!!! – Über Scheiß-Punk-Clubs mit mieser PA

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Auf dem Dour-Festival ist musikalisch so ziemlich jede Sparte vertreten. Und genau deshalb passen !!! alias CHK CHK CHK auch so gut dorthin, da sie sich ja auch nicht so einfach einer bestimmten Schublade zuordnen lassen. Mit „Louden up now“ gingen !!! musikalisch eher einen Schritt zurück und entfernten sich somit bewusst von der momentan doch noch recht angesagten Post-Punk-House-Scene um Bands wie THE RAPTURE, HOT HOT HEAT, FRANZ FERDINAND und Konsorten. Stattdessen tendierte man mit dem aktuellen Album mehr in Richtung New Wave und ließ Rock Rock sein. Grund genug also, um mit der Band mit dem komischen Namen ein paar Wörtchen über die Wurzeln, den Umzug nach New York und den Hype um die Szene zu wechseln. Und wer eignet sich dazu besser als Nic Offer, Sänger und provokante Hauptfigur der achtköpfigen Formation? Auf seine Rolle in der Band angesprochen, streitet er die Vormachtsstellung seiner Person jedoch dezent ab: „Wir sind alle gleichberechtigt, und so entstehen die Songs auch als Gesamtwerk der Band. Zwar arbeiten einige mehr und andere weniger, aber ich sehe mich keineswegs als Anführer der Band.“ Clever, clever. Dennoch fällt ihm die besondere Aufmerksamkeit zu, da er sich über konventionelle Formen hinwegsetzt und den Gesang zu einem nicht geringen Teil durch merkwürdige Geräusche und obszöne Laute ersetzt. Der Grund dafür ist jedoch eher banal: „Früher haben wir immer in Scheiß-Punk-Clubs mit einer miesen PA gespielt, wo man eh nichts verstehen konnte. Deshalb habe ich den Fokus auf die Rhythmus-Sache gelegt. Außerdem möchte ich durch meinen Gesang mehr das Adrenalin und die Kreativität eines Live-Gigs widerspiegeln.“ Und Lyrics gibt es schließlich trotzdem noch – nach Nics Einschätzung immerhin zu 70%. Viel wichtiger für ein Venue sei hingegen ein guter Sound. Und so ist ihm auch egal, ob sie in einem Club oder, wie heute, draußen auf einer Festival-Bühne spielen. „Ich habe mich hier noch gar nicht umgesehen. Ich hoffe, die haben keine Probleme mit dem Wind.“ Dass die Menge tanzt, ist da schon bedeutender: „Auf jeden Fall. Eine Riesenshow, wo keiner tanzt, sucked! Dann regen wir uns auf der Bühne wirklich auf.“ Rhythmus oder Musik? Für eine Sache entscheiden mag er sich dennoch nicht. „Was ist Dir wichtiger ‚Peace or Love’? Beim Jammen starten wir mit dem Rhythmus, aber die Melodie kommt anschließend genauso hinzu. Die Musik wird für den Club und nicht für’s Radio gemacht, deshalb liegt ein großes Augenmerk auf dem Groove. Hits zu schreiben lernen wir noch, während der Groove von allen beherrscht wird.“ Und am Spaß an den Liveshows liegen auch die Ursprünge der Band „Vor !!! war ich in einer Punkband namens THE YAH MOS – sehr energisch und experimentell, aber hauptsächlich punkig. Im Sommer bevor wir !!! starteten, gründeten wir eine Disco-Cover-Band, woher auch die Inspiration kommt. Auf der einwöchigen Tour stellten wir fest, dass die Disco-Sachen lustig zu spielen waren, und dass alle tanzten. Deshalb stellten wir uns die Frage: warum keine eigenen Sachen?“ Und so wurde aus Spaß Ernst und aus einer losen Formation schließlich !!!. Die ersten Jahre feilte die Band noch an ihrem Sound und spielte auf Hauspartys bei Freunden, bis 2001 endlich das unbetitelte Debüt erschien. Dieses wurde von der Presse bereits mehr als wohlwollend aufgenommen und legte die Messlatte für weitere Veröffentlichungen sehr hoch. Auf die Frage, ob die Band wegen des Hypes sehr unter Druck stand, antwortet Nic, dass man die ganze Sache recht realistisch sah: „Klar, gab es Druck – für einige mehr, für andere weniger. Ich machte mir weniger Sorgen, da das Album schon seit langer Zeit halb fertig war. Aber keiner von uns war wirklich mit dem ersten Album zufrieden und keiner mit der Giuliani-EP. Und wir wussten, dass wir es noch besser machen können als auf den beiden Sachen.“ Und so warf man alle Erwartungen der Medien über Bord, indem man den bisherigen Stil teilweise über Bord warf, und sich nunmehr statt an THE RAPTURE und GANG OF FOUR an New Wave und den 80ies orientierte. Die Veränderung fand dabei sowohl bewusst als auch natürlich statt. „Es waren 3-4 Jahre seit der letzten Platte vergangen. Von daher ist es klar, dass man sich verändert. Andererseits wollten wir uns aber auch etwas von den anderen Bands abheben.“ So wäre auch denkbar, dass !!! mit der nächsten Platte wieder zum Punk zurückkehren, zumal neben dem Dance auch immer die LoFi-Seite durchscheint. Diese Idee hält Nic dennoch nicht für wahrscheinlich. „Ich kann’s mir momentan nicht vorstellen, da Punk für uns momentan das Uninteressanteste und Einfachste ist, was wir machen könnten. Es ist wie etwas, was einem in der Schule beigebracht wurde. Dance und Pop finden wir da spannender. Aber vorauszusehen ist das nie.“ Die trashige Seite von !!! habe auch weder mit den Punkwurzeln zu tun, noch sei sie Attitüde: „Wir haben damit zu kämpfen, weil wir so perfekt und tight klingen wollen, wie’s nur geht. Aber dann sind die Live-Shows wieder so trashig, und die Leute scheinen das zu mögen. Deshalb lassen wir schon etwas Punk und Trash hindurchschimmern.“
Dance ist hingegen ein Grundpfeiler in der Musik von !!!. Und CHIC scheinen dabei keinen geringen Einfluss ausgeübt zu haben. Auf CHIC angesprochen, platzt die Begeisterung aus Nic heraus wie aus einem kleinen Kind: „Weißt Du was? Ich habe erst vor kurzem die Hand von Nile Rodgers (Gittarist von CHIC; Anm. d. Verf.) geschüttelt. Eigentlich mach ich so was nie, aber ich traf ihn im März auf einem Festival und sah ihn gerade aus dem Fahrstuhl kommen und dachte nur ‚Verdammte Scheiße!‘ Ich MUSS mit ihm sprechen. Da habe ich ihm zu unserer Show eingeladen und ihm erzählt, dass wir diese Band ihretwegen gegründet haben. Aber ich glaube nicht, dass er uns gesehen hat, da sie fünfzehn Minuten nach uns auf die Bühne mussten.“ Bei einem so eindeutigen Bekenntnis scheint der Umzug der Band von Sacramento nach NY nicht unbedingt auf die dortige Szene zurückzuführen zu sein, die sich zu diesem Zeitpunkt dort entwickelte. Oder doch? Immerhin gründeten sich 1998/99 in New York Bands wie RADIO 4, THE RAPTURE und LE TIGRE. „Zur Zeit, als wir nach New York siedelten, waren dort zwar schon THE RAPTURE angesagt, aber wir kamen eigentlich, wegen der dortigen HipHop-Szene und weil alle sagten: ‚Kommt, hier geht noch gar nix; ihr könnt hier was reißen!’. Außerdem kommen MADONNA, SIMON AND GARFUNKEL und SONIC YOUTH alle aus New York. Es scheint tatsächlich ein magischer Platz zu sein, aber die so genannte „Szene“ war nicht der Grund. Ich lebte schon seit einiger Zeit in NY, bis mich jemand anrief und ein Interview über die dortige Szene machen wollte. Meine Antwort damals: ‚Ähm…, OK…!’“ Und was routiert bei Nic zu Hause auf dem Plattenteller? „Absolut alles – nicht nur Dance. Ich mag alles, was funky und verrückt ist. Und Soul, Disco, R n’B…“
Bei einem so breiten musikalischen Spektrum bieten sich Festivals wie das Dour ja geradezu an, erkundet zu werden. Doch dazu fehlt leider die nötige Zeit. „Morgen haben wir eine Radioshow bei BBC, und deshalb fahren wir heute Nacht schon weiter nach London. Aber ich hoffe, dass hier vorher noch was geht!“