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DIE NERVEN – Musik als Konzept

Es ist Mitte Dezember und zu der ohnehin viel zu früh einsetzenden Dunkelheit gesellt sich eine unangenehm kalte, steife Brise, die über den Kiez weht, einen den Nacken einziehen und die Hände tiefer in die Taschen vergraben lässt und die die übliche Melange der Kiez-Kontraste aus Party-Tourismus, Business-Menschen, Subkultur, gescheiterten Träumen und hochfliegenden Erwartungen noch stärker hervortreten lässt. So oder so ähnlich geht es mir jedenfalls durch den Kopf, während ich vor der (leider vom Abriss bedrohten) Meanie Bar stehe und auf DIE NERVEN warte, mit denen ich vor ihrem Konzert zum Interview verabredet bin.
Es ist der Tag der Veröffentlichung ihres ersten über ein Label herausgebrachten Albums „Fluidum“ und ich bin erwartungsvoll, wie man es nur sein kann, sowohl auf das Interview als auch auf das anschließende Konzert in der Meanie Bar. Nicht nur, weil das Album für mich zu den besten Veröffentlichungen, die ich 2012 mitbekommen habe zählt, sondern auch weil dem Abend diese spezielle Atmosphäre innewohnt, die herrscht, wenn man das Gefühl hat, dass sich etwas tut in Sachen Subkultur.
Nach wetterbedingt verspäteter Ankunft, treffe ich auf eine gut gelaunte und aufgrund des Verlaufs des gestrigen Konzertabends im Berliner Monarchen immer noch ein wenig euphorisierte Band DIE NERVEN, bestehend aus Max (Git/voc), Julian (Bass/Voc) und Kevin (Drums) sowie Tourbegleiter, Fahrer und Merch-Mann Benjamin. Gemeinsam kämpfen wir uns durch die sterilen Hochglanzfassaden und das neue Gesicht des Kiezes auf dem Gelände der alten Astra-Brauerei, um in die Kombüse in der Bernard-Nocht-Straße zu gelangen, wo wir in Ruhe sitzen und reden können. Es ist, wie sich herausstellen sollte, das erste DIE NERVEN–Interview.

Euer Album „Fluidum“ ist draußen. Was könnt Ihr über den Entstehungsprozess der Platte erzählen? Ihr habt das Album ja in Eigenregie aufgenommen, oder?
Max: Wir haben Mitte 2012 angefangen, die Songs für „Fluidum“ zu schreiben, haben die geübt, aufgenommen, immer wieder modifiziert und haben dann mit sieben fertigen Songs sozusagen unser eigenes Studio aufgebaut, in einem großen Raum in Esslingen im KOMMA. Diese sieben Songs haben wir dann am ersten Tag aufgenommen und haben uns am zweiten Tag darauf beschränkt, zu jammen und nochmal neue Songs zu schreiben. Und dann sind noch drei dazugekommen.
Julian: Man muss dazu sagen, dass unsere Musik relativ intuitiv passiert. Die Songs entstehen eigentlich oft während des Spielens, es gibt wenige, die schon geschrieben sind. Meistens haben Max und ich auch einfach nur mal Texte dabei. Ich glaube, wir treffen uns vielleicht dreimal im Jahr und spielen zusammen im Proberaum. Wir sind also keine Band, die sich großartig zusammensetzt und probt. Also zumindest nicht für das Album.

Das heißt Ihr habt zuerst Texte und schreibt dann Songs?
Max: Nein, das ist immer unterschiedlich. Es fängt immer mit einer Idee an, und dann probieren wir und schauen, wie es funktioniert, und dann hat vielleicht noch jemand eine andere Idee – das entwickelt sich halt.

Und es ist so, dass Du die Platte produziert hast, Max?
Max: Ja, ich bin der einzige von uns, der einen Computer bedienen kann (lacht). Ja, ich hab das aufgenommen, es war sozusagen unter meiner „Schirmherrschaft“.

Ich stelle mir vor, dass das auf der einen Seite sehr vorteilhaft sein kann, weil man dadurch ästhetische Ideen direkt umsetzen kann, wenn man das selber macht. Aber kann das nicht auch problematisch sein, weil man dann Gefahr läuft, dass man zu tief drin steckt und sich verzettelt?
Julian: Ich glaube, das zeichnet unsere Band aus, dass wir die Musik eigentlich nur für uns machen. Deswegen ist es uns eigentlich auch relativ egal.
Max: Es passiert halt. So wie es ist, ist es halt, und das war’s.
Julian: Wir sind dann auch mehr oder weniger zufrieden damit. Also, es gibt auch Lieder, die haben wir zu oft gespielt, dann gefallen sie uns nicht mehr, das ist ja ganz normal. Aber wir stehen hinter allem, was wir machen. Dadurch machen wir uns natürlich angreifbar, aber für uns ist es irgendwie selbstverständlich, dass wir die Musik für uns machen.
Kevin: Es gibt fast keine Songs, die wir zu oft gespielt haben, weil wir die meistens auch noch nachträglich modifizieren, z.B. von der letzten Platte, die es nur als DIY-CD gab, spielen wir immer noch Songs, die ganz anders klingen als auf der CD selber.
Julian: Ja, das eine Lied auf „Fluidum“ mit dem Titel „Bald“, das war schon auf unserem zweiten Album drauf, also von unseren Lo-Fi-Alben, die wir gemacht haben, die jetzt verschwunden sind, aber die es als Internet-Download gab…

Achso, ich dachte es gab davor nur noch „Asoziale Medien“ und…?
Max: „Fluidum“ ist eigentlich schon unser fünftes Album. Unser erstes Album hieß „Happy Polka“, das ist komplett improvisiert eingespielt worden, da waren bloß Julian und ich dabei. Wir haben uns in einen Raum gestellt mit zwei, drei Mikrophonen, das Ding aufgenommen und nach zwei Stunden schon im Internet hochgeladen – also richtig grottenschlecht. Aber trotzdem waren irgendwie ein paar interessante Sachen dabei. Beim zweiten Album hatten wir dann noch einen Schlagzeuger dabei – nicht Kevin. Und dann gab’s noch ein Live-Album und ein viertes Album, das eigentlich das Schlimmste ist. Und dann eben „Asoziale Medien“. Das ist auch komplett improvisiert eingespielt worden. Der einzige Unterschied ist, dass wir da Texte hatten. Julian hatte vorher alle Texte geschrieben und die ausgedruckt…
Julian: Teil des Gesamtkonzeptes, das wir uns vor den Aufnahmen überlegt hatten, war, dass das auch den Text mit einfassen sollte. Davor beinhaltete das Konzept meistens nur die Instrumentierung, und die Idee war, z.B. in drei Stunden irgendwie das Album aufzunehmen, das Artwork zu machen und hochzuladen – an einem Nachmittag.

Und wie lange hat das jetzt bei „Fluidum“ gedauert?
Max: Das hat zwei Tage gedauert. Da haben wir gedacht, wir machen es diesmal anders und gucken, was wir wirklich machen können. Wir könnten uns für das nächste Album auch vier Wochen irgendwo verkriechen, und dann würde nochmal was ganz anderes rauskommen. Das sind immer Vorgaben, die wir uns setzen. Wir werden das niemals gleich machen, unser nächstes Album wird wahrscheinlich auch nicht wie „Fluidum“ klingen, weil wir dann vielleicht einen ganz anderen Ansatz haben, wie wir aufnehmen.

Wie kam dann der Kontakt mit This Charming Man Records und Fin Du Monde zustande?
Max: Das lief über MESSER – weil wir irgendwie mit MESSER in Kontakt gekommen sind. Wir haben denen den Rough Mix von unserem Album mal gegeben, weil wir auch keine Ahnung hatten, wem das denn gefallen könnte. Und dann haben sich zwei Label erbarmt, das zu veröffentlichen.
Julian: Sonst wäre das wahrscheinlich schon seit zwei Monaten ohne Schallplatte im Internet veröffentlicht, oder wir hätten es irgendwie selber auf CDs gebrannt oder so.

Zu dem Begriff „Fluidum“: Wenn man im Wörterbuch nachschlägt, heißt es da, Fluidum sei „eine besondere von einer Person oder Sache ausgehende Wirkung, die eine bestimmte geistige Atmosphäre schafft.“ Was verbindet ihr denn damit in Bezug auf eure Platte?
Julian: Ja, damit ist ja eigentlich schon alles gesagt. Nein, Quatsch. Wir hatten noch keinen Titel für das Album, als wir es dann fertig hatten, und Max meinte, er möchte ein Wort haben, das man nicht sofort entschlüsseln kann, was sich gut anhört und irgendwie auch so was Tragendes hat. Dann habe ich angefangen, im Internet Wörter zu suchen, die sich gut anhören und die sowas Bestimmtes beschreiben und bin dann auf „Fluidum“ gestoßen und hab gedacht: Das ist irgendwie das Richtige, weil eben diese Begriffsbeschreibung von Fluidum, wie Du sie ja gerade auch vorgetragen hast, sich im übertragenen Sinne auch auf Musik anwenden lässt bzw. auf unsere Musik. Also, das ist jetzt vielleicht auch arrogant gesagt, aber dass einen die Musik dann irgendwie in eine bestimmte Stimmung versetzt, so wie jede Musik einen in eine bestimmte Stimmung versetzt…
Max: …oder uns selbst auf jeden Fall.
Julian: Ich finde es auch gut, dass der Albumtitel mit dem Album an sich und mit den Texten überhaupt nichts zu tun hat. Ich finde, es ist irgendwie trotzdem stimmig.

Ich hatte den Eindruck, dass vielleicht so etwas wie eine übergreifende Idee der Platte eine bestimmte Haltung ist. Dass es jedenfalls sehr oft um persönliche Begebenheiten geht, die ein gewisses Maß an Offenheit oder kritischer Reflexion von einem verlangen, und dass man die ganz oft in der Welt so nicht vorfindet.
Max: Ja, vielleicht schon. Kann schon sein.
Julian: Wir hatten uns jetzt nicht auf ein Thema bei den Texten festgelegt. Aber es war schon grob so etwas im Raum, wie sich die Texte anhören sollen. Wir haben die jetzt 50/50 geschrieben, aber es ist schon eine gewisse Atmosphäre in den Texten oder eine gewisse Haltung, die sich durchzieht. Auch wenn jetzt manche meinen, das wäre arrogant so zu singen, so singen wir doch eigentlich in unseren Texten immer aus der Sicht von anderen Personen. Also nicht über irgendwelche anderen – wie hieß es da in der SPEX: „Von oben herab.“ Wir singen nicht von oben herab über irgendwelche Leute, sondern wir singen aus der Sicht irgendwelcher Leute, die in einer bestimmten Stimmung sind, oder sich Gedanken machen oder was weiß ich. Es muss einfach alles passen. Musik und Text muss einfach zusammen passen. Deshalb auch diese Wiederholung. Es wird uns vorgeworfen, es ist repetitiv – aber es passt halt einfach, finden wir.

Findet Ihr denn wichtig, dass Musik oder vielleicht Kunst im Generellen auch immer ein bisschen die Funktion haben muss, die Leute zu nerven?
Max: Nein, darum geht es nicht. Viele Leute verstehen nicht, dass wir Musik nicht als Unterhaltung machen. Wir geben mit unserem Album oder unseren Konzerten Leuten die Möglichkeit zu sehen, was wir machen. Was wir in kleinem Kreise gemacht haben, zeigen wir jetzt anderen. Wenn’s anderen gefällt, ist es gut, wenn’s ihnen nicht gefällt, ist es auch okay, aber es ist nicht wichtig, ob Musik nervt. Der Künstler muss damit einverstanden sein, aber der Künstler darf nicht überlegen, ob es jetzt dem Publikum gefällt, weil sonst ist es verwaschen.
Kevin: Wir haben einfach gar nicht darüber nachgedacht, ob es nervt oder nicht, sondern es ist einfach nur das, was man empfindet und für richtig hält.
Max: Ja, was in dem Moment richtig ist.
Julian: Wir hatten vorhin im Auto auch ein Gespräch, in dem es darum ging, dass unser Begriff von Musik irgendwie auch viel mit Kunst zu tun hat. D.h. wir machen die Musik für uns, wie der Maler seine Bilder im Atelier malt oder seine Kunst macht, sich Dinge ausdenkt, ein Konzept dahinter hat, und dann wird’s in die Ausstellung oder ins Museum gehängt, so, wie wir das dann quasi auf Tonträger veröffentlichen oder eben live spielen. Damit machen wir uns natürlich irgendwie angreifbar, habe ich ja schon mal gesagt, aber deswegen muss es nicht unbedingt nerven, wir machen es einfach so.
Ich würde sagen, DIE NERVEN sind für uns selber auch schon immer – zumindest waren sie es am Anfang – so eine Art von Ventil, wo man einfach auch mal so richtig laut Musik machen konnte. Und ich finde, das ist immer noch so. Deswegen klingen wir vielleicht auch so wütend.

Es ist ja auch so, dass sich Emotionen in der Musik total unterschiedlich äußern können. Wut zum Beispiel ist ja nicht nur ausdrückbar durch Härte und Schnelligkeit, sondern es gibt ja auch Songs, die eher ruhig sind, die aber so eindringlich sind, dass es von der Emotionalität vergleichbar ist.
Max: Dazu gibt es eine schöne Metapher. Es gibt ja 3D-Filme und alle 3D-Filme, oder die, die jetzt gerade populär sind, sind dafür konzipiert, dass das Bild nach vorne geht. Was weiß ich: Ein Zug kommt, und man hat Angst, dass der Zug in einen reinfährt. Aber es gibt ganz wenige Filme, wo die 3D-Technik dafür benutzt wird, dass es nach hinten in den Raum reingeht. Und genau das: Wir haben auch ein paar ruhige Stücke, die auch irgendwie eine Emotion tragen, obwohl sie jetzt gar nicht nach vorne gehen, sondern die kommen von unten heraus.

Im Internet und auch in dem Promozettel, der mir gegeben wurde, werden als Referenz häufig frühe NDW-Bands und Achtziger Wave genannt. Hört Ihr überhaupt selber so ’ne Musik?
Julian: Also, ich mag diese New Wave-Sachen sehr gerne und auch diese ganzen Punksachen. Zum Beispiel die erste ABWÄRTS-Platte mag ich ziemlich gerne und so was. Aber ich würde nicht sagen, dass wir jetzt unseren Musikgeschmack einschränken oder so. Wir haben alle drei so einen weiten Musikgeschmack, der trotzdem auch total individuell ist, aber offen für alles. Wir mögen alles – oder nichts. Je nachdem. Wir sehen auch keinen Unterschied zwischen Mainstream und Untergrund oder sowas. Aber ich würde jetzt auch nicht sagen, dass die frühen Achtziger uns total beeinflusst haben. Vielleicht vom Ansatz, Musik zu machen: Das „Es-einfach-machen“.
Max: Also, ich persönlich habe überhaupt keine Band oder irgendetwas, was ich großartig als Vorbild habe, sondern es ist halt in einem drin, man hat’s vielleicht gehört, und dann passiert’s aus einem heraus. Aber es gibt mir zu viele Bands, die sagen: Ja, wir machen jetzt so was wie die FEHLFARBEN, so wie damals. Wir wollen nicht nochmal was Aufgewärmtes sein von irgendwas.
Kevin: Aber ich glaube, niemand von uns ist jetzt wirklich so der Hardcore-Enthusiast, was deutsche Punkmusik – Achtziger Jahre angeht, oder?
Julian: Am meisten wahrscheinlich noch ich, denn ich mag da einfach viele Sachen aus den Achtzigern. Ich hab da schon ne leichte Affinität dazu, aber ich mag auch die ganzen Sachen aus Hamburg usw. Klar hat man da irgendwann mal große Vorbilder gehabt oder Bands, die man total gerne mag, aber dann gibt’s auch noch daneben tausend andere Bands, die ich gut finde und nochmal irgendwelche Lieder, die im Radio laufen, die auch gut sind, was weiß ich, ist doch egal. Wir schränken uns da nicht ein.
Kevin: Aber es ist jetzt nicht so, dass sich jetzt drei gefunden haben, die alle auf ABWÄRTS und FEHLFARBEN stehen.
Max: Du solltest mal unsere Tourmix-CD hören…

Was ist da drauf?
Max: Von HGich.T über ALIZÉE, was ist da noch drauf…?
Julian: Also, ich kann mal sagen, wie die anfängt: STUDIO BRAUN mit dem KELLY-FAMILY-Scherz, direkt danach kommt ALIZÉE mit „Moi Lolita“, dann kommt BOYS BEACH mit „Kranke Jugend“ oder so… Naja, ist ja auch egal. Einfach keine Einschränkungen. Und kein Haupteinfluss.

Im Internet habe ich in einem Interview über euch erfahren, dass ihr Euch auch für andere kulturelle Felder interessiert. Bei dir, Julian, stand im Interview, dass du auf Yves Klein stehen würdest?
Julian: Darf ich dazu mal was sagen? Also, dieses Interview haben wir dieser komischen Musikseite gar nicht gegeben, sondern das war ein Fragebogen, den wir zugeschickt bekommen haben, und damals waren wir noch gar keine Band, sondern kannten uns vielleicht ein paar Monate und hatten halt drei Lieder zusammen aufgenommen, so zum Spaß, hießen aber schon DIE NERVEN. Und dann haben wir gedacht: Hey, wir machen jetzt so ein Interview, damit die Leute denken, wir sind ne Band. Wir sind aber erst später ne Band geworden. Und in diesem Interview steht drin, ich wäre gerne bei den Kunstperformances von Yves Klein dabei gewesen. Das habe ich einfach so geschrieben. Also, ich wäre natürlich gerne dabei gewesen, weil ich es interessant finde, aber ich bin kein enthusiastischer Anhänger von Yves Klein.
Ich male zwar auch, würde mich jetzt aber nicht als den Überkünstler bezeichnen. Aber ich hab auf jeden Fall auch ein ziemlich großes Interesse an Moderner Kunst. Deswegen ist unser Musikbegriff auch so kunstbelastet, würde ich mal sagen.

Seht ihr denn auf ästhetischer Ebene Überschneidungen, oder findet man ästhetische Ideen in der Kunst, die vielleicht auch was mit eurer Musik zu tun haben?
Max: Naja, es ist ja sowieso so, dass alles ineinander greift. Die Musik ist doch nur ein einziger Sinn. Es geht um viel mehr eigentlich. Es geht nicht nur um Musik.
Julian: Es kann ja auch sowas wie Kunstperformance mit einfließen oder so…
Vielleicht am ehesten in dem Sinne, dass bei uns oft das Konzept an sich einfach ziemlich wichtig ist.

Genau, darauf zielte eigentlich meine Frage, ob es ästhetische Ideen gibt, die dann auch in die Musik mit einfließen…
Julian: Ja, jetzt nicht konkret, aber ich würde mal sagen, so ein Konzept, wie es vielleicht auch in der Kunst stattfindet oder wie es ein Künstler, der Konzeptkunst macht oder sich Gedanken macht, so was ist bei uns von Anfang an wichtig gewesen, weil wir uns ja zum Beispiel am Anfang als Band verkauft haben, obwohl wir noch gar keine waren oder eben diese konzeptionelle Herangehensweise, dieses Album in drei Stunden fertig produziert im Internet zu haben.

Was hat es eigentlich mit dem Kollektiv für Ohrenbetäubung auf sich?
Max: Dazu muss man auch erstmal sagen, dass da, wo wir herkommen, es nicht so viele Freaks gibt – ist so. Und es ist ziemlich schwierig, die zusammenzuklopfen, und das haben wir eben mit diesem Kollektiv für Ohrenbetäubung, das wir gegründet haben, versucht. Weil irgendwie lose tauchen immer mal ein paar interessante Bands im Stuttgarter Raum auf, aber die haben meist keine großartige Verbindung, und das versuchen wir damit zu kompensieren. Kevin macht zum Beispiel auch eine eigene Konzertreihe namens „Trashival“, wo er versucht, die besten Lo-Fi-Garagerock, was weiß ich, zusammenzubringen – also interessante Dinge einfach…
Kevin: …also, alles, was halt mutig ist und wovon wahrscheinlich die meisten Konzertveranstalter die Finger lassen würden in Stuttgart – solche Sachen.
Julian: Wobei sich oft für dieses Festival Bands auch neu gründen, da sind schon so viele Bands entstanden, weil sie da die Auftrittsmöglichkeit hatten. Es war immer ein Anlass, wieder mal was Neues zu machen, etwas Neues in die Welt zu setzen. Und es gibt dem Ganzen einfach einen Namen. Das ist ja vielleicht im gröbsten Sinne auch marketingtechnisch gedacht, dass es einen Namen gibt, damit die Leute das in Verbindung bringen.
Kevin: Hat ja auch gefruchtet mit nem Special auf byte.fm
Max: Hat ja auch gefruchtet, sonst wüsstest du es nicht.
Julian: Und jetzt hörst du dir vielleicht auch die Solo-Projekte von mir oder vom Kevin oder die anderen Sachen von uns an oder so.

Was steht 2013 bei Euch an?
Max: Soweit denken wir gar nicht. Nein, also wir haben vor, irgendwann so im März vielleicht eine ein bisschen ausschweifendere Tour zu spielen. Ob es zustande kommt, wissen wir noch nicht. Und vielleicht werden wir uns auch mal, wenn wir jetzt nach Hause kommen, von unserem Hype erholen und uns dann mal in den Proberaum stellen und anfangen, neues Material zu schreiben.
Kevin: Ich glaube, im Augenblick erholen wir uns gerade vom Hype, weil wir noch so ein bisschen ne Distanz haben zu dem tatsächlichen Hype und irgendwie nur das mitkriegen, was wir gerade vor Augen haben, so kommt es mir vor.
Max: Schreib nicht Hype, weil wir werden ja gar nicht gehypt. Das stimmt ja überhaupt nicht.
Kevin: Aber es kommt trotzdem ziemlich plötzlich, wenn man bedenkt, dass wir noch vor neun oder zehn Monaten in Jugendhäusern gespielt haben, vor drei Leuten, die das vielleicht interessiert hat.
Max: Ich glaube, wir sind vor drei oder vier Monaten tatsächlich erst ne Band geworden.
Julian: Davor waren wir keine Band eigentlich, ja. Das hat sich erst so entwickelt mit den paar Auftritten, die wir hatten, bevor wir das Album aufgenommen haben. Dann mit dem Aufnehmen des Albums und eben mit allem, was danach passiert ist. Also, dass wir dann den Plattenvertrag bekommen haben, und wie gut dann unser LANA DEL REY-Cover angekommen ist.

Wollt ihr noch irgendwas loswerden, was Euch auf dem Herzen liegt?
DIE NERVEN: Nö.
Max: Hört euch unser Album an, es ist ganz nett. Wir sind einigermaßen zufrieden damit.
Julian: Die nächsten fünf sind eigentlich auch schon fertig, dürfen wir nur noch niemandem verraten. Nee, Quatsch.
Kevin: Ich mach nächstes Jahr hundert.
Max: Ja, das ist vielleicht noch interessant: Er hat sich unter dem Namen MELVIN RACLETTE, das ist sein Alter Ego, sein Künstlername, dazu verpflichtet, hundert Solo-Alben aufzunehmen und zu veröffentlichen und dazu einen elftägigen Spielfilm zu drehen. Das ist das Kevin Kuhn Project.
Kevin: Wir haben vorher auch noch beschlossen, in Stuttgart ein Musikfestival stattfinden zu lassen, das 24 Stunden am Stück geht. Aber das steckt auch noch in den Kinderschuhen. Es spielen etwa fünfzig Bands, wahrscheinlich spielen wir in 25 davon auch schon selber mit.
Julian: Jetzt hast du, glaube ich, noch mal ganz schön gesehen, wie Konzepte bei uns entstehen und wie das dann aussieht.
Kevin: Wenn Du auch Musik machst und Bock hast, nach Stuttgart zu kommen, dann kannst du da auch auftreten.
Max: Aber das darf nicht zu professionell sein…
Kevin: …es muss immer noch einen trashigen Charakter haben.
Max: Also, du solltest zum Beispiel mit einer ungestimmten Linkshänder-Gitarre kommen und die links spielen und dann würden dich alle abfeiern, aber wenn du mit deiner Rockband mit zwei Gitarristen und Bass und Schlagzeug und Keyboarder kommst, dann buhen dich alle aus bei dem Event, das ist so.

Ich danke Euch für das Interview!

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