Produzent Paul Bothén (Kristofer Aström, THE BEAR QUARTET) ließ sich von den vier Schwedinnen so beeindrucken, dass er unentgeltlich den Studioaufenthalt verlängerte. Herausgekommen ist mit „Visible forms“ schließlich ein gefühlvolles, verträumtes Album mit einer detailverliebten Produktion, das Ende letzten Jahres auf Sinnbus Records veröffentlicht wurde und sich auf ähnlichen Pfaden bewegt, wie es auch RACHEL’S und LOW machen. Aber AUDREY können nicht nur durch melancholisches Songwriting überzeugen, live steht vor allem der bis zu vierstimmige Gesang der Band im Mittelpunkt.
Vor ihrem Konzert im Fundbureau führte ich ein Interview mit Gitarristin Victoria und Cellistin Emilie, nur leider war auf dem Diktiergerät aufgrund des noch stattfindenden Soundchecks des Supports und vorbeifahrender Züge kaum etwas zu vernehmen, so dass am Ende auch noch Schlagzeugerin Anna und Bassistin Rebecka per E-Mail-Interview zu Worte kamen. Lest unter anderem, warum es auch heute für Frauen in der „Musik-Szene“ noch schwierig ist:
[F] Ihr habt mit ALARMA MAN gemeinsam, dass Ihr beide aus Göteborg stammt und mit Sinnbus Records hierzulande das gleiche Label gesignt habt. Hattet Ihr schon vor dem Deal Kontakte zueinander?
[A]Rebecka: Ja, wir sind uns schon vor Sinnbus häufiger über den Weg gelaufen.
[F] Im Ausland wurde Euer neues Album bereits auf anderen Labels veröffentlicht. War es Zufall, dass Euer Artwork da so gut in das Sinnbus-Schema passte?
[A]Rebecka: Es dürfte ein reiner Zufall gewesen sein, aber ich weiß, dass es für die Sinnbus-Leute sehr wichtig ist, dass das Plattencover und die Musik gut zusammenpassen, und wir sehen das genauso. Vielleicht passen wir deshalb so gut zusammen.
[F] Eure Musik klingt zwar recht ruhig, wobei sie jedoch nicht so reduziert ist wie bei vielen anderen Bands. War das gewollt?
[A]Rebecka: Nein, das war keine bewusste Entscheidung. Dies kam halt einfach dabei heraus, wenn wir vier zusammen musizieren.
[F] Wenn es möglich wäre, auf entgegengesetzte Weise schöne Musik zu schreiben, könntet Ihr Euch dann vorstellen, laute Musik zu machen?
[A]Rebecka: Ich denke, dass auch sehr laute Musik schön sein kann. Eine schreiende Stimme kann beispielsweise eine richtig schöne Geschichte erzählen. Ich kann mir definitiv vorstellen, dass wir laute Musik machen. Wir mögen laute Musik.
[F] Was macht Eure Musik einzigartig?
[A]Rebecka: Ich denke, das Einzigartige an unserer Musik ist, dass wir unsere Stimmen wie normale Instrumente nutzen, anstatt sie die Musik „leiten“ zu lassen. Wir wollen, dass alle „Instrumente“ gleichberechtigt sind. Ein anderer Punkt ist, dass es scheint, dass die Leute etwas „fühlen“, wenn sie unserer Musik zuhören (zumindest sagen sie uns das), einige werden fröhlich, andere traurig, manche ruhig, andere fühlen sich weniger einsam… Das ist wahrscheinlich nicht einzigartig, aber wir sind darauf zumindest sehr stolz. Wir mögen gerne Menschen bewegen.
[F] Wie kam es zu der Bekanntschaft mit Paul Bothen als Produzent?
[A]Rebecka: Wir mochten seine bisherigen Arbeiten und dachten, dass er als Produzent für unser erstes Album perfekt wäre. Wir schickten ihm unsere EP zu, er mochte sie, wir trafen uns, fühlten eine Verbundenheit, sprachen alles durch, und dann… sagte er, dass er mit uns arbeiten will! Und wir wollten auch noch immer mit ihm arbeiten.
[F] Wie lange wart Ihr im Studio? Und wie war die Arbeit?
[A]Anna: Wir fingen im Sommer mit den Aufnahmen an und schlossen die Platte im Januar ab. Wir hatten etwa einen Monat effektive Studio-Arbeit auf diese Zeit verteilt. Die Arbeit war sowohl fantastisch als auch schrecklich. Wie es sein sollte…
[F] Wollt Ihr die Produktion bzw. den Produzenten zum nächsten Album wechseln? Falls ja, warum?
[A]Anna: Ich denke, wir haben während der Arbeit mit Paul viel gelernt. Wissen, das wir für kommende Aufnahmen nutzen können. Vielleicht nehmen wir unser nächstes Album selbst auf.
[F] „Visible forms“ klingt für ein Debütalbum schon ziemlich perfekt. Habt Ihr da nicht Sorge, dass die Erwartungen Eurer Fans zu hoch sein könnten?
[A]Anna: Darüber haben wir noch nicht wirklich nachgedacht… Aber natürlich geben wir unser Bestes, um niemanden zu enttäuschen!
[F] Viele female Bands machen Punkrock (THE DONNAS, HOLE, SATIRNINE). Was denkt Ihr, warum das so ist?
[A]Anna: Vielleicht, weil sie die Musik mögen. Warum machen THE HIVES Punkrock? „Because they wanna.“ Da gibt es keinen Unterschied. Wenn Leute an Bands denken, wo nur Frauen mitspielen, neigen sie oft dazu, an Punkrock zu denken, weil diese Bands viel im Radio usw. laufen. Eine Tatsache ist jedoch, dass es draußen eine Menge Mädchen/Frauen gibt, die KEINEN Punkrock spielen. Ich denke, dass weibliche Punkrock-Bands mehr Aufmerksamkeit kriegen als beispielsweise eine gute Singer/Songwriterin, weil Punkrock im Vergleich zur Singer/Songwriter-Szene noch immer eher ein männliches Territorium ist, und weil man von Frauen erwartet, süß zu sein und nicht roh.
[F] Denkt Ihr, dass es für Frauen im „Musikbusiness“ noch immer härter ist als für Männer? Wo liegen die Vorteile?
[A]Anna: Der Vorteil von vier Frauen in einer Band ist, dass es etwas anderes ist. Man kriegt als Frau/ vier Frauen in einer Masse männlicher Musiker mehr Aufmerksamkeit.
Es ist allerdings hart, dass man als Musikerin ständig beweisen muss, dass man gut genug ist. Oder besser als gut genug. Als gute Band anerkannt zu werden, bedeutet, dass man hervorragend sein muss. Ansonsten konzentrieren sich die Leute eher aufs Aussehen usw. Traurig. Wir hatten damit vor allem so lange zu kämpfen, bis wir einen Plattenvertrag bekamen. Diese „Gut-für-Frauen“-Einstellung ist in vielen Musikszenen heutzutage ein ernstes Problem, wenn Du mich fragst.
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