Es ist halb acht, und vor dem KUZ steht eine beachtliche Schlange, um die man nicht drum herum kommt, wenn man denn Tickets reserviert hat. Dass es heute hier an dieser Kasse auch nur reservierte Karten abzuholen gibt, wird extra groß angepriesen, denn das KUZ ist ausverkauft.
Hat man es schließlich hinein geschafft und sich sein wohlverdientes Bier an der Theke abgeholt, um die an diesem Tag doch eher raren Sonnenstrahlen im angegliederten Biergarten zu genießen, muss man plötzlich etwas schneller trinken, denn Punkt acht Uhr fängt tatsächlich die Vorband an. Das ist man ja nun absolut nicht gewöhnt – der tighte britische Zeitplan bei Konzerten, nach dem man auf der Insel durchaus seine Uhr stellen kann.
Eine geschlagene halbe Stunde bekommt Nick Talbot, um seine sphärischen Kleinode unters Volk zu streuen. Nick Talbot, so sollte man wissen, ist der Kopf hinter GRAVENHURST, die mit ihrem dritten Album „Fires in distant buildings“ im letzten Jahr begeisterte Kritiken einfahren durften. Und so gibt es drei in sich versunkene Musiker (wobei man beim Drummer ob seiner Energie Angst haben muss, er könnte sich selbst verletzen) und scheinbar ins Unendliche gedehnte Songs, hin und her gerissen zwischen düsterer Fragilität und eruptiver Gewalt. Die ehrfurchtsvolle Stimmung, die GRAVENHURST’s Musik eigentlich impliziert, will aber nicht so recht aufkommen. Liegt es an der doch so frühabendlichen Stunde und dem verlockenden Biergarten oder an den anhaltenden angeregten Gesprächen im Publikum? Oder doch einfach daran, dass das KUZ und der Slot als Support für die Sunshine-Popper BELLE & SEBASTIAN vielleicht nicht die glücklichste Konstellation für ein GRAVENHURST-Konzert darstellt? Wie auch immer, reichlich schade ist es allemal.
Eine weitere halbe Stunde später betreten BELLE & SEBASTIAN die Bühne und man kann jetzt schon feststellen: diese Band wird von ihren Fans abgöttisch geliebt. Neben der siebenköpfigen Stamm-Mannschaft gibt es wieder eine Cellistin und allerhand Instrumentarium bis hin zur Triola. Frontmann Stuart Murdoch ist wie immer bestens gelaunt, trägt (wie immer?) sein viel zu knappes weißes Fred Perry-Shirt und plaudert ungehemmt über sein Jackett, die Unart, eine Fahrkarte für die Bahn zu lösen und eben dieses und jenes. Heimlicher Mittelpunkt auf der Bühne ist jedoch Gitarrist und Gelegenheitssänger Stevie Jackson mit seiner drolligen Art. Irgendwie lebt der 60s- und 70s-Connaisseur in seiner ganz eigenen Welt, hat man manchmal das Gefühl. Aber ein verlegen-verwegenes Lächeln oder eine Geste reichen aus, und das Auditorium ist sichtlich erfreut.
Geboten wird ein Querschnitt aus zehn Jahren BELLE & SEBASTIAN mit einem erstaunlichen Augenmerk auf den Erstling „Tigermilk“. Dagegen gibt es mit „The wrong girl“ nur einen einzigen Song von „Fold your hands child…“, „If you’re feeling sinsiter“ wird gar ganz übergangen. Die neuen Songs stehen den alten in nichts nach. Immerhin wurde mit „The life pursuit“ doch eine ungewohntere, weil viel lässigere Richtung eingeschlagen. Da finden sich plötzlich Glam-Einsprengsel, ein luftiger Sixties-Beat oder Funk-Anleihen. Da kann auch Stuart Murdoch nicht mehr an sich halten und tanzt munter über die Bühne. Das ist niedlich, weil auf eine Art ungelenk, macht ihn aber auch so unglaublich sympathisch. Die Zugabe fällt mit nur zwei Songs vergleichsweise mager aus. Ein ungläubiger Blick zur Uhr bestätigt dann aber doch eine amtliche Spielzeit von zwei Stunden. Komisch, hat man gar nicht gemerkt.
Als Rausschmeißer gibt es nach unzähligen Zurufen aus dem Publikum und einer kleinen Beratschlagung auf der Bühne doch noch das großartige „Lazy line painter Jane“, allerdings nur unter der Bedingung, dass sich ein paar sangeswillige Mädels finden, die den weiblichen Gesangspart übernehmen. Da finden sich auch zwei, die sich dann allerdings doch nicht so richtig trauen, aber trotzdem Applaus für die gute Absicht bekommen.
Was den Merchandise-Stand anbelangt – Kartenspiel, Puzzle, Kühlschrankmagnete (über Sinn oder Unsinn derartiger Devotionalien streiten wir mal an anderer Stelle, zumindest unterstreicht es einmal mehr die Sympathie dieser Band) – da schlägt jedes Fanherz höher, wird aber gleich wieder auf den Boden der Tatsachen zurück geholt, wenn es erst mal die Preise erfährt. Nun gut, die Playlist von der Bühne hat ja schließlich auch ihren Erinnerungswert. Und sonst bleibt noch zu verbuchen: Ein äußerst kurzweiliger Abend und die wohl sympathischste Band der Welt.