KETTCAR aus Hamburg waren gerade auf einer Vier-Tages-Tour mit TOMTE, am Sonntag spielten sie zusammen mit den sympathischen Kanadiern von den WEAKERTHANS einen Gig im Hamburger Schlachthof. Soeben haben sie eine EP mit vier Liedern in Eigenregie veröffentlicht und testen das Material nun live. KETTCAR spielten einen wunderschönen Gig, und man sah überall nur lächelnde Gesichter. Lag es am Heimvorteil in Hamburg, an der Tatsache, dass Reimer und Marcus von KETTCAR früher bei RANTANPLAN bzw. …BUT ALIVE gespielt haben oder daran, dass KETTCAR einfach gute Musik machen?
Ich fand euren Auftritt sehr schön. Wie fandest du denn euer Konzert heute Abend?
Super. In Hamburg ist es voll Hölle. Man kennt ganz viele Gesichter. Ich bin dann natürlich sehr aufgeregt, weil ganz viele Leute zuschauen, die man kennt. Ich spiele eigentlich lieber vor Leuten, die man nicht kennt. War aber trotzdem ein super Auftritt heute.
Die Aufregung ist also auch nach vielen Jahren Live-Erfahrung noch da…
Bei mir auf jeden Fall. Das war bei RANTANPLAN nicht anders. Ich habe ja jetzt auch seit ca. einem Jahr nicht mehr auf der Bühne gestanden. Wir haben vor vier Tagen in Münster gespielt. Das war der erste Auftritt, den wir überhaupt hatten! Da waren wir echt super aufgeregt. Man macht sich da Gedanken, ob alles so klappt, wie man es sich vorstellt, vor allem mit dem Keyboard und Elektronik-Kram. Aber es ist schon super gelaufen bisher.
Heute war ja echt eine sehr schöne Atmosphäre beim Konzert. Würde es euch nerven, wenn irgendwann die Leute Texte mitsingen oder mitklatschen würde?
Dazu habe ich mir, ehrlich gesagt, noch gar keine Gedanken gemacht. So, wie es heute gelaufen ist, war es sehr schön. So ähnlich waren auch die Konzerte mit TOMTE. Das Hamburger Publikum ist ja immer ein bisschen zurückhaltend, in den anderen Städten war dann vielleicht sogar ein bisschen mehr Kopfnicken.
Die Konzerte mit KETTCAR sind auf jeden Fall ein schöner Kontrast zu RANTANPLAN-Gigs, bei denen es ja immer ziemlich abging. Pogo vor der Bühne und alles, was dazugehört – darauf habe ich definitiv keinen Bock mehr!
Wieso bist du denn eigentlich bei RANTANPLAN ausgestiegen?
Ich habe fünf Jahre bei RANTANPLAN gespielt und habe irgendwann halt Lust gehabt, was Anderes zu machen. Es hat immer Spaß gemacht, natürlich gibt es nervige Momente, vor allem wenn man auf Tour ist und sich immer sieht, die ganze Zeit aufeinander hockt. Ich bin aber immer noch sehr gut mit denen befreundet. Die Jungs waren auch eben unten beim Konzert. Lars, der Trompeter, ist mein bester Freund, und mit Torben verstehe ich mich auch super, mit Brian sowieso. Der Ausstieg und der Neuanfang ist nur so ’ne Art Tapetenwechsel.
Ihr habt deutsche Texte, macht mit KETTCAR Gitarren-Pop. Befürchtet ihr nicht, demnächst als die neuen TOCOTRONIC dazustehen – obwohl ihr ja eigentlich einen ganz anderen Background habt?
Nö! Davor hab ich keine Angst. Erstens finde ich TOCOTRONIC super. Ich empfinde das auch gar nicht so. Ich würde uns überhaupt nicht in dieses Hamburger Schule-Ding reinstecken. Wer sich ein bisschen mit Musik beschäftigt und sich damit auskennt, der wird uns auch nicht in diese Hamburger Schule-Ecke stecken. Es ist musikalisch auch völlig anders. Angst habe ich davor nicht. Es interessiert mich eigentlich gar nicht. Die meisten vergleichen uns auch eher mit …BUT ALIVE und sagen, dass …BUT ALIVE nun doch noch mit anderen Leuten fortgesetzt wird. Und das ist die Konsequenz aus „Hallo Endorphin“.
Nach einem ersten Höreindruck ist doch aufgefallen, dass die politischen Texte, wie ihr sie mit …BUT ALIVE und RANTANPLAN gemacht habt, eher persönlichen Texten gewichen sind. Wie kommt das?
Texte sind immer abhängig von der Situation, in der man gerade steckt. Man verarbeitet in den Texten das, was einen im Moment beschäftigt. Wenn es nun keine politischen Situationen sind, die einen beschäftigen, sondern mehr private und persönliche Dinge, dann fallen die Texte auch dementsprechend aus. Wenn die Freundin dann weg ist, schreibe ich darüber was…
Auf eurer Homepage steht: „Wobei KETTCAR die Musik natürlich nicht neu erfinden, aber glauben, eine Lücke zu schließen.“
Ja, das ist so, wie es da geschrieben steht. Uns fiel halt keine Band ein, die jetzt klingt wie wir. Manche sagen, es hört sich an wie ECHT. Find ich nicht! Andere sagen, KETTCAR klingt nach …BUT ALIVE. Finde ich auch nicht!
Das kommt wohl hauptsächlich durch die markante Stimme von Marcus!
Klar. Wir können Effekte auf die Stimme legen, oder er kann die Stimme verstellen. Und er kauft sich jetzt noch ne neue Gitarre, vielleicht klingt die anders. Es war immer so, auch bei RANTANPLAN. Die Songs, die Marcus gesungen hat, wurden immer mit …BUT ALIVE verglichen. Und RANTANPLAN ist ein …BUT ALIVE-Ableger.
Nerven dich diese ganzen Vergleiche?
Nö. Ich empfinde das nicht so und eigentlich interessiert es mich auch nicht.
Wieso habt ihr euch entschlossen, Elektronik einzubauen?
Da haben wir uns natürlich von anderen Bands inspirieren lassen. Durch die eigenen Hörgewohnheiten merkt man plötzlich, dass einem dieser Elektronik-Kram doch gefällt. Da gibt es halt Sachen, die auch ich super finde.
Was für Bands haben dich denn inspiriert?
Da gibt es viele. TURNER oder auch THE GET UP KIDS sowieso.
Wieso habt ihr noch kein Label gefunden?
Keine Ahnung. Da musst du die Labels fragen.
Gibt es denn B.A. Records nicht mehr?
Doch klar. Marcus – der ist ja B.A. Records – hat aber momentan sehr viel zu tun. Auch mit THE WEAKERTHANS. Wenn Marcus Texte schreibt, Songs schreibt, auf Tour ist und dann noch das Label macht, dann muss er sich das Schlafen wohl abgewöhnen.
Habt ihr denn vor, im nächsten halben Jahr eine LP zu veröffentlichen?
Nein. Wir wollen uns da gar keinen Druck setzen. Druck hatten wir genug, durch die fünf Konzerte, die wir jetzt gespielt haben. Wir wollen erstmal die Resonanzen und das Feedback abwarten. Wenn wir einen Langspieler machen, dann kommt er nächstes Jahr, dieses Jahr wohl nicht mehr!
Mich würde noch interessieren, wie die Connection zu den Kanada-Bands (PROPAGANDHI, I SPY und letztendlich WEAKERTHANS) entstanden ist…
Das resultiert aus der Zeit von …BUT ALIVE. Die sind mal in Amerika getourt und dann auch nach Kanada hochgefahren. …BUT ALIVE haben mit PROPAGANDHI ne Tour gemacht und so entstand da halt diese Beziehung.
Seht ihr euch als Punkband?
Ich sehe KETTCAR als Popband. Wenn man es von der politischen Position betrachtest, dann würde ich es eher linksradikalen Pop nennen. Aber ich weiß es nicht, ich kann es eigentlich nicht einordnen. Klar sind wir politisch. Wir haben noch immer das politische Denken, wie zu RANTANPLAN- oder …BUT ALIVE-Zeiten. Musikalisch sind wir aber wohl eine Popband.
Es ist halt immer die Frage, wie man Punk definiert. Vorhin waren ein paar Punker am Bahnhof, mit buntgefärbten Iros und haben auf die Gleise gepisst. Tja, wenn das Punk ist, dann bin ich es nicht oder will es zumindest nicht sein.
Meint ihr, dass ihr den Die-Hard-…BUT ALIVE-Fans mit der Musik von KETTCAR doch ein wenig vor den Kopf stoßen werdet?
Habe ich auch gedacht, aber ich bin durch die fünf Gigs, die wir jetzt gespielt haben, eines Besseren belehrt worden.
Vielen Dank für das Interview.
Ich danke auch.