Dass es sich bei EINERBANDE um ein ganz besonderes Projekt handelt, verdeutlicht bereits der Name. Denn in diesem findet sich schließlich sowohl der Begriff „Einer“, als auch „Bande“ wieder, was normalerweise ja einander ausschließt, in diesem Fall jedoch das Konzept, das sich dahinter verbirgt, auf den Punkt bringt. Denn obwohl BEATSTEAKS-Schlagzeuger Thomas Götz die einzige feste Konstante bei diesem Projekt ist, agiert er keineswegs alleine, sondern kooperiert mit ständig wechselnden Musikern aus völlig unterschiedlichen Genres, wodurch wiederum der dabei entstehende künstlerische Output zwangsläufig extrem unterschiedlich ausfällt. Daneben betreibt Thomas mit Tomatenplatten auch noch ein kleines Liebhaber-Plattenlabel, auf dem er nicht nur seine eigenen Klangerzeugnisse, sondern darüber hinaus auch noch Platten befreundeter Bands herausbringt. Stoff genug also für ein kleines Interview, welches ganz social distancing-mäßig per Email geführt wurde…
Hallo Thomas! Du bist die einzige feste Konstante der EINERBANDE, arbeitest jedoch regelmäßig mit anderen wechselnden Künstlern zusammen. Insofern ist der Begriff „Solo-Projekt“ also nicht wirklich zutreffend, „Kollektiv“ trifft es aus meiner Sicht allerdings auch nicht so wirklich… Wie würdest Du selber das Projekt EINERBANDE definieren?
Hi Bernd, ich kann das nicht wirklich definieren, die EINERBANDE ist für mich eine Spielwiese, und der Teilnehmerkreis ist offen. Ich lade immer wieder Leute dazu ein mitzumachen, seien es Freunde, Musiker, die ich gut finde, oder Menschen, die ich auf Tour treffe, die Lust haben, mit mir Musik zu machen. Irgendwie laufen dann am Ende des Tages die Fäden bei mir zusammen, da ich die jeweiligen Aufnahmen veröffentliche, aber die jeweiligen Kollaborateur/Innen drücken den jeweiligen Stücken extrem ihren Stempel auf. Das ist ja auch das Schöne daran.
Musikalisch scheinst Du bezogen auf die EINERBANDE überhaupt nicht festgelegt zu sein. Vielmehr wirkt es so, als ob Du dich hier mit jeder Menge Ideen austobst, für die bei den BEATSTEAKS (nachvollziehbarerweise) kein Platz ist. Wie genau muss man sich den Entstehungsprozess eines EINERBANDE-Songs vorstellen?
Der Entstehungsprozess wechselt von Song zu Song. Los ging alles damit, dass ich nach Aufnahme eines BEATSTEAKS-Albums immer liegen gebliebene Demos durchgekramt habe und geschaut hab, was ich davon als EINERBANDE veröffentlichen könnte. Inzwischen ist das viel offener: Bei der „Ojo Rojo“-EP hatte ich nur ganz rudimentäre Ideen (Rhythmus/Gitarrenmelodie) und hab einfach mal experimentiert, ob das reicht, um daraus Lieder werden zu lassen. Die Tourtagebücher der BEATSTEAKS-Touren leben ebenfalls ganz doll von den Beiträgen der Gäste, da merkt man erst am Ende der Entstehung, was eigentlich passiert und was für ein Lied entstanden ist. Ich klimpere eigentlich ja nur so ein wenig vor mich hin, und dann macht jemand anderes was daraus, was ich dann so schön finde, dass ich es für veröffentlichungswürdig halte. Das ist auf jeden Fall kein klassisches Songwriting, zu Hause mit der akustischen Gitarre Akkorde wälzen und dann Gesang und Text, wie das die Profis machen. Der Entstehungsprozess ist auch immer dolle abhängig von den zur Verfügung stehenden technischen Geräten/Instrumenten, die Produktionsmittel bestimmen die Musik ungemein.
Du arbeitest ja, wie eingangs erwähnt, mit anderen wechselnden Musikern zusammen. Auf welcher Grundlage wählst Du die Personen aus, die Du an den Liedern beteiligen möchtest? Und tragen diese Personen in der Regel bereits zur Entstehend der Songs bei, oder werden sie erst bei der finalen Umsetzung hinzugezogen?
Ich habe anfangs einfach Freunde gefragt, ob sie Bock hätten, bei der EINERBANDE mitzumachen. Zusammen Musik zu machen, macht viel mehr Spaß als alleine an etwas zu arbeiten. Und ab und an sagte eine/r der Gefragten aus Versehen „ja“. Inzwischen ist die Liste der „Kollaborateur/Innen“ ganz schön lang geworden: Dennis, Freund und Gastmusiker bei den BEATSTEAKS; Andi Bukelini, Gitarrist in Berlin; Sara Kern hat mal einen Refrain geschrieen, Uli Sailor (TERRORGRUPPE, TUSQ) hat Saxofon und Theremin gespielt, Bernd und Torsten (BEATSTEAKS) waren bei der ersten Single dabei. Am meisten Partner hatte ich bei den zwei „Diary of a bad man“-Platten, bei denen ich während zweier Touren so eine Art musikalisches Tourtagebuch geführt habe. Dazu habe ich die Musiker/Innen, mit denen ich auf Tour war, oder die ich unterwegs getroffen habe, eingeladen. Zum Beispiel Sebastian Weiss aka SEPALOT, Richard Koch vom ANDROMEDA MEGA EXPRESS ORCHESTER / RICHARD KOCH QUARTETT, der für die BEATSTEAKS eine Tour lang Trompete gespielt hat, Marten und Jan von TURBOSTAAT, die DECIBELLES und Pete Haley von SHOSHIN. Die Tourtagebuch-Songs sind bis auf zwei Coverversionen mehr oder weniger im Tourbus entstanden, an so einem Mini-Synthesizer. Dann hab ich an einem Off-Day ein wenig Drums dazu aufgenommen und so weiter. Bei der „Ojo Rojo“-EP, der letzten EINERBANDE-Platte, hatte ich nur Drums, eine Bass- und eine Gitarrenmelodie. Olli Wong und Tom Schwoll haben da ganz viel mitkomponiert, Gitarrenakkorde und Harmonien dazu gesucht, Matt Rosta hat beim Texten geholfen, und Kain Strom aus München hat ganz wunderbar alte Synthesizer dazu aufgenommen.
Bisher sind von der EINERBANDE ja ausschließlich Singles erschienen. Kannst Du dir vorstellen, dass eines Tages vielleicht mal ein kompletter Longplayer erscheint, oder würde das Konzept auf Albumlänge gar nicht funktionieren?
Das Tourtagebuch war eine 12inch und entsprach von der Zeit her, glaube ich, sogar LP-Länge. Aber prinzipiell finde ich so ein, zwei Lieder immer wieder ein prima Format, von wegen der Aufmerksamkeitsspanne, und auch, weil der Produktionsprozess absehbar ist, so dass auch noch Zeit für die anderen Hobbys – Lesen, Schwimmen, Reiten – und so bleibt…:-) Ich denke eher so an eine Singles-Box (oder andere Arten, wie ich das bisher Gemachte originell zusammenfassen könnte), als daran, ein Album zu planen.
Die EINERBANDE-Platten veröffentlichst Du ja auf deinem eigenen Label Tomatenplatten. Auffällig hierbei ist die enorm aufwendige und liebevolle Gestaltung, aus ökonomischer Sicht eigentlich im Widerspruch zu den geringen Auflagezahlen steht, die Du pressen lässt. Wie kannst Du mit dieser Konstellation überhaupt kostendeckend arbeiten?
Kann ich nicht. 🙂
Auch abseits der EINERBANDE wirkt dein Label-Katalog recht bunt gemischt und beherbergt mit DIE TUNNEL, UFOSEKTE oder isländischen Post-Punk-Formation BSI eine Reihe eher unkonventioneller Künstler. Wie schaffst Du es immer wieder, solche Bands ausfindig zu machen, und welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, dass Du etwas von ihnen veröffentlichst?
Angefangen hat das Label eigentlich als Betriebsunfall. ich wollte lernen, was es mit dem Plattenpressen so auf sich hat und habe deswegen bei Flight 13 Duplication um ein Praktikum angefragt. Daraus wurde ein wunderschönes Wochenende bei Björn Bieber in Karlsruhe, und gepresst wurde dabei die erste Tomatenplatte. Inzwischen kommen auch Bands, unter anderem die oben genannten, auf mich zu und fragen mich, ob ich Lust habe, etwas von ihnen zu veröffentlichen. Wenn ich die Menschen und die Musik mag, mach ich das.
Ich fände es nicht so schön, wenn das Label genremässig festgelegt wäre. Von mir aus kann der Horizont nicht breit genug sein. Ich würde sehr gerne eine Jazz-Platte oder elektronische Musik veröffentlichen, mein Werben in der Sache wurde bisher aber leider nicht erhört. Ich bleibe aber dran.
Derzeit ist ja der komplette Alltag von der COVID-19-Situation geprägt, und es ist bereits jetzt abzusehen, dass auch die Musik- und Kulturszene großen nachhaltigen Schaden durch diese Pandemie nehmen wird. Wie schätzt Du als Musiker, Produzent und Labelbetreiber die Situation und die daraus resultierenden Folgen ein? Und was kann jeder einzelne tun, um Clubs, Musiker und Kulturschaffende in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen?
Die Pandemie trifft ganz kapitalistisch die Schwächsten am stärksten. Auch in der Kulturszene. Die schützenswertesten Projekte werden es am schwersten haben zu überleben. Die Elbphilharmonie wird wohl überleben, der Schokoladen und andere kleine Live-Clubs werden es wesentlich schwerer haben. Ich glaube, die Folgen für die Kulturszene sind sehr schlimm und doch nicht vergleichbar mit der Not der Betroffenen, wenn die Pandemie erst einmal die Flüchtlingslager erreicht. Die Einzelnen können spenden, Öffentlichkeit schaffen, fordern und hoffen, dass es weitergeht.
Abschließend noch einmal kurz zurück zur EINERBANDE: Gibt es hier schon Ideen für die nächste Veröffentlichung? Falls ja, magst Du schon mal ein wenig spoilern, was diesmal auf die Hörerschaft zukommt?
Auf Tomatenplatten erscheinen sobald wie möglich Teil 2 und 3 der „Four Track Mind“ Single-Serie mit den Interpreten MIR EXPRESS und 13 YEARS CICADA. Ich mache gerade mit Marten von TURBOSTAAT an neuen Liedern für unser Projekt NINA MARIE rum und arbeite an einem Song, den ich mit einem senegalesischen Trommler in Dakar aufgenommen habe. Das Ei ist aber noch zu ungelegt, um näher beschrieben zu werden. Gut genug gespoilert?
Vielen Dank für die Fragen und liebe Grüße aus Neukölln, bleibt gesund.