You are currently viewing LAUTER BÄUMEN – Mieser in den Miesen

LAUTER BÄUMEN – Mieser in den Miesen

Neulich im Stuhlkreis in der 4a:
Die Lehrerin hat soeben das neue Sachunterrichtsthema benannt („Mit dem Fahrrad sicher unterwegs“) und sammelt die größten Gefahren im Straßenverkehr. Ben: „Die Holländer. Die rasen durch unseren Ort! Lebensgefährlich!“.
Basti fühlt sich angesprochen, sieht rot und kann das so nicht stehen lassen: „Eines muss ich klarstellen! Meine Mutter ist zwar Holländerin, aber sie ist als Dreijährige nach Deutschland gekommen – das heißt, sie ist schon viel länger hier als sie in Holland war. UND AUSSERDEM FÄHRT SIE NICHT ZU SCHNELL!“.

Was das mit LAUTER BÄUMEN zu tun hat?
LAUTER BÄUMEN sind wie die Holländer. Sie halten sich nicht an die Regeln.
Die Regel besagt: Ins Radio kommt man mit PUR-Texten zu COLDPLAY.Sounddesigns (zum Beispiel MAX GIESINGER „Wenn sie tanzt“ = PUR „Wenn sie diesen Tango hört“ = COLDPLAY „Adventure of a lifetime“). Die Regel besagt auch: Mit düsterem deutschsprachigem Post-Punk kommt man in die großen Kulturmagazine und in die Formate der Öffentlich-Rechtlichen (KARIES, DIE NERVEN, FRIENDS OF GAS).
Und was machen die Holländer? Sie machen, was sie wollen! Sie wollen nicht ins Radio und nicht ins Kulturmagazin. Und man hört ihnen an, egal wie lange sie schon woanders sind, wo sie herkommen.
Die Kölner LAUTER BÄUMEN kommen aus dem Indie-Rock der 90er Jahre. Tobias Levins legendäre CPT. KIRK & stehen mit ihrem Sprechgesang und Spoken-Words-Soundcollagen Pate, das Ganze klingt ein wenig nach rockigere GRAFZAHL und erinnert an den kreativen Output von DIE GOLDENEN ZITRONEN. Michael Kolepke, Sänger von LAUTER BÄUMEN und Labelchef von TUMBLEWEED RECORDS, schreibt über Selbstreflexion und die Sache mit dem Geld und ihrem Verlauf. Er schreibt über alternative Lebensentwürfe, Illusionen und Phantasmen. Oder so ähnlich – man muss holländisch denken. In „Bessere Zeiten“ klingt das so: „Das sieht ja schon mal alles ganz gut aus. Mein erster Eindruck: ich war auch noch nie hier. An den Wänden, im Gang lauter Bilder, hier sind die Toten fast wieder wie Kinder, ein Baum voller Namen, an die man sich erinnert. Hängst auch mal da, wie die anderen für immer“.
Und im Titelsong „Der Kampf um Struktur, der hört niemals auf. Du weißt, was das heißt. (…) Die verdammten Umwege, die wir so lieben und… bleibt nichts zurück! Nur mieser in den Miesen. Doch was du anfängst, scheint nie verkehrt. Der letzte Lenker, der noch trinkt und fährt“.
Womit wir wieder beim Thema Gefahren im Straßenverkehr wären.

In einer Arbeitsphase trete ich zu Basti und sage ihm: „Meine Mutter ist auch Holländerin… und sie fährt eher zu langsam“. Basti: „Meine fährt immer viel zu langsam, voll peinlich!“. „Gar nicht peinlich“, sage ich.

„Holzbein“ und „Positionslicht“ und „Überall nur Vornamen“ sind weniger spannend.
Songs wie „Hans“, „Teil deiner Liebe“, „Leicht sein“ und „Mieser in den Miesen“ des vorliegenden Debüt-Albums sind ziemlich toll.
Die Münsteraner Vertretung der Blueprint Jury vergibt hier 8 Punkte – das ist ziemlich viel!

Veröffentlichungsdatum: 24.02.2017

Discography:
2014: Ganz weit im Weiß – Doppel-7„ (Staatsakt/ Rough Trade)
2017: Mieser in den Miesen – CD-Album (Tumbleweed/ Broken Silence)

Web:
facebook.com/TumbleweedRecords
facebook.com/lauterbaeumen
lauterbaeumen.bandcamp.com

Jo Rößmann

Weiß nichts, kann aber alles erklären.