Die Band, bei deren Konzert vor ca. einem Jahr ich noch rein zufällig reingestolpert bin, meldet sich nach dem experimentellen "Run trip fall" mit einem wesentlich ruhigeren, songorientierteren Album zurück. Auf "Set & drift" rücken DIEFENBACH erstmals den Gesang weit in den Vordergrund, und man fragt sich, warum Allan und Kenneth das nicht schon viel eher gemacht haben. Große Harmonien und gewisse Anleihen an diverse Singer/Songwriter-Duos sind das neue Programm, während sie live unter Beweis stellen, dass sie das Rocken keineswegs verlernt haben – es wurde nur eben etwas zurückgestellt.
Nach dem mitreißenden Konzert in der Weltbühne schickte ich Sänger/Bassist Allan und Keyboarder Lasse ein paar Fragen zu, die sie mir per Mail unabhängig voneinander beantworteten.
[F] Ihr wart gerade erst für vier Wochen auf Tour, allerdings hatte man in Hamburg weder den Eindruck, dass ihr müde seid, noch, dass ihr euch auf die Nerven geht. Strengt euch das Touring nicht an, oder habt ihr für die letzte Show noch mal alle Kräfte mobilisiert?
[A]Allan: Schön, dass unsere Show gefiel! Es wäre falsch, zu behaupten, dass wir immer miteinander auskommen, wenn wir in so engen Räumen wie einem Tourbus und Motels leben. Aber wir wissen alle, dass das zur Tour dazugehört; und so muss man seine Zähne zusammenbeißen und das Schnarchen und stinkende Socken ertragen.
Hamburg war die letzte Show der Tour, und ich denke, wir hatten schon alle die Heimfahrt im Kopf. Aber das ermöglicht uns erst recht, die letzten Energiereserven in die Sache zu stecken.
Lasse: Manchmal verliert man ein wenig den Sinn für die Realität und den Alltag. So lange man auf Tour ist, ist das toll, aber wenn man wieder zu Hause ist, und sich plötzlich wieder mit diesen Dingen auseinander setzen muss, wird’s manchmal hart.
Die Hamburg-Show war wirklich gut. Wir haben dort mittlerweile zum fünften Mal gespielt und dort bereits einige Freundschaften geschlossen – so it’s always nice to be back.
[F] Gab’s irgendwelche lustigen oder besonderen Sachen, die euch auf der Tour passiert sind?
[A]Allan: Unser Schlagzeuger Stefan wollte mit unserem Tourbus ‘ne Runde um den Block drehen, obwohl er keinen Führerschein hat. Ich entschloss mich dazu, im Bus zu bleiben, um zu sehen, wie er sich macht und sah daraufhin mein Leben an mir vorbeiziehen, als er die ersten Äste von den Bäumen säbelte und erst langsam wieder den Wagen stoppte. Er dachte, er hätte alles richtig gemacht!
Lasse: Eigentlich ist alles auf Tour besonders und lustig. Es ist wie eine eigene kleine Welt, in der es keine normalen Regeln gibt. Wir haben Tausende verrückte Saufgeschichten, aber am lustigsten war auf der letzten Tour wohl, wie jemand (der anonym bleiben will) im Bus schlafwandelte und in einen fremden Schuh strullerte.
[F] Worauf habt ihr euch nach der Tour am meisten gefreut? Was habt ihr, zurück in Dänemark, als erstes gemacht?
[A]Allan: Einfach nichts zu tun, gefällt mir ganz gut, und das habe ich auch sofort gemacht. Vor ein paar Wochen haben wir noch auf dem Cactus Festival in Brüssel gespielt, aber in der Regel haben wir im Sommer noch etwas Freizeit, bevor wir wieder auf Tour gehen.
Lasse: Normalerweise nehme ich eine sehr lange dusche und gehe danach direkt ins Bett. Nach vielen, vielen Stunden Schlaf begrüße ich meine Freundin und rufe meine Freunde und Familie an. Aber zwischen den Touren versuche ich mich selbst, mit Musik genug zu beschäftigen. Ich arbeite an verschiedenen Nebenprojekten und schreibe so viele Songs wie möglich.
[F] Wenn man euer aktuelles Album mit “Run trip fall” vergleicht, habt ihr euch sehr auf das Songwriting konzentriert, während der Vorgänger wesentlich experimenteller ausfiel. Was geschah zwischen den Alben, und was hat „Set & drift“ beeinflusst?
[A]Lasse: Ich denke, “Set & drift” ist in vielerlei Hinsicht experimenteller als “Run trip fall“. Es klingt nur zugänglicher, weil diesmal mehr Gesang drauf ist. Das Coole an stark gesangsorientierten Songs ist, dass man mit der Produktion fast alles anstellen kann, so lange nur die Gesangsmelodie präsent ist, auf die man sich automatisch konzentriert.
Allan: Alle Gesangslinien auf “Run trip fall” wurden an den letzten zwei Tagen der Aufnahme gemacht, und das hat bei DIEFENBACH wohl was ausgelöst und wurde eine Art Werkzeug, an das wir uns alle klammerten und wo wir uns drauf konzentrieren wollten, als wir im Songwriting-Prozess für „Set & drift“ waren.
Lasse: Es gibt auf diesem Album eine Vielzahl an Einflüssen, aber vor allem war nur der Wunsch, etwas Neues auszuprobieren und etwas anders zu machen. Ich denke, es ist wichtig, dass man als Band seine musikalische Ausrichtung verändern kann, wenn man lange zusammenbleiben will. Man muss es frisch halten!
Allan: Unsere Einflüsse unterscheiden sich bandintern sehr weit voneinander, aber auf einige Bands wie THE BIRDS, THE BEATLES und TOM PETTY & THE HEARTBREAKERS können wir uns wohl alle einigen.
[F] Warum habt ihr auf den vorigen Alben noch nicht gesungen?
[A]Lasse: Es gibt einige Vocals auf “Run trip fall”, aber wir nutzten sie mehr oder weniger als ein weiteres Instrument. Auf diesem Album wollten wir den Gesang in den Vordergrund stellen. Ich glaube, auf den anderen Alben hatten wir genug andere Sachen zu erkunden, aber danach wurde es Zeit für eine Veränderung.
Allan: Ein weiterer Grund ist, dass wir uns kein Equipment leisten konnten, um im Proberaum den Gesang abzunehmen. Und zu der Zeit war instrumentelle Musik (Postrock usw.) gerade sehr angesagt. Aber der wichtigste Grund ist wohl, dass wir während der ersten Platte bei DIEFENBACH keinen Gesang vermissten, und dass wir uns trafen, weil wir Bock hatten, Musik zu machen und die anderen kennen zu lernen.
[F] Während ihr live immer eine mächtige Geräuschkulisse erzeugt, wurde „Set & drift“ sehr ruhig gehalten und erinnert manchmal gar an die KINGS OF CONVENIENCE. Warum?
[A]Allan: Als wir im Studio waren, um “Set & drift” aufzunehmen, war unser oberstes Ziel, eine gute Platte zusammenzustellen. Dabei ließen wir sich die Songs in die bestmögliche Richtung entwickeln – egal welche. Live zu spielen, ist eine komplett andere Erfahrung, und wir mussten das Feeling der Songs hier und da verändern, damit es besser ins Live-Set passte.
Lasse: Die Stücke wurden im Studio so aufgenommen, dass es live mehr oder weniger unmöglich ist, sie genauso wiederzugeben. Deshalb machen wir für die Live-Shows total andere Versionen, die in der Regel etwas lauter enden, weil es dann mehr Spaß macht, sie zu spielen – und uns dabei zuzusehen.
Allan: Wir lieben alle die KINGS OF CONVENIENCE, und als wir an einem Zeitpunkt im Studio gerade anfingen, am Stereo herumzupfuschen, hörten wir uns ihr zweites Album an.
Aber ich denke, der Kings-Vibe kommt von anderen Bands, die uns beeinflusst haben (THE BYRDS?). Vielleicht haben sie die selben Bands angehört wie wir… Vielleicht SIMON & GARFUNKEL…
[F] Der Name “Diefenbach” und einige Songtitel sind bekannten Filmen entliehen. Seid ihr alle Cineasten? Und habt ihr schon mal drüber nachgedacht, einen Film musikalisch zu vertonen?
[A]Allan: Wir sind tatsächlich alle total vernarrte Cineasten. Wenn wir nicht über Musik reden, kannst Du drauf wetten, dass wir über Filme reden. Kenneth ist total enthusiastisch und hat eine riesige Kollektion. Wenn wir auf Tour sind, haben wir immer tonnenweise DVDs dabei. Ich denke, unser derzeitiger "on the road"-Favorit ist “Anchorman“. Er ist zwar kein Klassiker, aber hat eine Menge "pull my finger"-ähnlicher Jokes.
Lasse: Wir würden super gerne die Musik zu einem Film schreiben. Wir haben bisher einmal neue Musik für einen alten, animierten Film geschrieben und sollten sie bei einem Festival dann live zu dem Film spielen. Aber am Ende war der Projektor schrott, und wir mussten der Menge erklären, worum es in dem Film geht und spielten danach nur die Musik.
[F] Wer hatte die Idee, BEE GEES’ “Stayin‘ alive” zu covern? Kann man den Song auf einem Eurer Releases wieder finden?
[A]Allan: Kenneth hatte ursprünglich die Idee und ich fand sie zuerst scheiße, aber… natürlich überzeugte er mich. Wie immer!
Lasse: Er spielte es eines Tages, während wir etwas anderes machten, und 15 Minuten später war alles fertig. Ich glaube nicht, dass wir den Song jemals veröffentlichen werden; auch wenn uns schon zirka tausend Leute danach gefragt haben. Es ist eine Art Live-Ding!