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BONAPARTE – My favorite circus

„Schweiß tropft von den Wänden, Menschen mit Dreispitz-Papierhüten rufen „Anti Anti!“, Mädchen ziehen sich beim Stagediving blaue Flecken zu …“ So stand es jedenfalls in der Ankündigung zu BONAPARTE. Im Hamburger Hafenklang hingegen tröpfeln höchstens nach und nach vereinzelte, wenig enthusiastisch blickende Besucher in die verschachtelten Kellerkorridore, während hinter der Tür neben unserem Sofa eine Art Soundcheck der neusten Kettensägen-Modelle stattzufinden scheint, der sich apart mit unerträglichen Hip Hop-Remixen in einer unbeschreiblichen Lautstärke aus den oberen Gefilden paart. Wir wollen doch nur auf das Konzert! Leider zieht sich der Moment des Wartens noch über zwei, gefühlte acht Stunden hinaus und wäre ob der anscheinend aus reiner Verzweiflung und ohne jeden Musikgeschmack aufgelegten Musik nicht aushaltbar gewesen, hätte man die Zeit nicht mit einer reizenden Begleitung und Bierkonsum auf der weichen Sitzgelegenheit vergolden können. Endlich, zur Geisterstunde, ist es so weit, und die kaiserliche Hofkapelle bezieht grotesk kostümiert auf der Bühne Stellung, den kleinen Diktator in ihrer Mitte. Und sie hauen gleich ordentlich rein! Für die ganze Zirkuscrew hat es augenscheinlich nicht gereicht, aber einige Charaktere versammeln sich doch dort oben im Laufe des Abends: ein plüschiger Hase, ein schüchternes Tanzpüppchen, eine wütende Kamerafrau und eine in Bierduschen und Kunstblut strippende Latex-Blondine. Die Garderobe wechselt so schnell wie die Songs. Die Musik ist laut, mitreißend und phantastisch. Die Show ist farbenfroh und großartig. Nur das Hamburger Publikum scheint nicht bereit, sich auf derartige Experimente einzulassen und steht – von einigen expressionistisch tanzenden Teenagern in hippen Klamotten abgesehen – in hanseatischer Gelassenheit fünf Meter von der Bühne entfernt. Unglaublich.