Na, dass der bei Omaha erscheinen würde, konnte man ja fast so absehen. Denn JULIAN GERHARD wäre ein prima Opener für GISBERT ZU KNYPHAUSEN. Und der hat ihn ja auch zum Label geholt. Und wünscht sich nicht jeder, einfach bei einem Konzert entdeckt zu werden und dann einen Labelvertrag zu bekommen…?
Dieser junge Mann und ganz besonders diese prägnante Stimme packen jeden Freund der anspruchsvolleren, ungeschminkten, nicht aufgesetzten Singer/Songwriter-Kultur sofort. Denn es sind nicht die zarten Gitarren, es ist mehr die fast schon brutale Umsetzung der Songs, ob nun mit brachialen Drums oder allein über die Intonation im Gesang.
Mal ganz abgesehen von den Songtiteln auf – auch das schon eine echte Herausforderung – „Wenn du hier eh nur rumstehst, kannst du auch auf die Jacken aufpassen“. „Wenn einer von uns stirbt, zieh ich nach Italien“, „Das letzte Mal hab ich mich gemeldet, nein?“ um nur zwei Beispiele des mal verträumten, mal schreienden, mal poppigen Münsteraners zu nennen. JULIAN GERHARD kommt mit der Sicherheit eines BERND BEGEMANN daher, gepaart mit dem jugendlichen Übermut von CLICKCLICKDECKER (Kevin Hamann produzierte die erste EP). Auch textlich – musikalisch sollte das jetzt wohl klar sein – lässt sich das Ganze recht treffend mit Hamburger Schule überschreiben.
Da gibt es keine Klischees, nichts was einem beim Hören und Denken „das gefällt mir aber!“ peinlich sein müsste. So in etwa ging es mir zuletzt bei ELEMENT OF CRIME oder NILS KOPPRUCH. Aus diesem Album spricht sehr viel Lebenserfahrung, die sich danach sehnte, in solchen Texten und exakt dieser Musik aufgefangen zu werden. Eigentlich viel mehr, als man beim ersten Blick auf JULIAN GERHARD denken würde. Ist ja auch mal schön, wenn erste Eindrücke trügen.
Unterstützt zwar von einer ganzen Reihe Mitmusikern, aber als alleiniger Schreiber und Komponist, zeigt Omahas Entdeckung, was in ihm alles steckt. So ein klein bisschen GET WELL SOON, wenn auch in einem völlig anderen Genre.
Auf jeden Fall höchst empfehlenswert. Da sollte man reinhören, denn dies ist kein „peinlich geflopptes Release“ („Wer will schon mit jemandem zusamm’ sein, der so wohnt“).
Anspieltipps: „Lichtmaschine“, „Bleib bleib bleib“