seite. ENGINE DOWN? BARRA HEAD? Vielleicht. Die Vielfalt bleibt jedenfalls über das gesamte Album hinweg ein bestimmender Faktor. Der New-Wave-Einfluss ist insgesamt etwas in den Hintergrund gerückt; stattdessen wagt sich die Band vorsichtig in Richtung Elektro. Gleichzeitig wird der ursprüngliche punkige Spirit wieder stärker hervorgehoben – sicherlich auch ein Verdienst von Produzent Santi Garcia, der um die 2000er zahlreiche Emopunk-Bands geprägt hat.
Doch vielleicht tut man NOT SCIENTISTS am Ende Unrecht, wenn man sie allzu verbissen über Vergleiche verortet oder ständig am eigenen Backkatalog misst. Man kann schließlich auch einfach ihre Vielseitigkeit feiern. Denn die kann man ihnen nun wirklich nicht absprechen.