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NEONSCHWARZ – Morgengrauen

Coronaleugner, die sich mit Nazis solidarisieren, ein Angriffskrieg in Europa, rechte Strukturen in der Polizei und nach wie vor der Klimawandel – es gibt aktuell viele Missstände, die man in den Tagesnachrichten verfolgen kann. Umso dringender brauchte es ein neues Album von NEONSCHWARZ – Hamburgs Politrapper No. 1, die das ganze Unheil in gute Texte transferieren.
Und das machen die Schwizzys vier Jahre nach der letzten Platte auf „Morgengrauen“ wieder in unnachahmlicher Art und Weise. In „War was“ wird die Corona-Zeit rückblickend dargestellt. Das Virus hat die Band wegen eines dreijährigen Winterschlafs verpasst, aber hat sich in der Zwischenzeit irgendwas verändert? „In der Freiheit spielen jetzt leider nur noch Nena oder Wendler“ – ein in Ton gegossenes Hamburger Zeitdokument.
In „Hitzefrei“ wird der Klimawandel utopisch (oder realistisch?) im Jahre 2069 skizziert: 100 Tage Hitzefrei, Palmen an der Nordsee, Flamingos an der Alster – und weil das Leben so schön ist, gibt es dazu einen Sekt auf Eis. Und so kriegt auf „Morgengrauen“ ein jeder sein Fett weg. In „Einzelfall“ wird die Bagatellisierung rechter Tendenzen thematisiert, in „Flugmodus“ die Selbstausbeutung ins Popformat gepresst, während in „Nix“ die Abgrenzung der eigenen Band zur mackerhaften Deutschrap-Szene erfolgt.
Klingt nach allzu viel Besserwissertum? Mitnichten. Auf „Morgengrauen“ geht es insgesamt weniger parolenhaft zu als in der Vergangenheit, dafür fallen die Themen wesentlich vielseitiger und die Kritik differenzierter aus. Altersmilde sind NEONSCHWARZ sicher immer noch nicht, ihr Blick wirkt hingegen gereifter und abgeklärter, und dazu passend geht es 2022 auch musikalisch entspannter zu. Vielleicht auch hier eine Abgrenzung zum lauten Deutschrap und der Beleg, dass es eben auch anders geht.