Als ich vor zehn Jahren einen Freund in der Nähe von Los Angeles besuchte, mussten wir neben unzähligen Nationalparkbesuchen natürlich auch einen Abstecher auf dem Coachella-Festival machen. Ein Festival, auf dem sich die Headliner die Klinke in die Hand geben. Aber wer uns im Anschluss ans Coachella am meisten in Erinnerung blieb, waren weder die RED HOT CHILI PEPPERS, noch NICK CAVE, BLUR, PHOENIX, THE XX oder die FOALS, sondern ein regionaler Act aus L.A. mit dem naheliegenden Namen LOCAL NATIVES. Eine Band, die passend zum Sonnenuntergang durch ihren melodieverliebten Indierock und einen feinen mehrstimmigen Gesang bestach.
In Deutschland frönen sie nach wie vor einen Geheimtipp-Status. Ein halbes Jahr nach dem Coachella sah ich ein hervorragendes Konzert von ihnen im alten Molotow, drei Jahre später folgte zur Tour ihres dritten (eher schwachen) Albums „Sunlit youth“ ein Konzert im Uebel & Gefährlich. 2019 sollte mit ihrem bis dato poppigsten Album und einer umfassenden Welttour der endgültige Durchbruch erfolgen, doch in Deutschland spielten sie nur zwei Shows – keine in Hamburg.
Das schien mir jedoch kein Verlust, denn „Violet street“ war musikalisch nur noch minimal vom durchschnittlichen Radiopoprock-Einheitsbrei entfernt und konnte auch in den Charts nicht an vorherige Erfolge anknüpfen.
Vielleicht hatte dies Einfluss auf den Entstehungsprozess zu ihrem mittlerweile sechsten Studioalbum, mit dem sie sich merklich zu ihren Wurzeln rückbesinnen. Was mich sehr freut, schließlich haben die LOCAL NATIVES insbesondere wegen ihres zweiten Albums „Hummingbirds“ (mit dem ich sie entdeckte) auf Lebzeiten bei mir ein Stein im Brett. Eine Platte, die nach wie vor in der Liste meiner All-time faves sehr, sehr weit oben steht. Eröffnet wird das neue Album mit einem Halb-A-cappella-Song, der bereits aufzeigt, dass sie den mehrstimmigen Gesang auch heute noch perfekt draufhaben. Es folgt das wunderschöne „Just before the morning“ – ein Stück, das das relaxte Lebensgefühl in Kalifornien perfekt einfängt und zugleich ausdrückt, wofür LOCAL NATIVES stehen: eingängige Indie-Hymnen zum niederknien! Und so geht es auf diesem Album weiter. „Empty mansions“ hätte man sich auch aus der Feder von PHOENIX vorstellen können, auf „Desert snow“ wird die Lagerfeuer-Akustikklampfe ausgepackt und verleitet zum Davonschweben. „Featherweight“ klingt ähnlich zart, wie es der Titel bereits vermuten lässt, und auch der Rest des Albums dient zum entspannten Abdriften oder zur musikalischen Untermalung einer perfekten Work-Life-Balance. Wahrscheinlich kommt es nicht von ungefähr, dass dieses Album entstanden ist, als einige der Musiker Vater geworden sind, sich in Identitätskrisen befanden und im Leben wieder nach einem Ausgleich suchten. Einzig und allein das Stück „NYE“ tanzt aus der Reihe, das, wie sie selbst sagten, von THE STROKES inspiriert wurde und ähnlich nach vorne rockt, wie es beispielsweise THE CRIBS machen. Auch dies beherrschen die LOCAL NATIVES. Und nun bitte, bitte auch wieder Station in Hamburg machen, denn „Time will wait for no one“!