Endlich! Hier ist er, der Beweis, dass GREEN JELLŸ (jetzt trotzdem weiterlesen!) ihre Spuren in der Popkultur hinterlassen haben! Wer noch deren Album „Cereal killer“ kennt, der erinnert sich mit Sicherheit an das knallbunte Gatefoldcover der LP mit den völlig durchgedrehten Comics. So oder so ähnlich sieht das bei MEGACHURCHs zweitem Album „Judgment day“ auch aus: Auf dem Cover ein feuerschwertschwingender Mann im grauen Anzug, der mit Kruzifix um den Hals vor einem lila speienden Vulkan auf einem Drachen reitet und im Inneren des knallbunten Digipacks einen Radioprediger mit Hilfe dieses Drachens grillt! Im Gegensatz zu den Erstgenannten geht es MEGACHURCH aber nicht um Grenzerfahrungen in der Performance oder die Auflösung von geschmacklichen Konventionen (Würde mich mal interessieren, ob GREEN JELLŸ das auch so sehen, oder ob die einfach nur wahnsinnig waren), sondern darum, sich Luft zu verschaffen im stark rechtskonservativ geprägten Umfeld von Cleveland/Ohio, mitten im Kerngebiet des sogenannten „Bible Belt“. Denn dort leben und arbeiten die drei Bandmitglieder, wenn sie nicht auf Tour sind. Schon der Bandname spielt ironisch auf die hauptsächlich in den USA verbreiteten christlichen Riesengemeinden an, zu deren teilweise in Stadien abgehaltenen Gottesdiensten durchschnittlich mehrere tausend Besucher erscheinen. Kritisch geht es auch in den acht neuen Songs auf „Judgment day“ weiter: mit eingestreuten Samples aus republikanischen Nachrichtensendungen und Fragmenten aus Rundfunkpredigten, die durch die humorvolle Art und Weise, in der sie von MEGACHURCH rekontextualisiert werden, irgendwie lächerlich oder gar entlarvend wirken. Ein bisschen wie bei den großartigen GRAF ORLOCK mit ihren Filmsamples, nur mit einem wirklich ernsten Hintergrund.
Musikalisch reiht sich auf „Judgment day“ ein tonnenschweres, von klassischem Metal inspiriertes Riff an das nächste, gespielt von einem Schlagzeuger und zwei Bassisten (!), was besonders Live zu ziemlich brutalen Ausschreitungen im Moshpit führen dürfte. Aber auch auf Platte wird die Band nie langweilig, bleibt in all ihrer Verspieltheit immer griffig, mit vielen melodiösen Momenten. Und das, obwohl auf dem gesamten Album weder Gitarren noch Gesang zu hören sind. Zudem müssen sich MEGACHURCH vor artverwandten Bands wie den MELVINS, SHELLAC, SLINT oder LIGHTNING BOLT in keinster Weise verstecken, kommen sie doch mit vergleichbarer Raffinesse im Songwriting und in ihrer Performance ähnlich kraftvoll daher. Einzig die Samples könnten, ginge es nach mir, gerne zu Hause bleiben. Aber hier geht es ja auch um Inhalte. Und eigentlich war die Sache für mich eh schon entschieden, als ich beim Recherchieren las, dass „Judgment day“ auch auf Kassette erscheint.