Das erste Mal so weit oben im Norden. Und dann ganz allein. BENZIN hatten es mit ihrem Auftritt im Hamburger Logo nicht ganz leicht. Die netten Jungs der Ulmer Band stellten sich vor ihrem Auftritt freundlicherweise zu einem sehr ausführlichen Interview zur Verfügung. Sebi, Simon, Hutti und Andy hatten viel zu erzählen: Über ihr neues Album, ihre Texte, ihre Musik, ihre Vorbilder und die Geschichte von BENZIN. Wie macht man also „deutschsprachige Gitarrenscheiße“?
[F] In euren Texten und euren Infotexten benutzt ihr viel Jugendjargon. Was für eine Zielgruppe habt ihr denn?
[A] Sebi: Findest du? Interessant. Das ist ja gleich eine provokante Eingangsfrage. Da müsste man erstmal "Jugend" definieren. Heißt das jetzt 13 bis 27 Jahre oder Teenager? 13-27 trifft es schon. Und nicht Hamburger Schule. Nicht so komplex.
[F] Davon wollt ihr euch also abgrenzen.
[A] Sebi: Ja. Die Sprache soll nicht so verkopft wirken, sondern locker sein. Ich habe das Problem mit Hamburger Schule-Bands, dass die einen solchen Bruch zwischen Musik und Text haben. Das fließt halt nicht. Wir wollen keine Gedichte schreiben, sondern stellen uns eben etwas anderes vor.
[F] Wie entstehen eure Texte?
[A] Hutti: Wir haben viel gemeinsam gemacht. Hauptschreiber ist definitiv Sebi. Und dann kommen immer mal wieder mehr oder weniger Beiträge von uns anderen. Und jeder von uns singt stellenweise auch. Das klingt dann auch manchmal … [allgemeines Lachen] außergewöhnlich. Aber das kann man auch so verschleiern, dass man das nicht mehr raushört. Der Deckmantel ist unser bester Freund.
[F] Warum habt ihr angefangen, Musik zu machen? Weil euch die Hamburger Schule zu langweilig und zu verkopft war?
[A] Hutti: Nein. Mit den Texten war es ein Prozess; wir haben am Anfang schon versucht, mehr „durch die Blume“ mitzuteilen, jetzt sind wir deutlicher in unseren Texten. Wir haben zwar das ein oder andere Partylied, möchten aber trotzdem keine Mallorca-Hits oder irgendwelche Schenkelklopfer produzieren. In dieser Hinsicht hat sich auch unser neues Album im Vergleich zum vorherigen stark verändert. Auf dem hatten wir noch Texte wie: „Komm wir fahrn nach Tijuana / Tequila, Sex und Marihuana.“ Das ist schon deutlicherer Humor, und davon wollen wir ein bisschen weg. Eben nicht mehr: Hier ist die Pointe, friss oder lass es. Und jetzt ist es immer noch nicht verklausuliert, aber nicht mehr ganz so schenkelklopfermäßig. Das war zumindest unser Anspruch.
[F] Wie läuft es denn mit dem neuen Album?
[A] Sebi: Dazu kann man noch nicht so viel sagen. Das ist ja gerade erst raus. Die erste Reaktion war ganz gut. Wir haben vorhin gesehen, dass wir sogar ein eigenes Fach bei Saturn bekommen haben. Und eine Kritik in der „Bravo“. Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, ihnen fehle dieser „platte“ Humor. Wir haben auch im Vergleich zum vorigen Album einiges an der Musik und an den Texten verbessert. Beim vorigen waren wir natürlich noch jünger. Viele Gedanken haben wir jetzt zu Ende gedacht. Das merkt man an den Texten. Wir haben darüber auch wie beim Kaffeeklatsch gesprochen, was passiert denn jetzt in der Musik und den Texten, wie kann man klar etwas ausdrücken. Und Simon als Deutschlehrer hat dann noch mal den Rotstift angesetzt.
Simon: Wenn mir die Formulierungen oder die Präpositionen nicht gefallen. Kleinigkeiten, bei denen der Text deutlicher wird, wenn man sie verändert.
Hutti: Präpositionen sind bei uns ein ganz großes Thema. Aber das ist auch ein absoluter Rock’n’Roll-Killer.
Simon: Ich sehe es so, beim ersten Album ist vieles einfach so passiert, beim zweiten passiert vieles, weil wir es so wollten. Das meiste ist bewusst so drauf. Viele Dinge sind schon am Anfang des Songwritings so entstanden, dann hat man es geändert und verworfen und ist aber am Schluss doch darauf zurückgekommen, aber man weiß, warum man wieder zurückgekommen ist. Gerade bei dem, was musikalisch passiert, da haben wir uns viele Gedanken zu gemacht, haben alles mehrmals aufgenommen und sind dann erst ins Studio gegangen. Das Album ist insgesamt überlegter.
Hutti: Somit das erste eigentliche Album. Beim ersten, da hat man eine Sammlung von Songs, die irgendwann mal entstanden sind, ob die nun zusammenpassen oder nicht. Dein erstes Album ist immer dein Best-of-Album. Beim zweiten haben wir überlegt, was braucht so ein Album noch, in welche Ecke soll das mal gehen. Da gab es ein Konzept, und wir haben die Zufälle eliminiert. Auch wenn es immer eine Eigendynamik gibt, haben wir einfach mehr geplant. Trotzdem bleibt eine gewisse Spontaneität, und es passiert immer noch viel am Schluss: Einige Songs haben wir sogar noch im Studio umgeschrieben.
[F] Wie habt ihr euch kennengelernt?
[A] Sebi: Simon und ich sind Zwillinge. Wir hatten dann so Bandprojekte in der Schule, und Andy ist irgendwann dazu gekommen. Er ist auch unser Graphiker und für das ganze Artwork zuständig. Hutti haben wir dann mal mit einer anderen Band spielen sehen, und er hat uns beeindruckt. Er hatte so eine Hose, die hinten den Arsch frei ließ, und das hat sich bei uns richtig eingebrannt. Wir dachten: Den wollen wir in unserer Band! Seit drei Jahren sind wir jetzt in dieser Besetzung.
[F] Was macht ihr zurzeit?
[A] Hutti: Wir schreiben schon neue Songs. Es muss ja weitergehen. Wir machen dann Songwriting-Wochenenden in einer Hütte, wo wir von der Außenwelt abgeschirmt sind. Zum Ende des Jahres wollen wir wieder ins Studio gehen. Damit setzen wir uns schon unter Druck, aber das braucht man auch. Musikalisch wird es noch etwas härter, aggressiver.
[F] Wie seid ihr denn zu eurem Namen gekommen?
[A] Simon: Die Frage kommt immer. Er ist uns erschienen … Nein, wir hatten eigentlich den Namen „Uncle Bens“, aber die Firma hat uns irgendwann einen Brief geschickt, dass der Name urheberrechtlich geschützt sei und wir damit keinen Profit machen dürften. Unser damaliger Newsletter hieß „Ben’s Zine“ und daraus ist dann BENZIN entstanden. Wir haben sowieso deutsch gesungen, und da passte ein deutscher Begriff auch besser.
[F] Warum singt ihr auf Deutsch?
[A] Sebi: Die Texte sollen ja eine gewisse Bedeutung haben. Gerade Bands wie SELIG fand ich damals geil und auch deren Art, über die Texte etwas mitzuteilen. Die habe ich zeitgleich mit NIRVANA konsumiert, in einer Zeit, wo alles scheiße war. Auch das Pseudophilosophische hat mich darauf gebracht, mir mehr Gedanken zu machen. Das war die Initialzündung, um in Texten mehr mitzuteilen. Das wollte ich auf Deutsch machen, da mir die Texte wichtig sind. Mit dem Lexikon zu texten, finde ich scheiße, da kommt nichts bei raus.
Andy: „Touch my body, touch my soul.“ Banale englische Texte von deutschen Bands können selbst einen guten Song ruinieren. Die Band scheitert ja nicht an den Ideen, sondern an dem Sprachvermögen. Phantastisch machen das die BEATSTEAKS, bei denen sind die Texte nicht so wichtig, sondern nur ein Stilmittel. Es geht eben um die Energie, den Sound; das wird auch super transportiert.
Simon: Gerade wenn man das häufiger macht – wir haben letztes Jahr 50 Konzerte gespielt –, sollte man ja auch zu seinen Texten stehen können. Und wir wollen das auch lieber ohne Subtext machen, nicht zwischen den Zeilen, sondern wir wollen klar sagen, was wir denken. Dann geht es eher um die besseren Worte. Selbst wenn der Song belanglos ist, gibt es auch für Belanglosigkeit eine deutliche Sprache. Die Musik funktioniert auch besser, wenn du von deinen Songs überzeugt bist.
Sebi: Außerdem verarbeiten wir auch persönliche Dinge in unseren Texten. Das bleibt ja gar nicht aus, wenn man mit offenen Augen durch die Welt geht. Es geht uns nicht darum zu erklären, wie die Welt funktioniert, aber es gibt ja vieles, das treibt einen im Alltag. Die Favoriten jeder Band sind Liebe, Wut, Schmerz; das passiert ganz automatisch. Dann kann man auch sagen: Das ist meine Band, das ist mein Song, und das ist ein Teil von mir. Wir hatten auch einen Song, so Herzscheiße von Hutti, den wollte ich einsingen, aber das hat einfach nicht funktioniert. Damit habe ich mich nicht wohl gefühlt. Das Lied hat Hutti dann selbst gesungen. Das soll auch authentisch sein, nicht affektiert.
[F] Revolution scheint ein weiteres wichtiges Thema für euch zu sein. Warum?
[A] Hutti: Revolution. Anarchie. Gerade bei diesem Album stand der Aufbruch im Zentrum. Wir haben längere Zeit mit verschiedenen Produzenten und Labels verhandelt. Irgendwann reichte uns das, und wir dachten, wir machen das jetzt einfach, wir nehmen das jetzt auf und nach uns die Sintflut. Alles andere hat sich dann später erst ergeben. Deswegen auch der Titel „Auf los geht’s los.“
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