Teenage Rebel Records versorgt die Punk-Gemeinde nicht nur in schöner Regelmäßigkeit mit wertvollem „Kulturgut“ der Marke KASSIERER, LOKALMATADORE oder PÖBEL & GESOCKS, sondern betreibt zudem auch noch Geschichtspflege, was Punk aus deutschen Landen angeht. So hat das Düsseldorfer Einmann-Label in der Vergangenheit beispielsweise frühe Werke von Bands wie MALE, ARTLESS oder BLUTTAT wiederveröffentlicht und diese wegweisenden Deutschpunkplatten somit auch der jüngeren Generation zugänglich gemacht.
Mit der CD-Veröffentlichung von „Zieh dich warm an“ der Ex-DDR-Punkband KALTFRONT beleuchtet das Label nun auch die Punkgeschichte jenseits der Mauer: Die Band aus Dresden ging 1986 aus den Überresten der Bands PARANOIA und SUIZID hervor und dürfte vor allem in den alten Bundesländern zuvor nur wenigen Leuten bekannt gewesen sein, da es von der Band zu damaligen Zeiten (abgesehen von selbst aufgenommenen und verbreiteten Demo-Kassetten) keine regulären Tonträger gab. Ich selber bin zum ersten Mal durch eine CD der BOTTLES auf die Band aufmerksam geworden, da auf dieser das KALTFRONT-Stück „Winter“ gecovert wurde und das Lied mit seiner depressiven Grundstimmung einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen hat. Nun erscheint also diese Zusammenstellung mit Liedern ihrer damaligen Tapes, und auch ich komme nun erstmalig in den Genuss, Originalaufnahmen der Band zu hören. KALTFRONT erinnern mit ihrem Deutschpunk mit unüberhörbaren New Wave-Einschlag ein wenig an Bands wie STUNDE X oder FEHLFARBEN, besitzen aber im Gegensatz zu diesen immer noch einen eindeutig punkigen Grundcharakter. Neben überwiegend subtilen Texten unterstreicht vor allem das „Kriegslied“ mit einem vertonten Text des von den Nazis ermordeten Anarchisten Erich Mühsam die kritische Grundhaltung der Bandmitglieder.
Wer jetzt neugierig auf KALTFRONT geworden ist, der sollte sich jedoch darüber im Klaren sein, dass die hier vorliegenden Aufnahmen in erster Linie einen historischen Wert besitzen. Denn bekanntlich war es damals in der DDR gerade für Punk-Bands schwierig bis unmöglich, an professionelle Aufnahmemöglichkeiten zu gelangen, was zur Folge hatte, dass die meisten der hier enthaltenen 20 Lieder per Kassettenrekorder oder mit Hilfe anderer primitiver Aufnahmegeräte im Proberaum aufgenommen wurden und folglich trotz erfolgter Klangrestauration und Mastering auch dementsprechend klingen. Es erwartet einen also eher rumpeliger Demo-Sound statt High-End-Qualität, doch andererseits wird gerade dadurch die Authentizität dieser Aufnahmen bewahrt. Da die Band seit 2005 wieder gelegentliche Konzerte spielt, besteht zudem die Hoffnung, dass eines Tages auch mal zeitgemäße Aufnahmen von KALTFRONT erhältlich sein werden. Ungeachtet dessen werden Nostalgiker und Ostpunk-Interessierte garantiert auch an „Zieh dich warm an“ ihre Freude haben, zumal in dem Booklet einige interessante Fotos und Hintergrundinformationen über Band & Aufnahmen enthalten sind.
KALTFRONT – Zieh dich warm an
