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Kurz & schmerzlos (Januar – März 2024) – CD-Besprechungen in aller Kürze

Die Klassen in unserer Schule sind grundsätzlich immer laut. Die eine mehr, die andere weniger. Da könnte man meinen, es sei doch ziemlich egal, in welche Klasse man geht, es ist ja immer unruhig. Stimmt, aber stimmt nicht. Im 10. Jahrgang, wo ich derzeit vor allen Dingen arbeite, gibt es himmelweite Unterschiede zwischen laut und laut. In die eine Klasse gehe ich nicht mal zur 3. Stunde gerne, da sie regelmäßig bis zu 20 Minuten zu spät kommen („war viel los in der Kantine“) und dann noch einmal 10 Minuten diskutieren möchten, ob denn nun wirklich gearbeitet werden muss. Okay, in vier Wochen sind Prüfungen, aber was soll’s? In die andere Klasse gehe ich sogar in der 7./8. Stunde noch gerne, weil sie so nett (aber natürlich auch unruhig) und zugänglich ist, man mit ihr arbeiten kann und die Schüler:innen auch noch über ein gutes Maß an Humor verfügen, so dass wir zwei konstruktive und spaßige Schulstunden verbringen können, obwohl es auch hier um die Prüfungsvorbereitung geht. Aus dieser Klasse gehe ich immer mit einem Lächeln. Nun, was soll das ganze Gerede denn bitte mit unseren k&s zu tun haben? Eine Menge. In das eine Album höre ich gerne länger und öfter rein, in das nächste dann nur sporadisch und oberflächlich, obwohl beide doch auch laut sein können. So gibt es Musik, die für die einen Ohren besser und solche, die für die anderen Ohren besser ist. So wie es Klassen gibt, die mehr für diese Lehrkraft und solche, die mehr für jene Lehrkraft gemacht sind.
Also: Viel Spaß mit den Klassen unserer Stadtteilschule „kurz und schmerzlos“.

COOGANS BLUFF – Balada (Label: Noisolution, VÖ: 26.01.2024)
(jg) Ich habe die Band COOGANS BLUFF immer der Stoner Rock-Ecke zugeordnet. Das muss noch an den Anfangstagen liegen, die aber inzwischen mehr als 20 Jahre in der Vergangenheit liegen. Doch spätestens mit dem Wechsel zu Noisolution vor 12 Jahren öffneten die Leipziger ihre Türen auch in Richtung Jazz, Funk und Soul. Die stilistische Vielfalt haben sie seitdem beibehalten und sogar noch ausgeweitet. Auf der neuen Platte höre ich außerdem noch Americana, relaxten Blues à la G. LOVE & SPECIAL SAUCE, Psychedelic, Indie, fast musicalhafte Popsongs und Barjazz heraus. Eigentlich könnte man die Band blind auf jedem Festival spielen lassen. Schließlich dürfte hier für jeden etwas dabei sein. Und gute Stimmung verbreitet ihre Musik außerdem noch!
https://coogansbluff.de/

CUAREIM QUARTET – A jazz story (Label: Art Melodies, VÖ: 23.02.2024)
(jg) Der Albumtitel könnte ein wenig in die Irre führen. Denn mit klassischem Jazz hat das Streichquartett aus Uruguay nur bedingt zu tun. Stattdessen begibt man sich auf eine musikalische Zeitreise. Ich höre hier neben Kammermusik auch Swing aus den Vierzigern, heitere Klänge aus dem Balkan und Lateinamerika und im abschließenden „Echoes of New Orleans“ auch eine Reminiszenz an Louis Armstrong heraus. So belegen die Uruguayaner eindrucksvoll, dass Streicherquartetts nicht ausschließlich Kammermusik machen müssen. Kein Wunder, dass ihr Debütalbum von einer argentinischen Zeitung zum Album des Jahres gekürt wurde.
https://www.cuareimquartet.com/

DRIVE MOYA – The great end (Label: Noise Appeal Records, VÖ: 09.02.2024)
(jg) Die drei Wiener von DRIVE MOYA scheinen die ganz große Geste zu mögen und außerdem den Indie/Alternative, wie man ihn Ende der Neunziger/Anfang 2000er gerne gehört hat. Zu Beginn ihrer neuen Platte kommen mir Bands wie EDITORS, INTERPOL und THE NATIONAL in den Sinn, manchmal sogar DEPECHE MODE. Etwas später fühle ich mich mehr an Emorock erinnert, wie man ihn auch von NEWENDORIGINAL, ONELINEDRAWING oder RIVAL SCHOOLS kannte. Das alles mit sehr viel Gefühl – auch daran zu erkennen, dass gleich in drei der neun Songtiteln das Wort „Heart“ vorkommt („Your heart will never burst“, „This grey heart“ und „Lonesome heart“). Im abschließenden fast neunminütigen „Ante valdemar roos“ wird noch etwas in der Shoegaze-Schublade herumgewühlt. Für meinen Geschmack hätte etwas weniger Pathos dem Ganzen ganz gut getan.
http://drivemoya.com/

FAYE WEBSTER – Underdressed at the symphony (Label: Secretly Canadian, VÖ: 01.03.2024)
(jg) Man hört die Anfänge des neuen Album von FAYE WEBSTER, und man hat sich sofort unsterblich in diese sanfte, leicht rauchige Stimme verliebt, die immer wieder „I’m thinking about you“ singt. Hach, kann das Leben schön sein! Dazu Indiepop-Klänge, begleitet von zarten Gitarren und einem BEN FOLDSschem Klavier. So kann es weitergehen, und so geht es zunächst auch weiter. Bis es nach und nach immer radiotauglicher und langweiliger wird. Warum man die schöne Stimme der Amerikanerin schließlich noch per Autotuning künstlich verfremden muss, bleibt mir ein Rätsel. Wahrscheinlich, weil die Verkaufscharts es so vorgeben. Schade drum.
https://www.fayewebster.com/

HOT GARBAGE – Precious dream (Label: Exag‘ Records, VÖ: 19.01.2024)
(jg) Heutzutage ist alles Post-Punk oder Dreampop – zumindest wenn es nach der Kategorisierung von Bandinfoschreibern geht. Dabei höre ich zum Beispiel bei HOT GARBAGE aus Toronto viel mehr Psychobilly à la THE CRAMPS heraus oder eine Mischung aus Noise und Shoegaze, wie man es auch von LOVE 666 und Konsorten kannte. Düster geht es hier auf jeden Fall zu, und dass Graham Walsh (u.a. METZ, PREOCCUPATIONS) seine Finger an den Reglern im Spiel hatte, lässt sich in Sachen Lärm auch erahnen. Vielleicht kann man hier sogar noch etwas Psychedelic im Stil von MONSTER MAGNET zu „Spine of god“-Zeiten und auch etwas IGGY POP heraushören. Post-Punk aber so gar nicht.
https://hotgarbagemusic.bandcamp.com/album/precious-dream

JENNIFER PORTER – Yes, I do! (Label: Cougar Moon Music , VÖ: 02.02.2024)
(jg) Das Info ordnet die Amerikanerin JENNIFER PORTER zwischen 70s Memphis Soul, Roots Music, Boogie Woogie und Blues ein und zitiert als Referenzen so große Namen wie CAROL KING und NORAH JONES. Ich könnte mir als potenzielle Location aber auch genausogut ein Western-Festival in Buxtehude vorstellen. Oder die Hochzeit nebenan. Ähnlich müssen sich auch Jonnie Schulz, Ted Memphis, Digger Barnes und Butch Meier gefühlt haben, als sie als No Names versuchten, die beste Country-Band aller Zeiten zu werden und auf kleinen Truckertreffs in der norddeutschen Provinz landeten. Da helfen auch die zahlreichen wirklich namhaften Gäste nichts, die hier zusammen mit JENNIFER PORTER aufspielen.
Ich muss aber fairerweise auch gestehen, dass mir dieses Genre absolut fremd ist und ich mich dort so gar nicht zu Hause fühle. Sorry!
https://jenniferportermusic.com/

KATE CLOVER – The apocalypse dream (Label: SVR, VÖ: 05.04.2024)
(bc) Auch wenn der Albumtitel anderes erwarten lässt, zeichnet sich die Musik von KATE CLOVER in erster Linie durch Unbeschwertheit aus: Auf „The apocalypse dream“ pendelt die Kalifornierin zwischen 70er Jahre Punk und Power-Pop und hat dabei so manche Ohrwurm-Melodie auf Lager. Songtitel wie „No more romance“, „Damage control“ oder „I don´t care“ sind dennoch eindeutige Indizien dafür, dass inhaltlich auch Themen wie Politik oder Selbstzerstörung eine Rolle spielen. Womit der Albumtitel dann letztendlich doch wieder Sinn ergibt.
https://www.kateclover.com

KENNEDY ADMINISTRATION – Second term (Label: Leopard, VÖ: 22.09.2023)
(so) Okay, es ist ziemlich cool, dass „Outro“ einer der beliebtesten Songs von KENNEDY ADMINISTRATION auf Spotify ist. Das hat irgendwie was. Auch „Second term“ hat irgendwie was, nur nicht so recht für mich, was mal wieder an der Musikrichtung liegt. In den besten Momenten erinnert dieses Pop-Funk-Album an MADONNA in ihren frühen Tagen, in den allerbesten gar an PRINCE. Doch diese Momente sind für mich zu selten gesät, als dass mich „Second term“ wirklich überzeugen würde. Es erinnert sehr stark an die 80er, diese Rap-Samples waren irgendwann mal in, oder? Wer also mal wieder eine kleine Zeitreise machen möchte, dürfte mit KENNEDY ADMINISTRATION richtig liegen.
https://www.kennedyadministration.com

LADY PSYCHIATRIST´S BOOTH – Four research porpoises only (Label: Eigenregie, VÖ: 29.09.2023)
(bc) Hm, seltsam… Irgendwie ist die Musik dieser vier Ladies zwar schon eindeutig Americana- und Country-basiert, zugleich klingen sie aber stellenweise auch wie eine moderne und (im positiven Sinne) durchgeknallte Pop-Band. Fast so, als wollten sie den Country konterkarieren… Macht überraschend gute Laune!
https://www.ladypsychiatristsbooth.com

LA NEFERA – C’est ca! (Label: Eigenregie, VÖ: 01.03.2024)
(bc) Dem Begriff „Weltmusik“ haftet ja oftmals ein etwas muffiger Beigeschmack an. Dass man die Klänge unterschiedlicher Kulturen jedoch auch in moderner Form miteinander verschmelzen kann, stellt die Künstlerin LA NEFERA mit ihrer gleichnamigen Band unter Beweis. Hier fließen Einflüsse aus HipHop, Afrobeat, Latinsound oder Jazz ineinander über und geben ein überaus abwechslungsreiches, zugleich aber auch tanzbares Gesamtbild. Den Song „Aqua“ könnte man mit seinen harten, verzerrten Gitarren auch ebenso gut in die Crossover-Schublade einordnen. „C’est ca!“ sprengt nicht nur in musikalischer Hinsicht Grenzen, sondern hat mit seinen sozialpolitischen und empowernden Texten auch eine inhaltliche Strahlkraft – zumindest für diejenigen, die der spanischen Sprache mächtig sind.
https://www.lanefera.ch

LEON MURPHY BROCK & ENSEMBLE MUSIKFABRIK – Bad Doberan & Elsewhere (Label: Yatak Record, VÖ: 26.01.2024)
(jg) Ich weiß nicht warum, aber neuerdings werden bei mir auf facebook ständig Beiträge mit einem Bezug zu FRANK ZAPPA angezeigt. Vielleicht stecken auch Zuckerbergs Algorithmen hinter dieser Bemusterung, jedenfalls haben wir es hierbei tatsächlich mit einem ehemaligen Mitmusikers von Zappa zu tun, und bei dieser Platte handelt es sich um einen Konzertmitschnitt der Zappanale 2019 in technisch und spielerisch perfekter Qualität. Natürlich ist das Nerdmusik. Aber wem klassischer Jazz zu altbacken, QUEEN zu poppig, Prog-Rock zu langatmig und der typische Big Band-Sound zu strukturiert ist, wird hier seine reinste Freude haben.
https://www.musikfabrik.eu/de/klang-bild/cds/frank-zappa-bad-doberan-elsewhere/

POPSTAR – Obscene (Label: Eigenregie, VÖ: 12.04.2024)
(bc) Nicht ins Bockshorn jagen lassen: Mit Popmusik hat diese Veröffentlichung entgegen des Bandnamens mal rein gar nichts zu tun. Vielmehr lassen sich POPSTAR in den Gefilden Metal, Industrial und Post-Hardcore verorten. Stellenweise wirkt das Duo aus Minneapolis auf mich, als würden sich AT THE DRIVE-IN auf einem Crystal Meth-Trip befinden und versuchen, wie THE PRODIGY zu klingen. Vier spannende Lieder, deren durchschlagende Wirkungskraft sich aber vermutlich vor allem live entfaltet.
http://popstarbandus.bandcamp.com

SONS OF ALPHA CENTAURI – Pull (Label: Exile On Mainstream, VÖ: 28.03.2024)
(jg) Das ist schon interessant: da ist eine britische Band bereits seit 2001 mit einer Mischung aus Post-Rock, Post-Metal und Stoner Rock rein instrumental unterwegs, und dann zaubern sie zwanzig Jahre später plötzlich einen Sänger hervor, bei dem es sich um keinen geringeren als Jonah Matranga handelt, der um die Jahrtausendwende herum mit bedeutenden Emo-Bands wie NEWENDORIGINAL, FAR und ONELINEDRAWING aktiv war. Hinzu kommt ein neuer Drummer, der zuvor u.a. bei der Postcore-Band WILL HAVEN aktiv war. Die Kombi passt so gut, dass nun mit „Pull“ bereits das zweite Album in gleicher Konstellation erscheint und mich an eine schöne, wenngleich etwas aus der Zeit gefallene Alternative Rock-Mischung aus Bands wie TOOL, QUICKSAND und HANDSOME erinnert. Welcome back to the 90s!
https://sonsofalphacentauri.bandcamp.com/

SRDJAN IVANOVIC – Modular (Label: Rue Des Balkans, VÖ: 16.02.2024)
(jg) Ein Album, wo im Opener eine Flöte als melodieführendes Instrument im Mittelpunkt steht, gibt es bei blueprint auch nicht allzu oft. Dabei ist Srdjan gar kein Flötist, sondern Schlagzeuger und in dieser Funktion mit den diversesten Ensembles schon quer durch die Welt gereist. Auf seinem neuen Album vermischt er mit seinem Quartett östliche Rhythmen aus seiner Heimat, dem Balkan, mit westlichen Hörgewohnheiten aus den Genres Jazz und Big Band. Das Ergebnis klingt zwar ungewöhnlich, aber auch überraschend fresh und nicht im Ansatz angestaubt.
https://srdjanivanovic.bandcamp.com/album/modular

THE LAST HURRAH (!!) – Modern Nostalgia (Label: TBC Records, VÖ: 27.10.2023)
(so) Ich möchte für THE LAST HURRAH (!!) den Begriff Plätschermusik prägen. „Modern Nostalgia“ tut nämlich genau dies: Plätschern. Dieses Album kann ganz gemütlich im Hintergrund laufen, es tut niemandem weh, verlangt nicht zu viel Aufmerksamkeit, um der Musik folgen zu können. Mastermind Hans Peter Gundersen schwelgt dabei in Erinnerungen (Nostalgia, sic!) an vergangene Bands, Stile und Einflüsse, die melancholisch an die 70er zurückdenken lassen. THE LAST HURRAH (!!) sind so etwas wie FLEETWOOD MAC in langsamer. Das ist gut gemacht, haut mich aber nicht um.
https://thelasthurrah.bandcamp.com/album/modern-nostalgia

VOYAGER X – Magic (Label: Dr. Music Records, VÖ: 22.03.2024)
(jg) Manchmal wundern wir uns in der Blueprint-Redaktion schon, wie unendlich groß das Budget mancher Promoagentur zu sein scheint, bzw. wie wenig sie vorab selektieren, welche Magazine sie mit welcher Musik bemustern. Ansonsten hätte ihnen auffallen dürfen, dass es seit Andreas Schab (also seit ca. 10 Jahren) keinen Metal-Fan mehr unter unseren Schreibern gibt. Wer aber Lust auf klassischen Heavy Metal / Melodic Rock im Stil von JUDAS PRIEST und IRON MAIDEN (präziser kann ich es leider nicht einsortieren) hat, oder regelmäßig aufs Wacken Open Air geht, kann hier ja mal reinhören.
https://voyager-x.de/

Simon-Dominik Otte

Mensch. Musiker (#Nullmorphem). Schauspieler (#BUSC). Rezensent (#blueprintfanzine). Come on, @effzeh! AFP-Fan. (#Amandapalmer). Lehrer. Und überhaupt. Und so.