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Kurz & schmerzlos (Oktober – Dezember 2020) – CD-Besprechungen in aller Kürze

Vorbei. Das ist wohl das wichtigste Wort, das man für 2020 benutzen kann. Endlich vorbei. Was in diesem Jahr alles an Mist passiert ist, geht auf keine Kuhherde. Und da ist Corona nur ein Faktor von mehreren, zumindest in meinem Leben, aber sicherlich auch bei der einen oder dem anderen von euch. Da ist allerdings auch dieses große Aber, das dieses Jahr mit ausmacht. Denn: Es gab auch unglaublich viele tolle Momente in diesem verrückten, dunklen Jahr (in dem mir erstmals bewusst wurde, dass ich mich als Lehrer täglich mit mehreren hundert Haushalten treffe), die allzu oft unter den Tisch gekehrt werden, obwohl sie eigentlich ins gleißende Scheinwerferlicht gehören.
Jede:r von uns wird gemerkt haben, wie wichtig Menschen in unseren Leben sind. Wie wichtig Nähe in unseren Leben ist. Wie wunderschön das Gefühl ist, dass Freundschaften so manche Hürde zu nehmen in der Lage sind, durch diese Hürden sogar noch großartiger werden, sich festigen und kommen, um zu bleiben. Wir haben alle Erfahrungen gemacht und machen müssen, die sicherlich nicht alle himmelhochjauchzend waren, aber auch dafür gesorgt haben, dass wir die wirklich wichtigen Dinge im Leben mehr und mehr zu schätzen wissen – endlich wieder.
Vorbei. Dieses Jahr 2020, das jede Menge düstere Tiefen hatte, über die wir aber die erhabenen Höhen nicht vergessen dürfen, die das Leben lebenswert machen und für das Weitermachen motivieren.
Vorbei. Das denken wir auch manchmal bei unseren k&s. Doch auch bei ihnen gibt es dieses große Aber. Denn auch hier finden wir Kleinode, die eigentlich ins gleißende Scheinwerferlicht gehören. So ist’s denn auch bei der letzten Ausgabe für dieses Jahr 2020. Auf ein Neues in 2021. Mit hoffentlich mehr Licht für uns alle.

AMILLI – Pulling punches-EP (Label: Mightkillya, VÖ: 02.10.2020)
(jg) Eher selten, dass ich freiwillig „hier“ rufe, wenn es um die Besprechung von R’n’B/Pop geht, doch AMILLI hat mich mit ihrer warmen Stimme sofort gekriegt. Hier klingt auf der einen Seite Soul durch, auf der anderen Seite hat man das Gefühl, AMY WINEHOUSE nach einer durchzechten Nacht singen zu hören. Und die lolitahafte VANESSA PARADIS hört man auch noch heraus. Dass sich hinter AMILLI in Wirklichkeit eine zu Beginn ihrer Karriere 17jährige Bochumerin verbirgt, überrascht dann doch. Perfekte Musik, um sich am Wochenende langsam aus dem Bett zu pellen, um einen Kaffee aufzusetzen und knusprige Croissants aus dem Ofen zu holen. Auf dem charmanten Alínæ Lumr Festival durfte AMILLI übrigens auch schon auftreten – ein Indiz dafür, dass sich nicht nur Radiomusikhörer dafür begeistern können. (7,5)
https://www.facebook.com/officialliamilli/

BEN HARPER – Winter is for lovers (Label: Anti-/Indigo, VÖ: 23.10.2020)
(jg) Den guten alten Ben habe ich schon 1998 in Bonn auf der Osterrocknacht gesehen. War er für viele nicht so etwas wie der WILLIAM FITZSIMMONS der späten Neunziger? Umso überraschter war ich, dass der Kalifornier mit seiner Lap-Steel-Gitarre noch immer aktiv ist. Auf seinem neuesten Album ist er jedoch komplett solo, also auch ohne Backing Band, zu hören. Leider aber auch ohne Gesang, was das Bandinfo als „pur“ und „meditativ“ umschreibt, ich hingegen eher als recht eintönig benennen würde. Und schade ist es noch zudem, wenn man an seine gefühlvolle Stimme denkt, die dieses Album in meinen Augen sicherlich aufwerten würde. Übrig bleibt am Ende nur seine einzigartige Art, Gitarre zu spielen. (4)
https://www.facebook.com/benharper/

BOFFA BLANK – Sega (Label: Cliff’s Edge Records, VÖ: 06.11.2020)
(bc) Das Info-Schreiben versucht zwar, das Solo-Projekt des ehemaligen LEE JAY COP-Frontmanns als Post-Punk anzupreisen, doch ich persönlich würde die Musik von BOFFA BLANK eher als eigenwilligen Indie-Pop mit leichter Vintage-Note interpretieren. Vieles auf „Sega“ wirkt etwas schräg und unvollkommen, aber gerade deswegen möglicherweise auch irgendwie charmant. Es wird viel mit Akustikgitarre gearbeitet, hin und wieder wird’s aber auch mal rockig, wie etwa in „Guess who’s back“. Alles einerseits ganz nett, aber irgendwie auch nicht wirklich zwingend. (5)
https://www.facebook.com/boffablank/

CHUCK PROPHET – The land that time forgot (Label: Yep Roc, VÖ: 21.08.2020)
(bc) Bereits mit seiner früheren Rock-Band GREEN ON RED hatte Chuck Prophet erste Anknüpfpunkte an die Country-Musik. Insofern ist es nicht wirklich überraschend, dass er auch mit seinem Solo-Projekt diesen Weg weiter verfolgt. „The land that time forgot“ vereint Folk, Blues und, wie gesagt, Country zu einem zeitgemäßen Americana-Sound, der trotz seiner Einflüsse eher nach Bay Area, als nach Tennessee klingt. Nicht spektakulär, aber irgendwie angenehm. (6,5)
https://www.facebook.com/chuckprophetofficial/

CONVULSIF – Extinct (Label: Hummus Records, VÖ: 23.10.2020)
(jg) Bei Blueprint gibt es so manche Zuständigkeiten, von denen unsere Leser wahrscheinlich nix ahnen. Liedermacher landen meist auf Ottis Schreibtisch, klassischer Punkrock wird oft an Bernd weitergereicht, Streetpunk an Marcus und Garage Rock gerne auch mal an Ulf. Neben klassischer Musik landet allzu schräger Kram gerne in meinem Briefkasten. Inzwischen bin ich zu so etwas wie dem Hummus-Records-Beauftragten geworden, das mir auf der einen Seite so tollen Abriss-Noise-Core wie COILGUNS bescherte, auf der anderen Seite aber auch so kranken Scheiß wie diese Platte überlässt. In den gemäßigteren Momenten erinnern CONVULSIF an FUGAZI oder klassischen AmRep-Noiserock, aber in den lauten Passagen wird es so lärmig, dass selbst Grindcore noch mal neu definiert werden müsste. Schreit da ein Sänger? Oder hat man hier Field Recordings aus einem Sägewerk mit eingebaut? Ich weiß es nicht. Der Großteil dieser Platte ist selbst mir zu krass. (2,5)
https://convulsif.bandcamp.com/album/extinct

DIE DIE BE – Sym (Eigenvertrieb, VÖ: 27.11.2020)
(bc) In der letzten Ausgabe der „Kurz & schmerzlos“-Rubrik erst hatte unser Schreiber Otti das Album „Secrecy through public disbelief“ des Anacho-Kunst-Projektes DIE DIE BE unter die Lupe genommen und ihnen einen düsteren, experimentellen und mitunter auch anstrengenden Gesamtsound attestiert. Nun legen die Schweizer*innen mit „Sym“ bereits eine neue EP nach, und ich kann mich der Einschätzung meines werten Kollegen nur anschließen. Es brummt und wummert kräftig vor sich hin, knarzige Synthesizer-Klänge dekonstruieren den im Gesang behutsam angedeuteten Pop-Appeal. Wie es bei der Kunst häufig der Fall ist, steht die Attitüde hier vermutlich im Vordergrund. (5)
https://www.facebook.com/bediediebe/

DIRTY SOUND MAGNET – Live alert (Label: Hummus Records, VÖ: 06.11.2020)
(jg) Was tun, wenn man sich für 2020 die Veröffentlichung eines Live-Albums vorgenommen hat, einem dann aber so eine komische Pandemie dazwischen kommt? Die Retro-Rocker von DIRTY SOUND MAGNET haben kurzerhand eine Live-Session ohne Publikum aufgenommen, was sinnvoll ist, da sich ihre Songs in einem ständigen Entwicklungsprozess befinden und sich die Live-Versionen durch Improvisationen erheblich von den ursprünglichen Stücken unterscheiden. Hier wird ausgiebig das Wah-Wah-Pedal getreten und Soli in ungeahnte Längen ausgedehnt – aber leider klingt der Aufnahme-Saal eben doch recht leer. Dafür kann die Band natürlich nichts, aber es ist am Ende so ähnlich wie Fußball ohne Fans: kann man machen, ist aber nicht vergleichbar. (5,5)

ENIGMA EXPERIENCE – Question mark (Label: Fuzzorama Records, VÖ: 13.11.2020)
(bc) Das muss man sich erstmal trauen: ENIGMA EXPERIENCE platzieren direkt am Anfang ihres Albums einfach mal ihr längstes Lied in Form eines elfminütigen Song-Monsters. Damit dürfte klar sein: Wer hiernach immer noch weiter hört, der findet definitiv Gefallen an dieser Mischung aus Retro-Rock und Grunge, zu dessen Umschreibung klangvolle Namen wie ALICE IN CHAINS, PRIMUS und SOUNDGARDEN herangezogen werden können. (6)
https://www.facebook.com/EnigmaExperienceBand/

ENRICO DEGANI / FABRICIO MODONESE PALUMBO – Time lapses (Label: Auand Records, VÖ: 20.11.2020)
(jg) Ob der hier beteiligte Komponist und seine Mitstreiter „Time lapse“ eher als ein klassisches Musikalbum oder als Kunst ansehen, bleibt offen. Im Bandinfo wird von neuharmonischer post-tonaler Musik und mitwirkenden Musikern aus der Avantgarde- und experimentellen Jazzszene gesprochen. Klingt bedrohlich? Mitnichten. „Time lapse“ wirkt tatsächlich eher wie Musik im Zeitraffer – mehr Klangschale als Lärm. Etwas aus dem Programm fällt die leicht verdrogt wirkende Coverversion von JUDY GARLANDs „Over the rainbow“ als Opener. Ansonsten rauscht „Time lapses“ fast unauffällig am Hörer vorbei. Wahrscheinlich ist diese Form der Musik tatsächlich besser zur musikalischen Untermalung eines Filmes geeignet als separat gehört zu werden (4)
https://www.facebook.com/enricodeganiofficial/

FARATUBEN – Sira Kura (Label: Sounds Of Subterrania, VÖ: 13.11.2020)
(jg) Die Absicht von Gregor Samsa, den westeuropäischen Hörern ferne Klänge näherzubringen, quasi über den Tellerrand zu hören, ist sicherlich löblich. Dass das malisch-dänische Ensemble dabei keinen typischen Afrobeat zu uns herüberträgt, den man inzwischen immer häufiger hört, sondern sich sogenannter „Bobo Music“ verschrieben hat, die zu „dancing and drinking“ einlädt, macht die Sache umso abwechslungsreicher. Tatsächlich versprühen FARATUBEN auf „Sira kura“ dank vieler Percussions ganz schön viel Dynamik, die sie teils mit antirassistischen Texten kombinieren. Auf dem Überjazz könnte ich mir dies durchaus gut vorstellen. Aber letztendlich stelle ich fest, dass sich meine persönlichen Hörgewohnheiten doch noch ziemlich weit weg von Weltmusik bewegen. (6)
https://www.facebook.com/FARATUBEN/

FLOR AND THE SEA – Kings & queens (Label: Eigenregie, VÖ: 06.11.2020)
(so) Das nächste Pop-Album, das aus der Kombination meist dumpfer Beats und einer halbwegs guten Stimme besteht. Würden sich FLOR AND THE SEA zwischendurch mal auf ihre hervorstechenden Eigenschaften konzentrieren, was meist die Eröffnungsphasen der Songs sind, so könnte sicherlich der ein oder andere packende Song dabei herauskommen. So aber versinkt „Kings & queens“ einfach zu häufig im Sumpf der überbordenden Beats, wird allzu oft zu nichtssagender Hintergrundmusik. Warum muss Popmusik oft so anstrengend sein? Der Titeltrack verhindert jedoch noch das Schlimmste. (3,5)
https://www.facebook.com/florandthesea

FULL HOUSE BREW CREW – Bare knuckle (Label: Rock Of Angels Records, VÖ: 27.11.2020)
(bc) Die Cover-Abbildung deutet es bereits an: Hier gibt es auf die Fresse! Die FULL HOUSE BREW CREW spielen Heavy Rock mit eindringlichem Schlagzeugspiel und düster-fetten Gitarrenriffs. Insgesamt eher groovy als krawallig, aber dennoch mit der Durchschlagskraft eines jungen Rocky Balboa. Dass die Griechen auch mal einen Gang zurückschalten können, beweist derweil ein Song wie „Buried hope“, der eher in die Alternative-Rock-Richtung geht, aber im Endeffekt nicht stellvertretend für „Bare knuckle“ ist. (7)
https://www.facebook.com/fullhousebrewcrew/

HAT CHECK GIRL – Kiss me quick (Label: Eigenregie, VÖ: 18.09.2020)
(so) ANNIE GALLUP und Peter Gallway haben sich unter dem Namen HAT CHECK GIRL zusammengefunden, um ein kleines Album aufzunehmen. Und herausgekommen ist ein Album mehr im Meer der Songwriter-Alben, das sehr vom amerikanischen Folk geprägt ist, die Steelguitar darf natürlich nicht fehlen. Musikalisch werden die Weiten des Wilden Westens in den Gedanken der Hörer:innen erzeugt, das gelingt eigentlich ganz gut, ist aber nun auch nicht unbedingt neu. Die beiden Stimmen ergänzen sich zu einem warmen Duett, das das Album doch ein wenig über die Wasseroberfläche schauen lässt. Größtenteils aber einfach ein weiteres Songwriter-Album mit amerikanischen Wurzeln. (5)
https://www.facebook.com/hatcheckgirlmusic

HECKSPOILER – Synthetik Athletik (Label: NOise Appeal, VÖ: 10.07.2020)
(bc) Der Albumtitel lässt es bereits erahnen: HECKSPOILER machen mit „Synthetik Athletik“ auf ziemlich dicke (Jogging-)Hose und verpassen der Hörerschaft die volle Dröhnung Noise- und Stoner-Rock. Das Besondere daran ist, dass die beiden Ösi-Asis dies mit herzhaftem Humor und in feinstem Wiener Schmäh tun, wobei sie es sich bei allem Schabernack auch nicht nehmen lassen, sich klar gegen dumme Nazifressen zu positionieren („Ned wie Du“). Wer DYSE oder DxBxSx mag und sich auch nicht von Dialekten abschrecken lässt, wird an HECKSPOILER möglicherweise Gefallen finden. (6,5)
https://de-de.facebook.com/heckspoiler/

HULKOFF – Pansarfolk (Label: Faravid Recordings, VÖ: 06.11.2020)
(bc) Aus Schweden erreicht uns hier zur Abwechslung mal kein Folk-Pop, sondern Folk-Metal! Genauer gesagt fabrizieren HULKOFF einen ziemlich wuchtigen Industrial-Sound, der mit mittelalterlichen Folklore-Elementen gekreuzt wurde, und irgendwie muss ich beim Hören von „Pansarfolk“ hin und wieder auch an eine skandinavische Version von RAMMSTEIN denken. Das Interessanteste an diesem Doppel-Album ist jedoch, dass beide CDs im Endeffekt die gleichen Songs enthalten, wobei diese allerdings einmal auf Schwedisch und einmal auf Englisch eingesungen wurden. (6)
https://www.facebook.com/hulkoff

JAMIE LENMAN – King of clubs (Label: Big Scary Monsters, VÖ: 25.09.2020)
(so) Manchmal denke ich beim Hören von “King of clubs” doch tatsächlich an RAGE AGAINST THE MACHINE oder sogar PEARL JAM. Das sind die guten Momente, in denen ich dann auch denke: Yeah, geiles Ding! Und dann gibt es die doch leider deutlich überwiegenden Momente, in denen ich einfach nur „Warum?“ denke – und damit zumeist das furchtbare Geschrei meine, das ja irgendwie dazugehört, ich weiß. Aber da gibt es nun einmal Größen, die doch ein paar Stufen höher stehen und es auch verdienen. JAMIE LENMAN ist so ein bisschen wie viel Lärm um nichts. Oder wie sagte Jens doch so treffend? Irgendwie geil, irgendwie aber auch nicht. Das trifft es gut. (5)
https://www.facebook.com/jamielenman

JOHANNES DEES – Move on move on (Label: Eigenregie, VÖ: 27.11.2020)
(jg) Was kommt heraus, wenn ein Dichter zusammen mit einem Gitarristen, einer Schauspielerin, einem Chansonnier, einem Elektro-Free-Jazzer und einem Percussionisten ein gemeinsames musikalisches Projekt startet? Ein ziemlich schräges Album, das zwischen Rilke, HipHop. EBM, Sitarklängen, deutsch-englischem Dialogen und 80er Synthie-Pop hin und her pendelt. Könnte spannend sein, nervt aber gewaltig. Außer man steht auf sehr experimentelle Kunst oder empfindet Dadaismus als sinnstiftend. Ob JOHANNES DEES damit wirklich den Nerv der Zeit und die Seele des Menschen trifft, wie er es selbst großspurig ankündigt, wage ich arg zu bezweifeln. (2)
https://www.facebook.com/Johannes-Dees-820616001289878/

KYASMA – The party is over (Label: Eigenregie, VÖ: 06.11.2020)
(so) Der Titeltrack ist KYASMA ganz hervorragend gelungen. Eine fast gespenstische Spannung, die sich immer mehr und immer stärker aufbaut, bis sie gegen Ende dann doch zum Ausbruch gelangt, obwohl zu diesem Zeitpunkt eigentlich die Party schon vorbei sein soll. Ab diesem Song allerdings drohen KYASMA zusehends, sich in ihrem eigenen Soundgewirr aus Pop mit arabischen Einflüssen und Synthesizern zu verlaufen, ohne wirklich den Ausweg zu finden. So wechseln sich dann spannende, innovative Tracks wie „Last wish“ mit eher 08/15-Nummern wie „Playing with my mind“ ab. Könnte ich mir aus „The party is over“ eine 5-Track-EP basteln, wäre ich mit dem Ergebnis sicherlich zufriedener. Allerdings würdest du vielleicht genau die anderen fünf wählen? Wer weiß. (5)
https://www.facebook.com/Kyasmaofficiel

LAVALLE – Fade out-EP (Label: Randomfleet, VÖ: 16.10.2020)
(jg) Ja, ja, ich weiß. Die ollen Haudegen von Blueprint wollen immer physische Tonträger haben, obwohl das ja schon längst nicht mehr angesagt ist und sich die digitale Bemusterung verstärkt durchsetzt. Wenn mich nun allerdings ein Label per handgeschriebener Postkarte auf ein neues Release aufmerksam macht, finde ich das schon irgendwie charmant und weise deshalb in unseren Kurzreviews sehr gerne auf diese EP hin. Zumal Antoine Laval, der sich hinter LAVALLE verbirgt, hier schön klingenden Modern Classic mit Abschweifungen in die elektronische Musik zelebriert und sich außerdem zum Pop bekennt, der den Hörer letztlich abholt. Für Fans von NILS FRAHM und JAMES BLAKE sehr empfehlenswert. (7)
https://lavallemusic.bandcamp.com/

MARIE CHAIN – Freedom (Label: Motor, VÖ: 13.11.2020)
(so) Der Opener ist richtig interessant, aber leider nur gut eineinhalb Minuten lang. Danach wird „Freedom“ einfach ein Pop-Album, das sich gerne in den Charts, aber nicht in meiner Musiksammlung tummeln darf. Langweilige Beats treffen auf eine ordentliche, teils wirklich gute Stimme und lassen die musikalischen Vorbilder aus den Fünfziger/Sechziger-Jahren nicht wirklich zu Wort kommen, werden diese doch allzumeist vom dumpfen Beat übertönt oder unterdrückt. Hierzu kann man bestimmt hervorragend Aperol Spritz trinken und an der Bar quatschen, wenn es denn mal wieder erlaubt sein wird. (3,5)
https://www.facebook.com/mariechainmusic

MILO MILONE – s/t (EP) (Label: Popup Records, VÖ: 16.10.2020)
(jg) Ich finde es schon faszinierend, wie manche MusikerInnen mit unterschiedlichen Bands die verschiedensten Stile beackern und dies durchaus überzeugend. Erinnert sich noch jemand an die THRASHMONKEYS? 60s-Garage-Rock mit einem Schuss Poppunk aus Norddeutschland. Daraus sind irgendwann RHONDA hervorgegangen, die sich eher am Retrosoul à la AMY WINEHOUSE und DUFFY orientierten. Mittlerweile ist Sängerin MILO MELONE nach Los Angeles gezogen und veröffentlicht hiermit ihre erste Solo-EP, die tatsächlich nach 70s-California-Summer-Feeling klingt. Jetzt fehlt nur noch ein Cadillac Eldorado, um damit über den Pacific Coast Highway entlang der Küste von Kalifornien zu cruisen. (6,5)
https://backl.ink/142617988

NEÁNDER – Eremit (Label: Through Love Records, VÖ: 09.10.2020)
(jg) Post-Hardcore, Post-Punk, Post-Rock, Post-Grunge, Post-Metal… Man kann bei diesen ganzen neuen alten Stilen mit demselben Präfix schon ziemlich durcheinanderkommen, welche Musikrichtung nun eigentlich gemeint ist. Und doch ist es einleuchtend, wenn man NEÁNDER dem Subgenre „Post-Metal“ zuordnet, da hier die Metal-Wurzeln eindeutig herauszuhören sind, auch wenn sie sich inzwischen irgendwo zwischen Doom, Ambient und Black Metal bewegen. Verglichen mit Post-Rock ist die Musik von NEÁNDER wesentlich düsterer, der Gesamtsound massiver, sind die Instrumente tiefer gestimmt – selbst wenn man ebenfalls auf den Gesang verzichtet, was im Post-Rock ja häufiger vorkommt. Passend dazu hatten hier diverse Bekannte ihre Finger mit im Spiel (Produktion: Jan Oberg (EARTH SHIP) und Christoph Barthelt (KADAVER), Mastering: Magnus Lindberg (CULT OF LUNA)) Mir persönlich trotz allem zu metallastig und deshalb nicht wirklich meine Baustelle. (6)
https://linktr.ee/neandereremit

NICHOLAS MERZ – God won’t save you, but I will (Label: Aagoo Records, VÖ: 09.10.2020)
(so) NICHOLAS MERZ zeigt mit “God won’t save you, but I will“, wie einfach es doch gehen kann, ein schönes Songwriter-Album zu schreiben. Gute Texte, gute Ideen – und schon kannst du das Ganze aufnehmen und rausbringen. Nein, NICHOLAS MERZ erfindet auch die Musik nicht neu. Braucht er auch nicht, da die Ideen, die er in die Songs einfließen lässt, ausreichend sind, um überzeugend zu sein. Zudem ist „God won’t save you, but I will“ auch noch abwechslungsreich und treibt zwischen Folk, Pop und auch ein bisschen Psychedelic fröhlich pendelnd vor sich hin. Zum Mittreibenlassen. (6,5)
https://nicholasmerz.bandcamp.com/

PANAVISCOPE – Like the sun (Label: How Bad Pretty Bad Records, VÖ: 23.10.2020)
(jg) Zuletzt habe ich ganz schön viele Bands aus der Schweiz besprochen. Weiter oben findet ihr die Rezension von CONVULSIF, hier geht es zum neuen Album von TIMOTHY JAROMIR, und fast hätten es auch PANAVISCOPE aus Genf zu den richtigen Rezensionen geschafft. Hinter PANAVISCOPE steckt der Multiinstrumentalist Alex Duloz, und auf „Like the sun“ bringt er tatsächlich in der Winterzeit recht verträumten Indiepoprock in die hiesigen Wohnzimmer und lässt dabei an einen Roadtrip an der kalifornischen Westküste denken. Ein bisschen Seventies Pop von den BEACH BOYS, eine Prise WHITEST BOY ALIVE, etwas Casio-Pop – wenn da bloß nicht wahlweise so viel Falsett-Gesang oder Autotune wäre… (5,5)
https://www.facebook.com/panaviscopemusic/

PINA JUNG – Wuwei! (Label: iMusician, VÖ: 16.10.2020)
(so) File under: Anstrengende, künstlerisch bestimmt wertvolle Musik. Es tut mir ja immer leid, aber solche Alben (oder, wie in diesem Fall, EPs), die ihr Hauptaugenmerk auf Kunst (mit großem Ausrufezeichen dahinter) legen, können mich einfach nicht überzeugen. Das ist bei PINA JUNG nicht anders. Klar, man kann da ohne Probleme von „Ausnahmekünstlerin“, „eigenen Soundwelten“ oder „absoluter Präsenz“ sprechen. Alles bestimmt richtig, auf ne Art. Aber wenn zu einem Album auch gleichzeitig noch eine Performance und ein Kurzfilm geplant sind, dann schreit das für mich eben dieses Kunst!-Bild. Ich glaube, ich bin für solche Musik nicht intellektuell genug. Tut mir leid, erneut. (3,5)
https://www.facebook.com/pinajung-103448481525032

QONIAK – Mutatio (Label: Hummus Records, VÖ: 18.10.2020)
(jg) Wahnsinn, wie mich diese Platte nervt! Das ist wahrscheinlich gar nicht so ungewollt, QONIAK haben die Konfrontation quasi schon mit eingeplant. Entweder es gefällt, oder man hasst es eben. Dabei liegen mir wilde Genre-Mischungen ja durchaus. Doch was Vincent Membrez (Synthies) und Lionel Friendli (Drums) ihren Instrumenten entlocken, zerrt schon arg an der Belastungsgrenze. Zwischen Math Rock, Casio-Pop, Free Jazz und Techno haben sich hier zwei ehemalige Musikstudenten wiedergefunden und sprengen zusammen nun jegliche Formate. Wer zum Einschlafen gerne MR. BUNGLE, GTUK oder WEEN hört, könnte hier durchaus fündig werden. Aber ich bin da mal raus. (2)
https://www.facebook.com/qoniakmusic/

RASMUS BLOMQVIST – Columbia Road (Label: Eigenregie, VÖ: 25.09.2020)
(so) Singer/Songwriter aus Schweden gibt es ja nun wirklich viele. Richtig viele. Und auch richtig viele gute. RASMUS BLOMQVIST schafft es nicht ganz in die Spitzengruppe, dümpelt ein bisschen im Mittelfeld herum. Das liegt teilweise daran, dass er Wert auf Disharmonien legt, die nicht für alle das Richtige sind. Teilweise auch daran, dass ihm die besonderen, ein Alleinstellungsmerkmal erzeugenden Ideen abgehen, die so viele andere mitbringen. Wenn er sich auf Althergebrachtes bezieht, so kopiert er hier eher, als neu anzumischen. „Mountain song“ ist hier eine der wenigen Ausnahmen. Ein Album im gesicherten Mittelfeld. (5)
https://www.facebook.com/ramiandthewail

ROLF BRENDEL – Vergessene Helden (Label: Eigenregie, VÖ: 02.10.2020)
(so) Jetzt, nachdem sich ja auch schon NENA an den seltsamen Ausführungen zur Coronakrise beteiligt und Likes von XAVIER NAIDOO abgreift, fällt es natürlich umso schwerer, vorurteilslos das neue (erste?) Album von ROLF BRENDEL anzuhören. Der ehemalige Schlagzeuger und Bandbiograph der NENA-Band gönnt sich ein eigenes Album. Und es ist ein ziemlich deutlicher Blick in den Rückspiegel in Richtung NDW, mit ihren ernsten und fröhlichen Seiten. Geht es textlich mal um Gesellschaftskritik („Blaues Eis“), wird es leider auch schnell zu gewollt wichtig und – die Jugend würde sagen – cringy. Positiv fallen hingegen die „echten“ NDW-Songs auf, zu denen die teils doch arg limitierte Stimme Brendels auch besser passt. Lutz Fahrenkrog-Petersen hat sich als Produzent diesem Album angenommen, gute Freunde halten zusammen. Der Sinn des Ganzen erschließt sich mir nicht.
https://www.facebook.com/profile.php?id=100007313745258

SELFLESS ORCHESTRA – Great barrier (Label: Stock Records, VÖ: 23.10.2020)
(jg) Vor ein paar Wochen gab es mit „Parasomnia“ mal wieder einen sogenannten „Grusel-Tatort“ auf ARD mit untoten Toten. Zu diesem Tatort hätte auch perfekt der Soundtrack vom SELFLESS ORCHESTRA gepasst, den sie auf „Great barrier“ praktizieren. Hier klingen die Stücke zum Teil wie die Vertonung einer Teufelsaustreibung, mitunter aber auch wie Mittelalter-Rock, wenn sich die Geige wie eine folkloristische Fidel anhört. Zwar zelebriert das zehnköpfige Ensemble aus Australien mit „Bleached“ und „Eden is lost“ auch schöne Postrock-Stücke, die man sich ähnlich auch von Bands wie EXPLOSIONS IN THE SKY und GODSPEED! YOU BLACK EMPEROR vorstellen könnte, aber insgesamt überwiegt doch der viel zu pathetisch ausgerichtete bereits erwähnte Mittelalter-Rock. (5)
https://www.facebook.com/SelflessOrchestra/

TWENTY YEAR SHORT BREAK – Play / Pause / Play (Label: Finestnoise, VÖ: 06.11.2020)
(so) Ja, die Geschichte hinter TWENTY YEAR SHORT BREAK ist niedlich und herzerwärmend. Die beiden Herren, die damals, vor eben zwanzig Jahren, mal gemeinsam Musik gemacht, das dann aber wieder aufgegeben haben. Und nun für ihre Kinder eine Erinnerung an diese Zeit schaffen wollen, zeigen, was sie gemeinsam auf die Beine stellen können. Leider ist das, was dabei herumkommt, nicht mehr als ein nichtssagendes Rockalbum, das auf den Klischees reitet wie auf dem Bullen in der Kneipe, eines an das andere reiht und dadurch schon fast peinlich wirkt. Manchmal sind die Entscheidungen, die man vor langer Zeit getroffen hat, gar nicht unbedingt die schlechtesten. Nett gemachtes, nicht benötigtes Klischeerockalbum. Danke. (2)
https://www.facebook.com/20ysb

VOLSTER – Arise (Label: Rock Of Angels Records, VÖ: 13.11.2020)
(bc) VOLSTER bestehen zwar im Endeffekt nur aus zwei Leuten, aber diese lärmen mindestens für fünf. Die beiden Schweden liefern auf ihrem zweiten Album „Arise“ eine Mischung aus Melodic Hardrock und Progressive Rock ab, wobei der Gesang auch stellenweise sehr an die allseits bekannten britischen Power Metal-Bands der späten Achtziger / frühen Neunziger Jahre erinnert. Wer so etwas mag, wird an VOLSTER vermutlich auch Gefallen finden, meine Tasse Tee ist es hingegen eher nicht. (5)
https://www.facebook.com/volsterband

WIESNER – Seelenlotterie (Label: Spinnup, VÖ: 16.10.2020)
(bc) Der Titel „Seelenlotterie“ ließ mich zunächst Düster-Pop-Rock der Sorte UNHEILIG vermuten, aber damit lag ich falsch. Stattdessen könnte man WIESNER eher in der Deutschrock-Schublade verorten, wobei der Multi-Instrumentalist von fast schon in die Metal-Richtung tendierenden Hardrock-Songs bis hin zu unerträglich schmalzigen Piano-Balladen eine erstaunliche Vielseitigkeit an den Tag legt. Spötter könnten gar behaupten, dies sei so ein potentielles Album, das der stereotypisierte BÖHSE ONKELZ-Fan seiner Mutti zu Weihnachten schenkt, doch soweit möchte ich an dieser Stelle nicht gehen. Dass ich persönlich mit dieser Art von Musik allerdings rein gar nichts anfangen kann, möchte ich an dieser Stelle jedoch auch nicht verhehlen. (3,5)
https://www.facebook.com/wiesnerrock

WITCHRIDER – Electric storm (Label: Fuzzorama, VÖ: 13.11.2020)
(jg) Bezeichnete man ihre Musik als Retro-Rock, würden die Jungs von WITCHRIDER sicherlich verächtlich die Augenbraue heben. Wobei der Bandname und das Label eigentlich suggerieren, dass es sich hierbei um Fuzz bzw. Stoner Rock handelt, was ja irgendwie retro ist. Aber ich meine hiermit vielmehr die Stile Grunge und Alternative Rock, die inzwischen ja auch schon rund 30 Jahre in der Vergangenheit liegen. Daran erinnern mich die Rocker von WITCHRIDER am meisten, und ich bin selbst überrascht, wie erstaunlich antiquiert mir diese Musik 2020 schon vorkommt. Wer aber nach wie vor gerne PEARL JAM, ALICE IN CHAINS und ähnliche Helden von damals aus dem Plattenregal hervorzieht, kann den Grazern ja mal ne Chance geben. (3,5)
https://www.facebook.com/witchriderband/

Simon-Dominik Otte

Mensch. Musiker (#Nullmorphem). Schauspieler (#BUSC). Rezensent (#blueprintfanzine). Come on, @effzeh! AFP-Fan. (#Amandapalmer). Lehrer. Und überhaupt. Und so.