Eines vorweg: leider war ich auf dem Weg zur Berlinova Zeuge eines schweren Autounfalls, dementsprechend gering war auch anfangs meine Motivation, überhaupt aufs Festival zu gehen, seht es mir nach, wenn ich das ein oder andere mal meckere…
Morgens, 7:30 Uhr, nach knapp neun Stunden Fahrt kommen wir bei Plus in Luckau an und – es regnet. Nicht nur, dass ich noch keine Minute geschlafen habe, nein, es muss auch noch regnen! Auf dem Camping-Gelände ist noch nicht viel los. Bulli abstellen, Sonnensegel aufspannen, abschalten. Auf Klassenreisen hätte es geheißen: der Freitag ist zur freien Verfügung, sehr gut! Am Nachmittag kam dann auch endlich die Sonne durch! Vielleicht war ich vom Wetter der letzten Berlinova auch einfach zu verwöhnt. Das Festivalgelände in diesem Jahr war riesig. Drei Bühnen, zwei Zelte und ohne Ende Buden und Stände, nur leider keine Twinstage mehr.
Am Abend zeigte sich dann nach dem Wettermix auch der Genre-Mix des LineUps. Ohne Ende laute Elektronik-Bässe, kann ich ja gar nicht drauf und dann auch noch in dieser Lautstärke, brrrrr. Im kleinen Zelt war dafür ein feines Reggae-Soundsystem, das ein wenig Sonne in die Nacht bringen konnte. Den Abzocker-Wettbewerb Emergenza hab ich mir geschenkt.
Samstag, 12.06.04: EVEREST
Sehr früh am morgen mussten die Darmstädter auf die Bühne. Viel war leider noch nicht los, aber dafür herrschte eine angenehme Stimmung. Die Jungs genossen es scheinbar sichtlich, auf solch einer Bühne zu stehen und machten den ein oder anderen Ausflug auf den Mini-Vorbau. Das neue Material klingt deutlich rockiger als die Stücke von „The road less travelled“. Auch die Stimme von Sänger und Gitarrist Christian hat sich diesem neuen Gesamtbild angepasst. Die Show war auf jeden Fall ein guter Start in den Tag, und unter Festivalbedingungen kommt sogar die Pyramide an.
Samstag, 12.06.04: DIVISION OF LAURA LEE
Die Rock’n’Roll Schweden hatten neben dem geringen Publikumszuspruch ein weiteres Problem: dunkle Wolken zogen auf, Regen bahnte sich an. Also nach ein paar Lieder war dann Schluss, ich war halt zu sehr auf Sommer eingestellt. Bis dahin war das Set souverän, der Sound leider durch den Wind nicht wirklich gut.
Samstag, 12.06.04: MILLENCOLIN
Irgendwann kam ich zurück aufs Gelände und stellte mit Entsetzen fest: es ist verdammt leer hier. Auch bei Millencolin änderte sich das nur bedingt. Die vier Schweden waren gewohnt gut und sicher. Auch wenn mal die Gitarre kaputt ist, so was überbrückt man locker, ist ja nicht das erste Konzert. Das Material stammte, ähnlich den letzten Touren, vornehmlich von den neuer Scheiben, die Ska-Songs gehören endgültig der Vergangenheit an. „Mr. clean“ und „bullion“ sind wohl die einzigen Stücke aus dieser Zeit, die sie noch regelmäßig spielen. Der Publikumszuspruch war sehr gering. Auf anderen Festivals räumen MILLENCOLIN tierisch ab, hier stand die Menge weit auseinander, und nur einige wenige machten vorne die Party. Schade.
Samstag, 12.06.04: SPORTFREUNDE STILLER
Zur Überbrückung der Zeit zwischen MILLENCOLIN und den SPORTFREUNDEN gab es im Hintergrund KOLL SAVAS – und selbst das hat mich gestört. So ein alberner Kinder-Proll-Hip-Hop. Die Texte bestehen eigentlich hauptsächlich aus F+#-§n, Bitch, usw. Peinlich, peinlich. Die SPORTFREUNDE, ganz im Zeichen des grünen Rasens, entschädigten dann für alles, was andere vorher zerstört hatten. Sehr sympathisch und einfach nur nett machten die Münchner Luckau die T-Shirts nass. Zum ersten Mal war es den Zuschauerzahlen entsprechend voll und die Stimmung überschwänglich. Das Set war bezaubernd. Alte Klassiker wie „Heimatlied“ und „Wellenreiten“ wurden bunt gemixt mit „Ich Roque“ und anderen Songs vom aktuellen Album „Burli“. Mitspringen, mitsingen, Festival in Spitzenform und das Wetter gut. Alles ok – Kartoffelpüree.
Samstag, 12.06.04: Grand Hotel van Cleef DJ Night
Aber hallo! Was für eine Disko. Während auf den Nebenbühnen der (sehr, sehr zahlreich vertretene) Elektromob zappelte, bot das große Zelt Platz für eine Disko der besonderen Art. Die Kollegen von MARR und KETTCAR, sowie unzählige weitere Jungs und Mädchen, feierten sich selbst auf der Bühne. Die Hamburger müssen schon eine verdammt gute Zeit haben. Jeder Song, egal ob von den WEAKERTHANS oder MODEST MOUSE, wurde auf der Bühne mit Zuprosten gefeiert und um so mehr betanzt. Ein großer Spaß! Obwohl KETTCAR-Reimer das beim Fußball-Turnier mit dem ein oder anderen Fehlpass bezahlen musste…
Sonntag, 13.06.04: VIRGINA JETZT
Es ist noch recht früh am Morgen, doch zu meinem Erstaunen ist es vor der Bühne sehr sehr voll. Es ist mindestens genauso viel los wie bei MILLENCOLIN am Tag vorher und die Stimmung ist gut. Ich hätte nicht gedacht, dass die Kollegen so viele Leute motivieren können, das Zelt zu nachtschlafender Zeit zu verlassen.
Sonntag, 13.06.04: ESKOBAR
Mal wieder Schweden, mal wieder schöne Musik. Manchmal für meinen Geschmack etwas zu schmalzig aber für einen entspannten Sonntag auf der Wiese das Richtige, wäre doch das Wetter nur durchgehend sonnig. Das neue Album erscheint die Tage via V2, vermutlich kannte ich deswegen auch relativ wenige der Stücke, was aber eigentlich egal ist, mitsingen und springen ist hier eh nicht angesagt.
Sonntag, 13.06.04: THE WEAKERTHANS
Was für eine Enttäuschung! Wo sind all die Leute hin? Wo sind sie geblieben? Vermutlich hatten gut 90% des Berlinova-Publikums ihre Prioritäten anders gesetzt als ich und so spielten die WEAKERTHANS praktisch vor einem leeren Rasen. Und dass ausgerechnet der Band über deren Qualität man einfach nicht streiten kann. Jeder, der nur ansatzweise Gitarrenmusik mag, mag auch die Kanadier! Auch beim glaube ich 4. Aufeinandertreffen gefallen sie mir wieder einfach unglaublich gut. Zurückhaltend aber dafür mit einem Sound, der einem das Herz erwärmt. Das Set ändert sich zwar nie stark aber wen stört’s, es ist halt nahezu perfekt!
Sonntag, 13.06.04: MOTÖRHEAD
„Hi, we’re MOTÖRHEAD“, alles klar, die Stimme ist durch. Lemmy kommt, schreit und mäht Luckau um. Ein unbeschreiblicher Krach, der da den Vorabend erfüllt. Alles übersteuert und man versteht eigentlich gar nichts mehr. Ich geb es ja zu, ich kenne eigentlich kaum was von der Band, aber sie live zu sehen, reizte mich schon. Nur so war es einfach eine Qual und auch gleichzeitig das letzte Konzert für mich in diesem Berlinova-Jahr.
Was bleibt hängen? Das LineUp war wohl vielen doch ein wenig zu bunt. Allerdings ist bei einem Ticket-Preis von 39,-€ auch der Anreiz groß, einfach nur ein Spaß-Wochenende zu buchen und nicht so viele Bands zu sehen, denn das weiträumige Gelände und die Vielzahl an Möglichkeiten zwingen einen fast schon dazu, einfach mal weniger bei den Bands zu stehen. Allerdings hatte ich ein wenig den Eindruck, dass man in diesem Jahr eher auf ein regionales Happening baute als auf ein überregionales Rockfestival wie im letzten Jahr. So schnell wird man Festival-Touristen aber nicht los 😉