Als HOT WATER MUSIC 2005 ihr letztes Hamburg-Konzert im Knust gaben, saß ich mit flottem Otto zu Hause. Nach zweieinhalb Jahren nun das späte Trostpflaster: CHUCK Knickknack RAGAN auf Solotour mit den Kumpels von MUFF POTTER. Und ich gab mir an diesem Samstag das volle Programm. Das startete nämlich bereits um 18:00 Uhr mit CHUCK RAGAN im Schaufenster des Hamburger Urgestein-Plattenladens Michelle Records, unweit des Vattenfall-Kundencenters, das von einer Meute Ökostrom-Demonstranten belagert wurde, die "Theo, spann den Wagen an" trällerte – so doch nicht! Im gut gefüllten Plattenladen zeigte ein sichtlich Spaß habender Chuck gefühlte 25 Minuten wie´s richtig geht. Größtenteils Songs vom neuen Album "Feast or famine" spielend, Augen geschlossen, so intensiv singend, dass in die erste Reihe spuckend, fast die süße Bühne kaputt gestampft wurde. Hammer! Nur diese dumpfe Martin Klampfe klingt wie mit Watte ausgestopft.
Konzertbeginn auf Knust-Homepage: 21 Uhr. Ankunft ich: 21:10 Uhr. Tatsächlicher Beginn CHUCK RAGAN: 20:30 Uhr. Logisch. Naja, wenigstens gerade noch zwei Lieder genossen, aber ich hatt ja auch schon. Der überdeutlichen Forderung nach einer Zugabe folgend, war er auch hier super, musste diese aber leider ausschlagen, da pünktlich um 23:00 Uhr die Reggaeparty zu starten hatte. Reggae!!! (Vielleicht aber auch anwohnerbedingt). Ach ja, MUFF POTTER haben natürlich auch gespielt. Während bei Michelle noch der überwiegend anwesende, stylesichere, mit Buttons bestückte Röhrenjeans-zu-Chucks-Träger deutlich machte: Szenegeheimtipp, war das Knust bis unter die Decke gefüllt mit einer bunten Melange aus Allem. Normalos, Indiepolizisten, Hurricane-Besuchern, Kiddies. MUFF POTTER sind irgendwie everybody´s darling. Verträumt und verspielt genug für den Emopunk-Liebhaber, ausreichend mitgrölbar für den stumpfen TOTEN HOSEN-Fan, poprockig genug für den Poprocker (kennt noch jemand die Poprocky?), gerade durch die letzen beiden Alben. An mir gingen aber auch diesmal die meisten Songs als zu lala vorbei. Ich wartete vergebens auf "Placebo Domingo", schüttelte den Kopf über die jeden Beat mitmachende Lichtshow – ja, ganz toll, Licht an, Licht aus, Disco, Disco – und beobachtete selbstinteressiert, wie der Hass in mir auf die gleichgültigen Raucher in meiner Umgebung aufflammte. Wie rücksichtslos kann man sein? Ihr seid Schuld, dass der Kommunismus nicht funktioniert. Deshalb genoss ich den Rest der Show im weinger verqualmten Vorraum über Videoleinwand. Bis es mich wieder hineinzog, denn CHUCK RAGAN kam noch einmal auf die Bühne und zelebrierte ein drittes Mal an diesem Tag seinen großartigen Song "The boat", diesmal zusammen mit MUFF POTTER in einer fast noch großartigeren Coverversion (zu hören auf der "Wir covern uns gegenseitig"-Split 7inch, auf der im Gegenzug die RAGANsche Version von "Bring dich doch selbst nach Haus": "See yourself to the door" zu hören ist). Allein dafür hat sich der Abend gelohnt.
Dabei gab´s dann von Nagel zu Recht ´nen dicken Knutsch auf Chucks Wange. Ich, Stufe 0 auf der Alfred Kinsey-Skala, würde diesen Mann auch küssen.