BROKEN SOCIAL SCENE – s/t

Das kennt man ja – da fiebert man schon wochenlang der Veröffentlichung der neuen BROKEN SOCIAL SCENE entgegen, und dann schleicht man doch tagelang um die Platte herum. Immerhin sorgte ihr letztes Album „You forgot it in people“ für eine mittelschwere Offenbarung und beschäftigte mich so ziemlich das gesamte letzte Jahr über. Die Songs sind mittlerweile so verinnerlicht, da hat man natürlich Angst, dass das neue Werk nicht mehr mithalten kann. Also wie soll man die Sache angehen? Einfach drauf los hören? Nebenher noch irgendwas tun? Oder doch lieber erstmal mit Kopfhörer? Auf alle Fälle sollte man bei einer Band wie BSS auf alles und nichts gefasst sein. So wirkt der Einstieg ins Album noch etwas verwirrend, kommt eher einer Sound-Collage nahe als einem Song. Kein Wunder, wenn weit über hundert Tonspuren versuchen, ein Stück Sonnenlicht zu erhaschen. Aber schon bei den nächsten beiden Songs ist es wieder da, dieses euphorisierende Moment, das die Musik von BSS so wunderbar zu erzeugen vermag. Wenn es einem ganz kribbelig durchfährt, das Herz sich vor lauter Aufregung fast überschlägt und man sich plötzlich Arme in die Luft reckend auf seinem Bett umherspringend wiederfindet. Wie viele Musiker um die beiden Kreativ-Köpfe Brendan Canning und Kevin Drew sich diesmal wieder versammelt haben, ist schwer auszumachen. Vermutlich eh die halbe Musikszene Torontos und Montreals. Man denke nur an STARS, FEIST, APOSTLE OF HUSTLE oder METRIC, die (vielleicht oder gerade durch den Erfolg von BSS) in letzter Zeit Aufsehen erregt haben. Alle haben sie wieder ihre Finger und Instrumente im Spiel. Insgesamt wird etwas forscher zu Werk gegangen. Das spätsommerlich-ätherische der letzten Platte ist einem tosenden Soundgewitter gewichen. Unendliche Schichten an Musik durchweben und verästeln sich hier mit einer kompromisslosen Wucht, aus der sich oft erst zögerlich die umwerfende Schönheit der Songs herausschält. Einiges, wie „Superconnected“ oder „7/4 (shoreline)“ kennt man bereits aus dem Live-Kontext. Die überraschendsten Songs dürften wohl „Windsurfing nation“, das lange Zeit als Albumtitel umhergeisterte, und „Hotel“ sein. Bei Ersterem kommt uns ein ordentlich Schlagzeug- und Bass-lastiger Sound inklusive K-OS Gastauftritt entgegen. Das ist um einiges schroffer und weniger süßlich, als man es von der letzten Platte gewohnt ist. Bei „Hotel“ dagegen gibt es gepresst-gehauchten Gesang und NOTWIST’sche Elektronik über einem trockenen Beat. Verdammt gut, das. Der Rausschmeißer „It’s all gonna break“ schließlich ist in zehn Minuten kulminierender Größenwahn. Daraus machen andere Bands schon mal ganze Platten.
Wer allen Ernstes eine Fortsetzung von „You forgot it in people“ erwartet hat, ist selbst schuld. Von einem so irrwitzig kreativen Musiker-Kollektiv, wo jedes Mitglied mindestens eine Zweitband/Soloprojekt hat, kann man keinen Stillstand erwarten. Und die Kopfhörer kann man übrigens auch beiseite lassen.