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Sandra Weitl-Ott – „Slow sucks – Mark Foggo´s life of Ska“ (Buch)

MARK FOGGO liebt nicht nur Ska, sondern er lebt Ska. Seit über 55 Jahren macht der Engländer Musik, und spätestens seit 1979 mit dem Durchbruch von Bands wie THE SPECIALS, BAD MANNERS oder THE BEAT ist er dem 2-Tone-Sound verfallen. Die Münchnerin Sandra Weitl-Ott wiederum liebt die Musik von MARK FOGGO und hat daher beschlossen, ein Buch über ihn zu schreiben. Deshalb hat sie sich in den Flieger gesetzt und ist nach Thailand geflogen, wo der zum Erscheinungszeitpunkt dieses Buches 71jährige aktuell seinen Lebensmittelpunkt hat. Herausgekommen ist eine Mischung aus Biographie, Reisebericht und einer Beleuchtung seines umfangreichen musikalischem Schaffens. Wobei der Begriff Biographie eigentlich falsch gewählt ist, denn Foggos Privatleben wird in „Slow sucks – Mark Foggo´s life of Ska“ lediglich oberflächlich beleuchtet. Hier spielt sicherlich mit rein, dass er die Fähigkeit besitzt, negative Erlebnisse komplett aus seinem Gedächtnis zu streichen, wie auch die Autorin ein wenig resigniert zu Protokoll gibt.

Zugleich bietet jedoch gerade dieser Hang zur Verdrängung negativer Realitäten und Erfahrungen einen Erklärungsansatz für seine Charakterzüge: Auf der einen Seite der extreme Hang zum Versprühen von Spaß und guter Laune, für die auch seine Live-Auftritte berüchtigt sind. Er selbst sagt dazu: „Ich versuche immer, alles von der heiteren Seite aus zu betrachten. Meine Einstellung zum Leben ist, nichts ernst zu nehmen. Ich lese, höre und verfolge Dinge, aber dann versuche ich immer, Humor daraus zu machen, etwas Leichtes“. Ein anderer Aspekt ist, dass Foggo Lebensabschnitte stets als Phasen begreift, die nicht von Dauer sind und die er immer wieder kompromisslos zu beenden bereit ist, wenn es ihm richtig erscheint. Dies erklärt nicht nur eine Vielzahl an „verschlissenen“ Mitmusikern, sondern auch zahlreiche Wohnortwechsel (unter anderem hat er längere Zeit in den Niederlanden gelebt, wo er auch seine bekannteste Begleitband SKASTERS gegründet hat) sowie diverse abgebrochene Beziehungen, aus denen unter anderem drei Kinder hervorgegangen sind. Etwas detailreicher werden hingegen die ebenfalls vorhandenen Tour-Anekdoten geschildert, wie etwa die Geschichte von einem Auftritt in England, bei dem die Band mit Biermarken für die Bar bezahlt wurde, da der Promoter zuvor mit der Gage durchgebrannt ist.

Auch wenn es in der Natur der Sache liegt, dass die Autorin sich schwer tut, die Fan-Rolle zu verlassen, hätte dem Buch meines Erachtens etwas mehr kritische Distanz zum Erzähler oder zumindest gelegentliche Kontextualisierungen einiger Aussagen gut getan. Als Beispiel hierfür sei Foggos freimütiges Bekenntnis aufgeführt, beim EU-Austrittsreferendum im Jahr 2016 für den Brexit gestimmt zu haben. Nicht nur, weil seine Begründung, dass die EU „die Identitäten seiner Mitgliedsstaaten weitestgehend ausgelöscht“ hätte, bei genauerer Betrachtung ziemlich paradox erscheint, da der Brexit diese Entwicklung (sofern seine Schlussfolgerung tatsächlich zuträfe) ja nicht wieder rückgängig macht – sondern auch weil ich persönlich die Notwendigkeit sehe, solche Aussagen in einen Kontext zu setzen. Denn selbst wenn hinterher geschoben wird, dass er sich „nicht mit rechtsgerichteten Spinnern, die den Brexit aus völlig falschen Gründen herbeigeschrien haben“ identifiziert, so wäre doch zumindest die Nachfrage angebracht, ob diese beschworenen falschen Gründe nicht tatsächlich realen Schaden anrichten können beziehungsweise ob er mit seiner Stimmentscheidung nicht rückblickend betrachtet genau diese falschen Personen samt ihrer falschen Gründe unterstützt hat. Aspekte wie etwa die mittlerweile belegte Einflussnahme Russlands auf die Abstimmung oder auch die Tatsache, dass die rechtspopulistische, vor allen durch rassistische und islamfeindliche Hetze in Erscheinung getretene UKIP-Partei Urheber der Brexit-Pläne war, werden demzufolge komplett ausgeblendet. Durch diese unkritische Wiedergabe wird somit eine von Beginn an mit gezielter Desinformation unterfütterte, rechtspopulistische Kampagne bagatellisiert, die längst als Blaupause Einzug in die Playbooks zahlreicher rechter Parteien in anderen Ländern gefunden hat.

Aber möglicherweise erwarte ich in diesem Punkt auch einfach auch zu viel von einem Buch, das in erster Linie einen Menschen und sein musikalisches Schaffen porträtieren soll. Auch wenn „Slow sucks – Mark Foggo´s life of Ska“ diese Herausforderung nicht vollumfänglich meistert und zudem mit ein paar kleineren redaktionellen Fehlern behaftet ist (so dürfte es sich etwa bei dem MISFITS-Sänger, dem Foggo im Jahr 2005 beim With Full Force Festival begegnet ist, aus naheliegenden Gründen nicht um Glenn Danzig, sondern um Jerry Only gehandelt haben), bietet es durchaus kurzweilige Unterhaltung und beantwortet auch die finale Frage an Mark Foggo, ob er sich irgendwann einmal zur Ruhe setzen möchte, in fast schon erwartungsgemäßer Weise: „Das ist erst der Anfang! Ich werde mit meiner Band weitermachen, bis ich sterbe. Ich werde niemals aufhören!“. Somit wäre das immerhin vollumfänglich geklärt.

Verlag: Verlag Mirko Schmidt
Seiten: 188 Seiten
ISBN: 978-3-9804009-3-0

https://www.edition-noname.de

Bernd Cramer

Konzert-Junkie & Vinyl-Liebhaber. Schreibt über Musik, ohne zu Architektur zu tanzen.